Bildnachweis: © EINHUNDERT, © NRW.Bank, © Einhundert Energie.
Eine dezentrale Energieversorgung ist von großer Bedeutung für die Energiewende. Dazu zählt auch das Konzept des Mieterstroms, bei dem Anlagenbetreiber lokal produzierten Strom ohne Nutzung öffentlicher Netze direkt an private oder gewerbliche Mieter liefern. So lassen sich zum Beispiel mehr Menschen an der Energiewende beteiligen, neue Energien in urbane Räume bringen und allgemein die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduzieren. Für Mieterstrom wird überwiegend Fotovoltaik genutzt. Anbieter können Einzelpersonen, Genossenschaften oder spezialisierte Dienstleister sein, wie die Einhundert Energie GmbH aus Köln.
„Als Partner für skalierbaren Mieterstrom treiben wir die Dekarbonisierung von Mehrparteiengebäuden voran“, sagt Dr. Ernesto Garnier, Gründer und CEO, der mit seinem Team smarte Services rund um eine grüne, digitale Energieversorgung entwickelt. „Immobilienunternehmen erhalten bei uns ein Komplettpaket aus solarem Strom, digitaler Abwicklung der Energieprozesse und skalierbaren Services für Stromabnehmer und können so grüne Energie über das gesamte Gebäudeportfolio ausrollen.“ Einhundert installiert und betreibt Solaranlagen, Wärmepumpen und E-Ladesäulen mit digitalen Stromzählern, sogenannten Smart Metern. Mit diesen werden die Energieflüsse in Gebäuden visualisiert und Verbräuche automatisch monatlich abgerechnet.
Fokus Immobilien
Nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft startete Garnier als Berater mit Schwerpunkt auf digitalen Geschäftsmodellen für Energieversorger bei der Boston Consulting Group. Zwischenzeitlich promovierte er in Energieökonomik zu virtuellen Kraftwerken. Zusammen mit Markus Reinhold, der unter anderem als Projektleiter bei Ingenieure ohne Grenzen in der internationalen Entwicklung tätig war, gründete er 2017 Einhundert. Garnier übernimmt die kaufmännischen und vertrieblichen Aufgaben, währende Reinhold als COO für Produktportfolio und operatives Geschäft zuständig ist. „Uns war klar, dass Energieunternehmen nicht auf Dekarbonisierung und digitale Abrechnung vorbereitet sind“, sagt Garnier. So entstand die Idee einer Smart Meter-basierten Mieterstromlösung. Garnier brachte das Startkapital ein, zusammen mit Familie und Freunden ließ sich der Finanzbedarf der ersten zwei Jahre decken. 2019 stießen Minol, High Rise Ventures und Wi Venture als Investoren dazu; im Jahr 2020 wurde außerdem eine Crowd-Finanzierung durchgeführt.
Im Februar 2022 folgte die Series A mit über 6,5 Mio. EUR, bei der EWE, der Venture-Fonds der NRW.Bank NRW.Venture, Übermorgen Ventures aus der Schweiz sowie Clima Now einstiegen. „Mit Ernesto Garnier standen wir lange im Austausch, bevor sich die Gelegenheit für ein Investment ergab“, so Dr. Thomas Raueiser, Senior Investment Manager bei der NRW.Bank und Board Member. Mit dem Fokus auf Wohnungsbau und Immobilienentwicklung bediene Einhundert ein Segment mit großem Skalierungspotenzial. Über den Beirat sind Raueiser und weitere Investoren aktiv in die Strategieentwicklung eingebunden.
Markt im Umbruch
Noch ist der Markt überschaubar. Neben Anbietern, die den Fokus auf größere Neubauquartiere legen, gibt es reine Softwareanbieter sowie Stadtwerke, die mitunter Lösungen von Einhundert nutzen.
Als Alleinstellungsmerkmal sieht Garnier die Kombination aus skalierbaren Serviceprozessen und hauseigener Software: „Anders als im Einzelprojektgeschäft bieten wir die End-to-End-Lösung; wir finanzieren, planen, installieren und betreiben die komplette Fotovoltaikanlage.“ Im Leistungspaket für Wohnungswirtschaft und Projektentwickler wickelt Einhundert als Vertragspartner der Mieter alle energiewirtschaftlichen Prozesse intern ab. Für Energiedienstleister stehen White Label-Lösungen bereit, mit denen das Mieterstromgeschäft an Einhundert ausgelagert wird. „Aufdach-PV-Anlagen mit Smart Metering werden Herzstück der Dekarbonisierung des deutschen Gebäudebestands sein“, sagt Garnier. Eine solare, kosteneffiziente Stromversorgung sei auch Voraussetzung für einen Rollout von elektrischen Wärmepumpen, die den Gasbedarf für Wärme drastisch reduzieren können. Entsprechend groß sei das Interesse der Immobilienbranche: „Die großen Player suchen Partnerschaften mit marktführenden Dienstleistern, um Kapazitäten für die nächsten Jahre zu sichern“, so Garnier.
Tiefere Wertschöpfung, neue Marktsegmente
Doch es gibt auch Hemmnisse im Markt. Aufgrund hunderter unterschiedlicher Anforderungen je Netzbetreiber kommt es bei der Anmeldung der Anlagen häufig zu aufwendigen Einzelfallklärungen. Garnier fordert von der Bundesnetzagentur die Bereitstellung einer digitalen Plattform für alle Anmeldeprozesse bundesweit. „Die aktuellen Gesetzesentwürfe (EEG, EnWG) des BMWi lassen auf bessere Rahmenbedingungen hoffen, doch um schnell zehntausende Gebäude mithilfe von Solarstrom und Wärmepumpen zu dekarbonisieren, reichen sie noch nicht aus“, so Garnier. Auch Fachkräftemangel und hohe Kosten für PV-Technik erschwerten die wirtschaftliche Umsetzung, so Garnier. Umso wichtiger sei es, durch Software und Standardisierung Skaleneffekte zu erzielen. Insgesamt sind Solar- und Mieterstrom, auch aufgrund der veränderten Versorgungslage durch den Krieg in der Ukraine, klar im Aufschwung. Das Momentum wollen Garnier und sein Team nutzen: „Kurzfristig erweitern wir unsere Wertschöpfung, indem wir PV-Anlagen durch Contracting zunehmend selbst finanzieren.“ Für die Planung und Realisierung wurden durch Insourcing Kapazitäten erweitert und gesichert. Zudem stehen verstärkt neue Immobilientypen im Fokus, etwa das Gewerbesegment. Vor allem aber soll in den kommenden Jahren das Produktangebot erweitert und Lösungen in den Bereich Wärmepumpen und E-Mobilität eng in das Portfolio integriert werden. „Wir erwarten, dass Einhundert den Markt für Mieterstrom als ein führender Anbieter in den kommenden Jahren entscheidend mitgestalten wird“, sagt Raueiser.