Bildnachweis: Lutz | Abel.
Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz haben am 13. April 2023 gemeinsam den Referentenentwurf für das Zukunftsfinanzierungsgesetz („Ref-E“) vorgelegt. Dieser hat das Ziel, die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts zu erhöhen und insbesondere Start-ups und Grown-ups den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Was hat die Venture Capital-Branche zu erwarten?
Das Fazit vorweg: Die im Ref-E zum Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgesehenen Verbesserungen könnten ein Paukenschlag für die Wagniskapitalbranche sein – wenn sie denn so umgesetzt werden. Und ein wenig Luft nach oben bleibt auch.
Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen
Mitarbeiterbeteiligungen haben seit jeher ein Problem hinsichtlich ihrer Besteuerung: Die am weitesten verbreiteten virtuellen Beteiligungsprogramme unterliegen der Lohnbesteuerung. Programme, mit welchen unmittelbar echte Gesellschaftsanteile ausgegeben werden, lösen bereits im Zuteilungszeitpunkt eine sogenannte Dry Income-Besteuerung aus, weil in diesem Zeitpunkt kein Geld zur Entrichtung der Steuer fließt. Anders als Gründer werden Mitarbeiter erst zu einem späteren Zeitpunkt am Unternehmen beteiligt, sodass die Gewährung von Geschäftsanteilen als zu besteuernder geldwerter Vorteil und bereits die Übertragung der Geschäftsanteile als Zufluss angesehen werden.
Abhilfeversuch 2021
Dieses Problem wird aktuell durch Programme, die lediglich Optionen auf echte oder virtuelle Beteiligungen gewähren, in die Zukunft verlagert. Die nachteilige Lohnbesteuerung wird jedoch nicht gelöst: Denn nur, wenn Mitarbeiter die Gesellschaftsanteile bereits halten, werden diese nach dem günstigeren Gesellschaftsregime besteuert, im Zeitpunkt der Gewährung dagegen – Option hin, Option her – der geldwerte Vorteil als Lohn. Abhilfe sollte mit dem Fondsstandortgesetz vom 3. Juni 2021 durch Einführung des § 19a EstG geschaffen werden: Der geldwerte Vorteil aus der Überlassung von Gesellschaftsanteilen unter Wert muss zwar ebenfalls versteuert werden, aber nicht bereits im Zuflusszeitpunkt. Auf Antrag kann dies nachgeholt werden, und zwar entweder bei Exit, zwölf Jahre nach Zufluss (sogenannter Longstop) oder bei Arbeitgeberwechsel. Die zuvor beschriebene Dry Income-Problematik wurde also ebenfalls nur in die Zukunft verlagert. Die angebotenen Steuererleichterungen wurden in der Praxis jedoch weitgehend ignoriert, insbesondere, weil die Bedingungen als prohibitiv empfunden wurden. Das soll nun mit dem Ref-E verbessert werden.
Longstop-Zeitpunkt verlängert
Der Longstop-Zeitpunkt für die Nachholung der Versteuerung wird mit dem Ref-E nun von zwölf auf 20 Jahre angehoben. Das ist sehr erfreulich, da auch Start-ups mit längeren Entwicklungszyklen eine erhöhte Chance auf einen zwischenzeitlichen Exit haben. Zudem wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, spätestens in der auf den Nachholungszeitpunkt folgenden Lohnsteueranmeldung die Haftung für die Lohnsteuer im Exit-Fall zu übernehmen. Dadurch kann die Nachholung noch einmal aufgeschoben und die Dry Income-Problematik vermieden werden.
Schwellenwerte angehoben
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung war bisher, dass die Schwellenwerte der EU für kleine und mittlere Unternehmen („KMU-Schwellenwerte“) nicht mehr als ein Jahr überschritten waren. Die Anwendung des § 19a EStG soll nach dem Ref-E nun zulässig sein, wenn das Unternehmen das Doppelte dieser KMU-Schwellenwerte (also 500 Mitarbeiter statt bisher 250, 100 Mio. EUR Umsatz statt bisher 50 Mio. EUR, 86 Mio. EUR Bilanzsumme statt bisher 43 Mio. EUR) nicht überschritten oder in den sechs vorangegangenen Kalenderjahren nicht überschritten hat und nicht älter als 20 Jahre ist. Auch diese erhebliche Ausweitung wird den Anforderungen der Start-ups wesentlich besser gerecht. Der Anwendungsbereich des § 19a EStG wird im Ref-E auf Mitarbeiterbeteiligungen auch durch verbundene Unternehmen erweitert, was für alle Start-ups mit Tochtergesellschaften oder Holdingstrukturen erforderlich ist und ein Pooling der Mitarbeiterbeteiligung in einer separaten Gesellschaft ermöglicht.
Abgeltungsteuersatz ermöglicht
Die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes von 25% auf die Lohnbesteuerung wird im Ref-E ermöglicht. Dies resultiert in einer weiteren Steuervergünstigung für alle Mitarbeiter mit einem Durchschnittssteuersatz von über 25%. Außerdem bestünde dadurch das Potenzial, auf die Bewertung der Anteile zum Übertragungszeitpunkt zu verzichten, sofern die Pauschalierung auf die Sozialversicherungsbeiträge ausgeweitet würde. Dies wäre wünschenswert, da es den Verwaltungsaufwand sicher erheblich senken würde.
