Bildnachweis: © Flick Gocke Schaumburg.
Das öffentliche Interesse und die politische Debatte um das Thema Nachhaltigkeit haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen, ebenso wie die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten. Betroffen ist nicht nur die Finanzwirtschaft, sondern auch die Realwirtschaft auf Unternehmens- und Produktebene. Der regulatorische Druck nimmt zu. Auch für Private Equity- und Venture Capital-Investoren ist Nachhaltigkeit nicht (mehr) bloßes Marketing, sondern erfordert auf Unternehmens- wie auch Portfolioebene dezidiert Compliance mit einem immer komplexer werdenden Rechtsrahmen.
Mit Blick auf die Risiken des Klimawandels hat die EU im Rahmen des Green Deals und des Aktionsplans Sustainable Finance einen völlig neuen Rechtsrahmen für eine nachhaltige Wirtschaft geschaffen. Im Mittelpunkt steht der Dreiklang „Environment, Social, Governance“ (ESG) als weiter Begriff für Corporate Social Responsibility (CSR). Beim EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ (Sustainable Finance) geht es im Kern darum, zu definieren, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten nachhaltig sind, Kapital in möglichst nachhaltige Investitionen zu lenken und sogenanntes Greenwashing zu verhindern.
Herausforderungen auf Ebene der Investoren
Für Private Equity- und Venture Capital-Investoren, bei denen es sich um EU-Assetmanager/AIFMs, Versicherungen und Banken mit Portfolioverwaltung handelt, sind insbesondere die Verordnung (EU) 2019/2088 vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Offenlegungs-VO) und die Verordnung (EU) 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (Taxonomie-VO) relevant. Am 6. April 2022 veröffentlichte die EU-Kommission nun die finalen technischen Regulierungsstandards (RTS) zur Offenlegungsverordnung. Die Kombination aus Offenlegungs-VO, Taxonomie-VO und RTS begründen sehr weitgehende Offenlegungspflichten auf Unternehmens- sowie Produktebene. Angaben sind dabei – in unterschiedlichem Umfang und Fokus – auf der Internetseite, in vorvertraglichen Dokumenten und im regelmäßigen Reporting zu machen. Die Adressaten haben ihre Strategien zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf Investitions-/Beratungsprozesse offenzulegen. Werden Nachhaltigkeitsrisiken für nicht relevant gehalten, muss das klar und knapp begründet werden. Es gilt außerdem darzulegen, ob die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen der Anlageentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt sind beziehungsweise bei der Anlageberatung berücksichtigt werden, oder alternativ zu begründen, warum das nicht der Fall ist. Es wird außerdem zwischen nicht-nachhaltigen Finanzprodukten, ESG-Strategieprodukten und Impact-Produkten unterschieden, was entsprechende Folgepflichten auslöst. Insbesondere für die beiden letzteren Finanzprodukte gelten zusätzliche Offenlegungspflichten in vorvertraglichen Dokumenten, im regelmäßigen Reporting sowie auf der Website.
Offenlegung der nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeit
Eine besondere Herausforderung für die meisten Unternehmen wird jedoch die Offenlegung der nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeit (Principal Adverse Impacts on Sustainability; PAIs) sein. Die RTS konkretisieren die PAIs durch eine Liste von diversen verpflichtenden Indikatoren sowie optionalen Indikatoren aus den Bereichen Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Biodiversität, Wasser, Abfall, Soziales und Mitarbeiter, Menschenrechte und Korruption. Die notwendigen Daten sind innerhalb der Portfolios nicht nur zu erfassen und zu reporten, es soll auch eine Priorisierung, eine Festlegung von Schwellenwerten (zur Ablehnung von Investitionsmöglichkeiten) und ein aktives Tätigwerden erfolgen, um eine zukünftige Reduzierung der PAIs zu erreichen. Dabei sorgt die hohe Anzahl an Datenfeldern für einen erhöhten Datenaufwand, die gegebenenfalls notwendige Unterstützung durch entsprechende Datenanbieter verursacht Zusatzkosten.
