Vorerwerbs-, Tag-Along- und Bezugsrechte für alle?

Angemessene Minderheitenschutzbegrenzung

Dr. Thomas Derlin, GSK Stockmann
Dr. Thomas Derlin, GSK Stockmann

Bildnachweis: GSK Stockmann.

Zumeist möchten Investoren Vorerwerbs-, Tag-along- und Bezugsrechte, und sie werden ihnen oft auch gewährt. Das kann jedoch später zu praktischen Problemen führen und insbesondere für größere Investoren unattraktiv sein.

Gerade für kleine Investoren (etwa Business Angels) stellen insbesondere das allgemeine Bezugsrecht und das Tag-Along-Recht einen wichtigen Minderheitenschutz dar. Beim Bezugsrecht geht es vor allem darum, „dabei zu sein“, wenn die Möglichkeit besteht, relativ günstig weitere Geschäftsanteile zu beziehen (also erneut zu investieren, falls sich das Unternehmen gut entwickelt und die Bewertung aber gegebenenfalls noch nicht zu hoch ist). Dieses Recht ist von der sogenannten Downround-Protection zu unterscheiden. Letztere spielt bei Frühphaseninvestoren angesichts des in der Regel recht niedrigen Einstiegswerts oft keine praktische Rolle; eine Ausnahme mag hier für Krisensituationen gelten. Das Tag-Along-Recht (Mitverkaufsrecht) soll insbesondere sicherstellen, dann mit dabei zu sein, wenn es die Möglichkeit eines attraktiven „Secondaries“ (und damit eines teilweisen „Cashouts“) vor einem etwaigen späteren Exit gibt. Das Vorerwerbsrecht soll insbesondere gewährleisten, zumindest pro rata gegebenenfalls günstig Anteile von einem anderen Gesellschafter erwerben zu können.

Risiko mangelnder Praktikabilität sowie Attraktivität für größere Investoren

Aus der Sicht größerer Investoren ist es allerdings nicht stets akzeptabel, dass zunächst jedem (auch noch so „kleinen“) anderen Investor die eigenen Anteile in einem zumeist recht aufwendigen Verfahren zum Erwerb angeboten werden müssen. Ferner muss diesen Investoren gegebenenfalls danach auch noch der Mitverkauf (zumindest pro rata) angeboten werden, bevor die Anteile dann endlich an einen externen Dritten veräußert werden können (gegebenenfalls gemeinsam mit den Anteilen der anderen Investoren). Nicht selten wird ein solcher Verkauf deshalb erst gar nicht versucht. Man kann die Auffassung vertreten, es sei gerade Sinn und Zweck der entsprechenden Regelungen, dass insbesondere kleinere Investoren nicht einfach womöglich gemeinsam mit den Gründern zurückgelassen werden können. Insbesondere im Hinblick auf spätere großvolumige Finanzierungsrunden können solche Regelungen jedoch ein Hindernis für die Gewinnung größerer Investoren darstellen.

Bezugsrecht als potenzieller „Hemmschuh“ für spätere Finanzierungsrunden

Als mindestens ebenso problematisch für spätere Finanzierungsrunden kann sich das Bezugsrecht herausstellen: Grundsätzlich hätte jeder einzelne Investor weiterhin das Recht, an Kapitalerhöhungen teilzunehmen, wenn nicht zuvor Einschränkungen des Bezugsrechts vertraglich vereinbart wurden. Hinzu kommen hier „Eigentümlichkeiten“ des deutschen Rechts: Dieses verlangt bei Kapitalerhöhungen bei der GmbH die notarielle Beglaubigung der Vollmachten der Übernehmer von Geschäftsanteilen. Sitzt ein Investor dann auch noch im Ausland, bedarf es zudem in aller Regel einer Apostille oder sonstigen Form der sogenannten Legalisierung. Das kann dazu führen, dass ein relativ kleiner (ausländischer) Investor eine wichtige Finanzierungsrunde zeitlich immens aufhält (zumeist ungewollt). Dem Verfasser ist aus der eigenen Praxis bekannt, dass unter anderem diese Eigentümlichkeiten des deutschen Rechts, welche die schnelle Durchführung von (nicht selten zeitlich eng aufeinanderfolgenden) Finanzierungsrunden stark behindern können, Wachstumsunternehmen sogar zum Umzug in andere Jurisdiktionen veranlasst haben, zum Beispiel nach Luxemburg.

Zumeist spezielle Regelungen für Gründer

Für Gründer gelten in Bezug auf die besagten Rechte oft spezielle Regelungen, da diese mit dem Vesting sowie dem zumeist ebenfalls vereinbarten sogenannten Lock-up für Gründer in Einklang gebracht werden müssen. Auch den Gründern steht jedoch in aller Regel ein (für diese allerdings praktisch kaum relevantes) Bezugsrecht zu. Beim Tag-Along-Recht und gegebenenfalls auch beim Vorerwerbsrecht finden sich dagegen in Bezug auf die Gründer nicht selten signifikante Einschränkungen (beispielsweise kein Tag-Along-Recht während der Lock-up-Periode oder eines Teils derselben).

Regelungen vorausschauend treffen

In diesem Spannungsverhältnis ist es sowohl für die Gesellschaft als auch für die Investoren wichtig, vorausschauend angemessene Regelungen auch und gerade in Bezug auf die besagten Rechte zu treffen. Poolingvereinbarungen können hier zwar helfen, jedoch sind häufig gerade diese Rechte in solchen Vereinbarungen keinem Mehrheitsbeschluss der Poolmitglieder unterworfen. Das wäre auch nicht zwingend angemessen. Denkbar ist etwa der vorherige vertragliche Verzicht auf das Bezugsrecht durch bestimmte Investorengruppen ab einem bestimmten Anteilspreis oder Gesamtinvestitionsvolumen der entsprechenden Finanzierungsrunde. Auch ein allgemeiner vertraglicher Verzicht bestimmter Investorengruppen hierauf ist in der Praxis zu beobachten. Ferner können bestimmte Investoren von dem Tag-Along-Recht der anderen Investoren ausgenommen werden, gegebenenfalls beschränkt auf einen bestimmten Prozentsatz der Gesamtzahl ihrer Anteile oder einen maximalen, „tag-along-freien“ Veräußerungsbetrag. Das Vorerwerbsrecht sollte grundsätzlich nur greifen, wenn alle (und nicht nur ein Teil) der zum Verkauf stehenden Anteile von den vorerwerbsberechtigten anderen Gesellschaftern erworben werden; auch weitere Einschränkungen sind diesbezüglich denkbar.

Fazit

Den Minderheitenschutz angemessen begrenzende Regelungen in Bezug auf Vorerwerbs-, Tag-Along- und Bezugsrechte sollten stets vorausschauend getroffen werden.

Zum Autor:

Dr. Thomas Derlin, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Venture Capital, Private Equity sowie Corporate/M&A.