Der große Durchbruch? Wir werden sehen.
Die Praxis hat sich zwischenzeitlich mit sogenannten Wachstumsgeschäftsanteilen beholfen, welche durch schuldrechtliche Vereinbarungen im Übertragungszeitpunkt entwertet werden und so das Dry Income-Problem ebenfalls vermeiden. Diese schuldrechtlichen Vereinbarungen
werden mittlerweile von den Steuerbehörden soweit ersichtlich durchgängig anerkannt. Kombiniert man diese mit einem herkömmlichen virtuellen Mitarbeiterbeteiligungsmodell, welches auf die aktuelle Bewertung gedeckelt wird, können Mitarbeitern die gleichen Vorteile versprochen werden wie unter einer Mitarbeiterbeteiligung nach § 19a EStG in der Fassung des Ref-E, nur ohne Haftung der Gesellschaft für Steuerverbindlichkeiten der Mitarbeiter.
Steuerfreiheit anders ansetzen
Der Ref-E sieht letztlich eine Steuerfreiheit von jährlich 5.000 EUR (statt bisher 1.440 EUR) erworbenen Gesellschaftsanteilen als Mitarbeiterbeteiligung vor. Dies sieht auf den ersten Blick erheblich großzügiger aus als bisher. In der Gestaltungspraxis ermöglicht dies dennoch keine vorherige Vereinbarung einer fixen, gestaffelten Zuteilung in der Erwartung der Steuerfreiheit, da zuvor nicht absehbar ist, wie sich die Bewertung in den kommenden Jahren entwickelt. Der ganz große Wurf wäre es daher, wenn sich der Gesetzgeber dazu durchringen könnte, den Mitarbeitern von Start-ups in den im Ref-E genannten Größenschwellen den Einstieg in Start-ups so zu ermöglichen wie Gründern – also im Erwerbszeitpunkt nicht nur mit überschaubaren Freibeträgen, sondern insgesamt steuerfrei. Wenngleich dem Staat damit Erträge aus Lohnsteuer entgehen, werden dieselben Erträge im Exit-Zeitpunkt als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert. Neben reduziertem Verwaltungsaufwand würde diese Regelung die Attraktivität der Start-ups in Deutschland für Mitarbeiter steigern und den Vermögensaufbau über Mitarbeiterbeteiligungen erleichtern.
Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds
Für die Venture Capital-Branche sehr bedeutend ist der im Ref-E zum Ausdruck gekommene Vorschlag, die bisher nur für die Verwaltung bestimmter Investmentvermögen geltende Umsatzsteuerbefreiung auf sämtliche alternative Investmentfonds zu erweitern. Dies ist bedeutend, weil bisher unter der Steuerbefreiung von Wagniskapitalfonds nur die durch die sogenannte EuVECA-Verordnung „EuVECA-Fonds“ als sicher befreit galten. Es wurde heftig diskutiert, welche Fonds mit diesen vergleichbar und damit ebenfalls umsatzsteuerbefreit sind. Diese Diskussion würde zum Wohl aller Verwalter alternativer Investmentfonds beendet.
Aktien mit Mehrstimmrecht
Aktuell gilt im deutschen Aktienrecht mit Ausnahme der stimmrechtslosen Vorzugsaktie der Grundsatz „one share, one vote“. Dies ist im Ausland mit zunehmender Tendenz nicht so. Mit dem Ref-E sollen Mehrstimmrechtsaktien bis zum maximal zehnfachen Stimmrecht und bis maximal zehn Jahre nach Börsengang mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit zugelassen werden. Der Vorteil dieser Regelung liegt darin, dass in den genannten Grenzen wirtschaftliche Verwässerungen der Gründer vor und mit dem Börsengang ausgeglichen werden können. Dies kann den Einfluss der Gründer auf das Unternehmen stärken. Ziel der Regelung ist es, Börsengänge deutscher Startups in Deutschland zu fördern. Dieses Ziel wird vermutlich nicht durch diese Maßnahme allein erreicht werden; ein guter erster Schritt ist sie allemal.
Elektronische Aktien – Ein Vorbild für Krypto-GmbH-Geschäftsanteile?
Durch elektronische Namensaktien, die in ein zentrales Register oder in ein Kryptowertpapierregister eingetragen sind, und mittels elektronischer Inhaberaktien, die in ein zentrales Register eingetragen sind, will der Ref-E die Digitalisierung am Kapitalmarkt vorantreiben. Das sind gute Nachrichten. Wünschenswert wäre, diesen Fortschritt auch für GmbHs weiterzudenken. Die Ersetzung der Gesellschafterliste durch ein zentrales elektronisches Gesellschafterregister und Krypto-GmbH-Geschäftsanteile könnten mittelfristig die Beurkundungspflicht bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen ersetzen und für den Start-up-Bereich erdrückende Notarkosten senken.
Zum Autor:
Björn Weidehaas ist Rechtsanwalt und Partner am Münchner Standort der Kanzlei Lutz | Abel. Er berät Family Offices, Fonds, Business Angels und zahlreiche Start-ups ganzheitlich während Finanzierungsphasen sowie Unternehmen während Restrukturierungen und im Insolvenzrecht.