Kapazitäten schaffen
Es ist also notwendig, dass die von den RTS geforderten Daten durch die Unternehmen im Rahmen ihrer nichtfinanziellen Berichterstattung zur Verfügung gestellt werden. Die Offenlegungs-VO und die RTS sorgen damit für einen hohen Implementierungsaufwand in den betroffenen Unternehmen. Gerade für Private Equity- und Venture Capital-Investoren mit einem großen Portfolio, das aus Unternehmen in der Frühphase besteht, kann allein die Sammlung der Daten bereits zu einer großen Herausforderung führen. Entscheidend wird für also für die Bewältigung sein, dass die entsprechenden Kapazitäten geschaffen werden, um die vollständige Nachhaltigkeitswirkung der einzelnen Investitionen zu verstehen. Ein Verständnis der unterschiedlichen RTS sowie der existierenden Wahlmöglichkeiten und Freiräume bei einzelnen Datenfeldern ist dabei ebenso notwendig wie auch ein Verständnis zum Umgang mit den Reduktionsmöglichkeiten der PAIs innerhalb des Portfolios.
Herausforderungen auf Ebene der Portfoliounternehmen
Nachhaltigkeitsanforderungen bestehen aber nicht nur auf Ebene der Investoren selbst. Umfassende Nachhaltigkeit entscheidet bei den Portfoliounternehmen oft auch über den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg – und damit über den Erfolg des Private Equity- und Venture Capital-Investors. Daher wird sich dieser ebenso mit der ESG-Compliance seiner Portfoliounternehmen nicht nur für Zwecke ihres eigenen Reportings auseinandersetzen müssen, sondern auch für Zwecke der Auswahl, Monitoring und Entwicklung des Portfolios.
Sorgfaltspflichten einhalten
Für ESG-regelkonformes Handeln der Portfoliounternehmen sind unter anderem Entwicklungen im Emissionshandelsgesetz, Antikorruptionsgesetz und Lieferkettengesetz zu beachten. Durch letzteres werden Unternehmen zunehmend gesetzlich verpflichtet, vor allem unter menschenrechtlichen und umweltbezogenen Gesichtspunkten Sorgfaltspflichten in Bezug auf ihre Lieferkette einzuhalten und dies durch ein entsprechendes Managementsystem sicherzustellen. Auch die Anforderungen bezüglich der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der öffentlichen Beschaffung, etwa durch die jüngsten Änderungen des Bundes-Klimaschutzgesetzes, und die Erwartungen an die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand, steigen. Das erhöht die Komplexität von Vergabeverfahren.
Verstöße können schweren Folgen nach sich ziehen
Verstöße mit Bezug auf Nachhaltigkeitsdaten gegen Gesetze, Vorschriften, interne Richtlinien und weitere Verhaltensregeln im Unternehmensumfeld kann für das Portfoliounternehmen, seine Organe und Geschäftspartner schwerwiegende Folgen haben. Dazu zählen Reputationsschäden und Haftungsrisiken einschließlich Geld- und Haftstrafen. Folglich ist es unabdingbar, dem Thema zum einen präventiv zu begegnen, es als Compliance-Aspekt zu betrachten und bei Transaktionen schon in der Due Diligence zu berücksichtigen.
Ausblick
Im Zuge von Nachhaltigkeitsbestrebungen und der Übernahme sozialer Verantwortung ändern sich insgesamt die Erwartungen an die Führungs- und Überwachungsaufgaben eines Unternehmens. Auch für Private Equity- und Venture Capital-Investoren rückt damit die ESG-Performance von Unternehmen – insbesondere die rechtliche Compliance mit Nachhaltigkeitsanforderungen – in den Fokus bei der Due Diligence. ESG Compliance muss in das Compliance- und Risikomanagementsystem integriert werden. Das erfordert Identifizierung von regulatorischen Lücken und Analyse der Einhaltung regulatorischer und interner Vorgaben sowie Bewertung von ESG-Risiken in Hinblick auf bestehende Kontrollmechanismen wie auch Sicherungsmaßnahmen. Dabei lassen sich aber natürlich auch Chancen aufdecken.
Über den Autor:
Dr. Martin Brockhausen ist als Partner bei Flick Gocke Schaumburg in München im Bereich Private Equity/Fonds tätig. Er berät sowohl deutsche und internationale Initiatoren in Venture Capital, Private Equity, Infrastruktur, Real Estate und Debt-Fonds als auch viele Investoren in diese Fonds.