Finanzierungsalternative für Start-ups?

Tokenbasierte Schuldverschreibungen

Dr. Kilian Pfahl, Hogan Lovells
Dr. Kilian Pfahl, Hogan Lovells

Bildnachweis: Hogan Lovells.

In der Venture Capital-Szene trifft man aktuell auf ein neues Phänomen: die tokenbasierte Schuldverschreibung. Als Anleihe ist sie ein Fremdkapitalinstrument und damit für die Gründerteams günstigeres Geld als die klassische Eigenkapital-finanzierungsrunde – es kommt gerade zu keiner Verwässerung im Cap Table. Doch ist sie für Start-ups wirklich eine taugliche Alternative?

Die tokenbasierte Schuldverschreibung als (Inhaber-)Schuldverschreibung (Anleihe) wird durch Crowdfunding platziert. Die Anleger überlassen der Emittentin für die Laufzeit einen bestimmten Geldbetrag. Als Gegenleistung werden Zinsen gezahlt (Lending-Based Crowdfunding). Beim Exit partizipiert die Anleihe. Der Rückzahlungs- und Zinsanspruch wird allerdings nicht verbrieft. Vielmehr werden tokenbasierte Schuldverschreibungen entweder als Wertpapiere sui generis oder als elektronische Wertpapiere begeben – wesentliches Unterscheidungskriterium ist die Funktion des (Krypto-)Wertpapierregisters. Beim elektronischen Wertpapier hat die Eintragung in das Register konstitutive Wirkung für die Inhaberschaft der Forderung. Bei Wertpapieren sui generis ist die Forderung frei übertragbar. Jede Anleihe wird durch ein ERC-20-kompatibles Security Token herausgegeben, welches die Rechte aus der Schuldverschreibung repräsentiert.

Vor- und Nachteile der Tokenbasierten Schuldverschreibung

Für Start-ups besteht der Hauptvorteil in der Cap Table-Neutralität. Crowd-Investoren werden nur schuldrechtlich am Start-up beteiligt (zur Vermeidung von Prospektpflichten und zerstreuten Gesellschafterkreisen). Das Vertragswerk ist im Gegensatz zur Dokumentation einer klassischen Venture Capital-Finanzierungsrunde recht schlank. Insbesondere entfällt der Garantiekatalog (sowie das korrespondierende Haftungsrisiko). Auch wird keine Due Diligence durchgeführt. Beides verringert die Transaktionskosten. Crowdfunding hat zudem einen Marketingeffekt. Durch Veröffentlichung des Projekts auf den Plattformen können überzeugte Investoren einen Multiplikatoreffekt auslösen. Daher eignet sich diese Finanzierungsform insbesondere für Start-ups mit einem auf Nachhaltigkeit, Gemeinnützigkeit oder Lifestyle geprägten Zweck. Crowdfunding ist meist nicht geeignet, den Finanzierungsbedarf vollständig zu decken (typisches Finanzierungsvolumen: 100.000 bis 3 Mio. EUR). Das Start-up gewinnt bei Finanzierung durch Crowdfunding zudem kein neues Know-how durch Branchenexperten und kann auch nicht vom Netzwerk eines klassischen Venture Capitalisten profitieren. Ferner besteht aufgrund der Nähe zur Öffentlichkeit ein nicht zu vernachlässigendes Shitstorm-Risiko, etwa wenn Verbraucherverbände in der Vertragsdokumentation unzulässige Bestimmungen zulasten der Privatinvestoren identifizieren. Zuletzt sind die hohen Plattform-gebühren und Provisionen zwischen 4% und 12% der Finanzierungssumme zu nennen.

Fazit

Die tokenbasierte Schuldverschreibung kann für bestimmte Start-ups eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Venture Capital-Investment darstellen, dieses aber in aller Regel nicht ersetzen. Bei Bezug zum Verbrauchermarkt besteht zudem ein wertvoller Marketingeffekt. Die rechtlichen Bedingungen der Anleihe sind aber sorgfältig zu prüfen. Ein fehlerhaftes Vertrags-werk kann die weitere Venture Capital-Finanzierung behindern oder ein Naming and Shaming durch Verbraucherschutzverbände auslösen.

Zum Autor:

Dr. Kilian Pfahl ist Senior Associate im Corporate M&A-Team von Hogan Lovells. Er berät neben M&A-Transaktionen insbesondere Start-ups, Gründer und Investoren bei Venture Capital-/Debt-Finanzierungen.