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Software ist in allen technischen Bereichen von elementarer Bedeutung. Entsprechend wichtig ist ihr Schutz durch Patente. Gleichzeitig basieren Prozesse immer öfter auf künstlicher Intelligenz. Dies stellt bei der Patentierung eine Herausforderung dar.
Software lässt sich durch Patente schützen – vorausgesetzt, sie dient einem technischen Zweck, beispielsweise der Steuerung einer Maschine, der Verarbeitung von Sensordaten oder der schnellen und sicheren Datenübertragung. Softwarebasierte Patente finden sich heute in allen technischen Bereichen. Oft wird der Schutz durch eine Abfolge von Schritten definiert, die von der Software zum Erzielen einer bestimmten Funktion zur Ausführung gebracht werden. Anders als beim Urheberrecht oder mittels Geheimhaltung kann es Dritten somit gestützt auf das Patent untersagt werden, dieselbe Funktionalität zu realisieren.
Softwarepatent am Beispiel
Zur Illustration wird von einem Softwarepatent für ein Verfahren zur Verarbeitung von medizinischen Bilddaten, wie zum Beispiel Röntgenbildern, ausgegangen. Dabei wird zunächst ein Filter auf die Bilddaten angewandt, um den Kontrast zu erhöhen; danach werden in einem Segmentierungsschritt einzelne Strukturen erkannt. In einem letzten Schritt erfolgt ein Mustervergleich der Strukturen mit in einer Datenbank hinterlegten Formen (siehe Abbildung 1, links). Das Verfahren wird im Patent durch die Eigenschaften des Filters, des Segmentierungsschritts und des Mustervergleichs definiert.
Herausforderungen beim Patentschutz für KI-Anwendungen
Immer öfter werden Daten nicht mehr „klassisch“ verarbeitet, wie im skizzierten Beispiel, sondern unter Heranziehung von künstlicher Intelligenz (KI), etwa bei Supervised Deep Learning-Verfahren, bei denen zunächst ein mehrstufiges künstliches neuronales Netz (ANN) anhand von manuell klassierten Trainingsdaten trainiert und anschließend auf neue Daten angewandt wird. Im geschilderten Beispiel könnte ein solches Verfahren unmittelbar auf die ursprünglichen Bilddaten angewandt werden und im Ergebnis direkt das Resultat des Mustervergleichs liefern. Das KI-Verfahren stellt somit eine „Black Box“ dar (siehe Abbildung 1, rechts). Das ANN ist durch seine Struktur und Parameter (zum Beispiel Knotengewichte) definiert. Insbesondere die Parameter können sich zukünftig weiter ändern, wenn das ANN weiter trainiert (und damit stetig verbessert) wird.
Diese Besonderheiten führen bei der Patentierung von KI oft zu Problemen: In einem bekannten Verfahren klassische Algorithmen durch generelle KI-basierte Algorithmen zu ersetzen ist „fachmännisches Handeln“ und macht das KI-Verfahren noch nicht patentfähig.
Die KI weist auch kein „Räderwerk“ auf, das zur Definition genutzt werden könnte. Die Alternativen bringen jeweils eigene Herausforderungen mit sich:
- Definition durch die KI selbst: Ein KI-Verfahren kann grundsätzlich durch die Struktur und die Parameter des ANN definiert werden. Allerdings lässt sich eine solche Definition kaum sinnvoll generalisieren, und sie trägt zukünftigen Änderungen aufgrund des Re-Trainings nicht Rechnung. Das Ergebnis ist ein sehr enger Schutz, der von Dritten einfach umgangen werden kann.
- Definition durch den Trainingsprozess: Statt die KI selbst kann auch die „Herstellung“ der KI beansprucht werden, indem nebst der Struktur der KI die Trainingsdaten und die Schritte der (manuellen) Klassierung vorgegeben werden (siehe Abbildung 2, links). Das kann funktionieren, stellt aber hohe Anforderungen an die in der Patentanmeldung enthaltenen Informationen, um die amtlichen Erfordernisse an die Klarheit und die Ausführbarkeit zu erfüllen.
- Definition durch die Ausgangsdaten oder die Weiterverarbeitung der Ergebnisse der KI-Verarbeitung: Wenn die KI nicht gerade wie zuvor skizziert die „Rohdaten“ verarbeitet und direkt das gewünschte Endergebnis liefert, kann die Vorverarbeitung der Rohdaten und/oder die Weiterverarbeitung der KI-Ergebnisse zur Definition einer Erfindung herangezogen werden (siehe Abbildung 2, rechts). Auch hier muss in der Patentanmeldung die KI vollständig dokumentiert werden.
In jedem Fall erfordert der erfolgreiche Patentschutz von KI-Anwendungen eine äußerst sorgfältige Vorbereitung der Patentanmeldung. Da eine international harmonisierte Praxis noch fehlt, dürfte es im Rahmen einer internationalen Schutzstrategie zudem sinnvoll sein, mehrere Ansätze nebeneinander zu verfolgen.
KI als Erfinder
Mögliche Herausforderungen ergeben sich auch dann, wenn eine Erfindung ganz oder teilweise auf einem KI-Prozess basiert. Dies gilt ebenfalls, wenn es sich beim Ergebnis um ein klassisches Erzeugnis handelt, etwa eine neue und besonders optimierte Geometrie einer Turbinenschaufel. Die meisten Patentgesetze gehen davon aus, dass Erfindungen von natürlichen Personen gemacht werden. Das Recht auf entsprechende Patente gehört dann auch diesen oder deren Rechtsnachfolgern (zum Beispiel dem Arbeitgeber). Bei der erwähnten Schaufelgeometrie fehlt es allenfalls an einer natürlichen Person als Erfinder. Und dies kann problematisch sein: Bei der Beurteilung einer Reihe von Patentanmeldungen, in denen eine KI namens „Dabus“ als Erfinder benannt wurde, haben sämtliche Patentämter die Anmeldungen zunächst zurückgewiesen, weil keine natürliche Person als Erfinder benannt sei. Einige dieser Zurückweisungen sind bereits rechtskräftig geworden, während andere noch bei höheren Instanzen anhängig sind. Die Dabus-Fälle wurden explizit als Testfälle konstruiert. In der Praxis lassen sich Probleme in der Regel vermeiden, weil – zumindest heute – hinter jeder KI auch natürliche Personen stehen, denen zumindest ein gewisser „erfinderischer Beitrag“ zugeordnet werden kann.
Ausblick
Der routinemäßige Einsatz von KI bei der Entwicklung neuer Erzeugnisse und Verfahren könnte aber mittelfristig dazu führen, dass die Messlatte für die Patentfähigkeit angehoben wird: Was durch „routinemäßigen“ Einsatz von KI-Mitteln geschaffen werden kann, könnte dereinst als nicht erfinderisch und damit nicht patentfähig eingestuft werden – selbst wenn die entsprechende Entwicklung noch durch klassische Entwicklungstätigkeit erfolgt ist.
Über den Autor:
Dr. Philipp Rüfenacht ist diplomierter Physiker und seit 2005 Patentanwalt mit Spezialisierung auf Softwarepatenten. Er ist Partner der Keller Schneider Patent- und Markenanwälte AG mit Standorten in Bern, Zürich und München.