Co-Gründer-Streit: Wie er entsteht und was dagegen getan werden kann

Know-how

Julius Bachmann, Founder Coach
Julius Bachmann, Founder Coach

Streitigkeiten im Gründerteam sind mit 65% das höchste Risiko für den Bestand eines Start-ups (Wassermann, 2012). Reibung und Konflikt sind oft der Grund, dass ein Unternehmen zum „Walking Dead“-Fall wird. Die Dunkelziffer liegt sogar noch höher, denn wenige sprechen darüber. Aber das ist die Realität, die ich in der Arbeit als Gründercoach erlebe.

Aber was sind die Gründe, dass solche elementaren Streitigkeiten überhaupt
entfacht werden?

Der Psychologe Howard Markman und die Therapeutin Esther Perel unterteilen die Ursachen in drei Gruppen.

Erstens geht es um Macht und Kontrolle. Also wer hat das Sagen in Fragen rund um Geld, Mitarbeitende oder Zukunftspläne? Zweitens liegt die Ursache oft in der Fürsorge und dem Vertrauen. Vertrauen ist die Grundlage für eine funktionierende Beziehung. Perel erklärt: “Wenn das Vertrauen gebrochen ist, erschüttert das alle unsere Annahmen über die Beziehung und unseren Wert in ihr.” Drittens geht es um Respekt und Anerkennung. Jahrelang haben beide Gründer Überstunden gemacht. Jetzt wird nur einer von beiden in der Presse erwähnt, zu Podiumsdiskussionen auf die Konferenz eingeladen oder in einen Beirat berufen. Das führt dazu, dass der Gründer sich fragt: Bin ich und meine Arbeit wichtig?

Die meisten Unstimmigkeiten kann man diesen drei Kategorien zuordnen. Menschliche Beziehungen haben immer unterschiedliche Motivationen, die sich auch immer wieder ändern können. Konflikte werden also entstehen.

Aber was kann man machen, wenn sich ein Konflikt längst eingeschlichen hat?

Reden. Die Zusammenarbeit mit einem Coach oder Mediator kann helfen. Hier muss sichergestellt werden, dass beide Parteien ein Mitspracherecht haben, mit wem sie arbeiten. Ich habe mit Teams gearbeitet, in denen ein oder mehrere Mitgründer sich nicht wirklich auf den Coaching-Prozess eingelassen haben. Das war für alle eine Verschwendung von Zeit, Emotionen und Energie.

Raus. Man kann noch so viel meditieren und atmen, man ist immer noch von Emotionen umgeben. Dann ist es am besten, sich von der emotionalen Situation zu entfernen. Ich spreche nicht von einem Spaziergang um den Block. Ich spreche von einem dreiwöchigen Urlaub ohne E-Mails, einem Besuch bei den Großeltern und der Möglichkeit, sich zu erden.

Revidieren. Wenn sich ein Konflikt manifestiert hat, dann ist Trennung eine echte Option. Eine Freundin von mir – selbst erfahrene Coachin – sagt immer‚ Trennung ist auch Konfliktlösung‘. Ich sage nicht, dass es in jedem Konflikt einen Punkt gibt, an dem es kein Zurück mehr gibt, aber man muss diese Gleichung berücksichtigen: Wie viel Energie wird die Trennung und ihre möglichen Nachwirkungen kosten? Wie viel Energie kostet dagegen die Auflösung durch Gespräche, Coaching oder Mediation?

Aber was tun, damit kein ernsthafter Konflikt entsteht?

Konflikte müssen nicht immer negativ sein. Spannungen und Diskussionen sind eine Chance für persönliches und strukturelles Wachstum. Sie sind ein Zeichen dafür, dass Veränderung notwendig ist. In einer gesunden Gründerbeziehung erkennen beide Seiten die Ursache eines Konflikts und arbeiten an seiner Lösung. Wie kann diese Fähigkeit trainiert werden?

Comunication is key. Vorausschauende Gründer suchen das präventive Gespräch über mögliche Konflikte schon zu Beginn der Zusammenarbeit und beschließen, wer die Person ist, die im Konfliktfall zu Rate gezogen werden kann. In diesem Zuge finden sie heraus, was den einzelnen Gründern am meisten am Herzen liegt: Es gibt einen Unterschied zwischen der Position eines Mitgründers und seinem wirklichen Interesse, der im Konfliktfall oft klar wird.

Triggerauslöser. Gründer stehen ständig unter Stress. Dieser kann Unsicherheiten auslösen. Unsicherheit wiederum löst Konfliktverhalten aus, das von unserem Unterbewusstsein gesteuert wird. Wir alle werden von anderen Menschen getriggert. Wenn wir getriggert werden, löst eine Handlung ein unbewusstes Protokoll aus. Man muss sich also dieser Triggerpunkte bewusst werden.

Bereitet euch vor. Wenige Gründerteams setzen sich präventiv mit der Frage auseinander, wie sie im Konfliktfall miteinander umgehen wollen. In Beteiligungsverträgen sind meist nur Leaver-Klauseln enthalten, die der Gesellschafter ziehen kann. Wie ein guter Ehevertrag sollte auch ein Gründungsvertrag in guten Zeiten geschrieben werden. Hier sollten alle Eventualitäten festgehalten und mit den Investoren besprochen werden.

Zum Ende sei zu sagen, gemeinsames Wachstum erfordert Kommunikation. Verbringen wir mehr Zeit miteinander als Menschen statt nur als Geschäftspartner und gehen in den Dialog, müssen Konflikte nicht zur Gründertrennung führen.

Über den Autor:

Julius Bachmann blickt auf eine reichhaltige Vergangenheit – Investor, CFO, Gründer und einst auch Unternehmensberater. Als Executive Coach arbeitete er bereits mit über 150 profilierten Gründer:Innen, Angel Investor:innen und VCs in ganz Europa zusammen. Sein Ziel: ein menschlicher Führungsstil auch während unternehmerischen Hochs und Tiefs.