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Investoren und Gründer möchten beim Exit am liebsten den gesamten Kaufpreis sofort erhalten und dann innerhalb möglichst kurzer Zeit keinen Gewährleistungsansprüchen mehr ausgesetzt sein. Das entspricht bei den meisten Exit-Fällen allerdings nicht der Wirklichkeit.
Die Gründer müssen regelmäßig einen sogenannten Holdback akzeptieren. Dabei handelt es sich letztlich um ein „Kaufpreis-Vesting“ für die Gründer über einen Zeitraum von nicht selten zwei bis vier Jahren (zumeist einschließlich Good- und Bad Leaver-Bestimmungen). Ferner trifft häufig sogar alle Anteilsverkäufer ein sogenannter Gewährleistungseinbehalt. Dieser soll etwaige Gewährleistungsansprüche des Käufers gegen die Verkäufer sichern und macht regelmäßig 10% bis 15% des Gesamtkaufpreises aus.
Earn-out-Vereinbarung
Schließlich wird sehr häufig ein sogenannter Earn-out (EO) vereinbart: Ein Teil des Kaufpreises wird über einen bestimmten Zeitraum ausbezahlt, und zwar abhängig von der Erfüllung bestimmter Key Performance Indicators (KPIs). Andererseits wird für den Fall des Erreichens der KPIs nicht selten eine Hebelwirkung für den EO-Kaufpreisanteil vereinbart. Das kann sehr attraktiv sein. Zu achten ist dabei aus Verkäufersicht darauf, die EO-Klausel so zu fassen, dass das Unterschreiten der Ziele in einem Jahr durch das Überschreiten derselben in einem anderen Jahr jedenfalls teilweise kompensiert werden kann. Die Höhe des Kaufpreisanteils, der nur bedingt und damit auf eher unsicherer Grundlage ausgezahlt wird, kann erheblich sein.
„Take the money and run“ als Alternative?
Es stellt sich daher die Frage, ob nicht ein etwas geringerer Gesamtkaufpreis und dafür kein (ohnehin eher unsicherer) EO beziehungsweise ein nur sehr geringer EO-Anteil in vielen Fällen die bessere Alternative wäre. Das setzt allerdings voraus, dass die Kaufpreisvorstellungen nicht zu weit auseinandergehen. Umgekehrt spielt der EO gerade dann eine bedeutende Rolle, wenn sich Käufer und Verkäufer auf den Kaufpreis wegen zu unterschiedlicher Vorstellungen nicht einigen können.
Klar definierte KPIs
Die KPIs sollten gerade bei Wachstumsunternehmen aus einem „Mix“ von Umsatz und EBITDA bestehen. Es kommen aber etwa auch der jährlich wiederkehrende Umsatz (ARR) oder die Entwicklung der Anzahl der aktiven Kunden als KPIs in Betracht. In der Praxis existieren hier zahlreiche Varianten. Jedoch sind EBITDA und Umsatz überaus wichtige KPIs, auf denen EO-Klauseln sehr oft basieren.
Komplexe Bestimmungen
Die KPIs müssen möglichst genau definiert werden. Oft geht dies mit sogenannten Ring Fence-Bestimmungen einher. Diese legen fest, was bei der Ermittlung der definierten KPIs zu korrigieren ist, damit gewisse Maßnahmen nach dem Exit weder einen negativen noch einen positiven Effekt auf den EO haben. Solche Bestimmungen sind oft äußerst komplex und Gegenstand langwieriger Verhandlungen. Wichtige Punkte sind hier zum Beispiel Umstrukturierungs- und Integrationsmaßnahmen sowie Neueinstellungen, aber auch Änderungen in den Bilanzierungsmethoden. Gerade hinsichtlich dieser Bestimmungen kommt es später sehr oft zum Streit zwischen den Parteien (so gut und detailliert diese Bestimmungen auch gedraftet sein mögen).
Dauer der EO-Periode
Die Streitanfälligkeit erhöht sich nach der Erfahrung des Verfassers, je länger die EO-Periode dauert. Regelmäßig beträgt diese zwei bis vier Jahre. Bei den Ring Fence-Bestimmungen geht es nicht darum, die Verhältnisse beim Unternehmen für die EO-Periode insgesamt „einzufrieren“, denn regelmäßig handelt es sich um ein Unternehmen, das auch vor deren Ende vom Käufer fortentwickelt und danach fortgeführt werden soll. Tatsächlich geht es darum, insbesondere solche Maßnahmen, auf welche die Verkäufer keinen Einfluss haben und die sich außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs bewegen, bei der Ermittlung des EOs zu korrigieren.
Integrationsmaßnahmen definieren
Der Drang des Käufers, Integrationsmaßnahmen durchzuführen, erhöht sich allerdings mit dem Voranschreiten der Jahre. Oft führen gerade der Aufwand für solche Maßnahmen und die Frage, was davon herauszurechnen ist, zu Streitigkeiten, die sehr in die Details gehen und für alle Beteiligten mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sein können. So ist etwa der Begriff der „Integrationsmaßnahmen“ nicht so einfach und klar, wie es auf den ersten Blick scheinen mag: Sind zum Beispiel rein interne Umsetzungen von Mitarbeitern hiervon umfasst? Ein weiterer Streitpunkt ist oft, ob echte Neueinstellungen herauszurechnen sind, weil man vorher dieselbe Arbeit auch mit weniger Mitarbeitern geschafft habe, oder ob diese Neueinstellungen erforderlich waren, da das Unternehmen wegen des Wachstums nicht mit derselben Mitarbeiterzahl ordnungsgemäß hätte fortgeführt werden können.
Wer trägt eigentlich den EO?
In aller Regel werden den EO, also den bedingten Kaufpreisanteil, jedenfalls die Gründer tragen. Sollten aber auch die Investoren den EO mittragen? Auch hier hat der Verfasser jegliche Varianten gesehen: nur die Gründer, auch die Investoren oder sogar überwiegend die Investoren (ergo mehr „Vorab“ für die Gründer, weil diese dem Käufer am wichtigsten sind). Aus Investorensicht ist es nicht unweigerlich gerechtfertigt, dass sie den EO (jedenfalls in voller Höhe) mittragen sollen: Ihr Einfluss auf das Unternehmen ist zumeist bereits vor dem Exit eher begrenzt und erst recht danach, weil sie dann in aller Regel nicht einmal mehr Gesellschafter sind. Das sind die Gründer nach dem Exit zwar zumeist auch nicht mehr – jedoch bleiben diese regelmäßig für eine gewisse Zeit weiter in der Geschäftsführung des Unternehmens oder müssen dies sogar wegen des Holdbacks.
Fazit
Umgekehrt kann es aus Sicht der Gründer unangemessen sein, dass sie den EO vollständig allein tragen sollen. Der Verfasser kann aus eigener Erfahrung berichten, dass Gründer dann möglicherweise nicht mehr „mitspielen“ wollen. Das kann zu erheblichen Spannungen zwischen den Investoren und den Gründern führen und sogar den Exit gefährden. Es ist deshalb dringend zu raten, dass Investoren und Gründer rechtzeitig intern eine für beide Seiten angemessene Lösung finden.
Über den Autoren:
Dr. Thomas Derlin ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Venture Capital, Private Equity, Corporate/M&A sowie kommerzielles Vertragsrecht.