Bildnachweis: Trumpf Ventures.
Corporate Venture Capital (CVC) entwickelt sich immer mehr zur Finanzierungsalternative für Start-ups. Seit vielen Jahren im Markt unterwegs ist Dr. Dieter Kraft von Trumpf Ventures, der einen Blick auf den aktuellen CVC-Markt und dessen Entwicklung wirft.
VC Magazin: Sie sind seit fast 15 Jahren im Bereich Corporate Venture Capital tätig, zuerst als Investment Partner bei Robert Bosch VC, seit 2018 als Managing Director bei Trumpf Ventures. Wie hat sich das Thema Corporate Venturing in den letzten Jahren verändert?
Kraft: Das Thema Corporate Venturing hat in den letzten Jahren mehr und mehr Fahrt aufgenommen. Waren es in der Vergangenheit hauptsächlich größere Konzerne, die die Bestandteile Open Innovation und Kooperationen sowie Investitionen in Start-ups als Bestandteil ihrer Innovationsstrategie aufgegriffen haben, so sind in den letzten Jahren mehr und mehr Mittelständler gefolgt. Selbst kleinere Unternehmen, die im Grunde aus dem R&D Budget hochriskante Venture Capital–Investments nicht eingehen dürften, entscheiden mehr und mehr strategisch, sich diesem Thema anzunähern. Aus meiner Sicht ist das ein klarer Trend zu offener Innovation.
VC Magazin: Der HTGF hat viele neue Investoren aus der Corporate-Szene für seinen kürzlich geschlossenen Fonds gewinnen können. Beobachten Sie noch immer viele neue Player und hohes Interesse im Markt?
Kraft: Wir beobachten, dass sich nach der Pandemie und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das Fundraising für viele Fonds schwieriger gestaltet, aber das Klima ist noch immer gut. Das Interesse ist meines Erachtens auf zwei Hauptaspekte gegründet: das Innovationsbegehren unter Einbeziehung der Start-up-Szene durch die Erkenntnis, dass wir im deutschen, aber auch europäischen Wirtschaftsraum langfristig Innovationen fördern müssen, und die Kapitalerhaltung, oder nennen wir es Inflationsausgleich mit Renditen, die bisher in klassischen Anlageformen kaum erreichbar sind, sondern Risikoanlagen verlangen.
VC Magazin: Auf welchen Technologien und Geschäftsmodellen liegen aktuell Ihre Investitionsschwerpunkte?
Kraft: Unser Schwerpunkt ist glücklicherweise breit angelegt. Technische und Geschäftsmodellinnovationen liegen in den Bereichen Photonik, Digitalisierung mit Themen wie AR/VR, künstliche Intelligenz, Robotik oder weitreichende Prozessautomatisierung, Quantentechnologien und nachhaltiges Wachstum wie Kreislaufwirtschaft und neue Wege der Energiewandlungseffizienz. Bei Geschäftsmodellinnovationen suchen wir vor allem Themen, die sich aus unterschiedlichen Industriezweigen fügen, wie es Trumpf beispielsweise mit „Equipment as a Service“ zeigt. Hier sind Versicherungsmodell- oder Insurtech-Innovationen gepaart mit Industrieinnovationen und führen zu neuen Modellen für beide Spieler. Auch institutionelle Venture-Fonds aus Süddeutschland haben diese Modelle mit Versicherungen und Gebrauchtwagen erfolgreich eingeführt und gezeigt.
VC Magazin: Wie geht es Ihren Portfoliounternehmen in diesen herausfordernden Zeiten?
Kraft: Unsere Portfoliounternehmen sind nach wie vor gut unterwegs, aber sie spüren insbesondere bei der Gewinnung neuer Investoren für Wachstumsfinanzierung mehr Vorsicht, und es ist selbst bei guten Entwicklungen schwierig, diese neuen Investoren zu überzeugen. Derzeit ist die Zeit für uns wie auch die meisten Investoren in unserem Netzwerk herausfordernd; dies wirkt sich auch auf die Portfoliounternehmen aus. Daher sind wir auf gute Investorensyndikate angewiesen, die in der Lage, sind die Portfoliounternehmen gemeinsam zu unterstützen und die Phase der „verhaltenen Vorsicht“ zu überbrücken. Ich bin allerdings fest überzeugt, dass wir im nächsten Jahr sowohl in den Bewertungen als auch dem Appetit nach guten Investments wieder eine Rückkehr zu vernünftigen Marktdaten sehen werden.
VC Magazin: Trumpf feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Seit wann und an welchen Punkten wurde beziehungsweise wird die Zusammenarbeit mit Technologie-Start-ups besonders groß geschrieben?
Kraft: Die Zusammenarbeit mit Start-ups wurde bereits vor Gründung der Venture Capital-Einheit erkannt und führte letztlich zu ständigem Wachstum dieser Innovationsquelle. Mit Gründung der Venture Capital-Einheit wurde der Einblick in neue Geschäftsfelder seit 2016 tiefer und mit der Freigabe des zweiten Fonds, der mehr als doppelt so groß ist wie der erste, nochmals deutlich gestärkt. Einige der Start-ups aus unserem Portfolio arbeiten seit geraumer Zeit mit Trumpf-Geschäftseinheiten zusammen, dennoch haben wir an dieser Stelle noch Potenzial, mehr zu tun. Insgesamt sind wir mit uns selbst an dieser Front noch nicht zufrieden, können aber sicher mehr zeigen als viele anderen Corporate Venture-Einheiten. Während meiner Trumpf-Zeit haben wir jährlich circa 20 bis 25 Start-ups aus unserem Dealflow vorselektiert an die Geschäftseinheiten herangetragen und auch zentrale Einheiten wie Einkauf, IT, Nachhaltigkeit und Facility Management einbeziehen können.
VC Magazin: Krisenzeiten waren im Rückblick immer gute Zeiten für Investments. Dennoch ist die Investitionszurückhaltung in der Wagniskapitalszene gerade groß. Zu Recht?
Kraft: Wie oben bereits geschildert, haben schlechte Zeiten sicher auch gute Seiten, wenn man in der Lage ist, gegenphasig zu investieren und den Rückenwind zu nutzen, der in den folgenden guten Zeiten folgen wird. Aus meiner Sicht tut wie in jeder Branche ein Korrektiv der Bewertungen sicher gut und wird uns nutzen, uns auf die Kapitaleffizienz zu besinnen, was in den letzten Dekaden ein wichtiges Merkmal gerade für Europa war und ist. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass wir die Förderung von innovativen Start-ups nicht direkt an wirtschaftliche Herausforderungen koppeln dürfen, sondern allenfalls unsere eigene Filterfunktionen etwas schärfen müssen und darüber die wirklich guten Unternehmer und ihre Ideen fördern. Das wird uns allen helfen.
VC Magazin: In wirtschaftlich turbulenten Zeiten wurden in der Vergangenheit einige CVC-Einheiten wieder geschlossen, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Befürchten Sie, dass uns dies auch in der aktuellen Krise droht?
Kraft: Das ist eine sehr gute Beobachtung und war in der Vergangenheit vor allem solchen Einheiten zuteilgeworden, die vom Balance Sheet ihre Investments erhielten und sich nicht auf eine fest zugesagte Fondsstruktur verlassen konnten. Viele der heutigen CVCs, die ich selbst auch in ihrer Gründung begleiten durfte, sind so aufgestellt wie auch wir selbst. Sie haben ein sehr ähnliches Setting wie auch institutionelle Venture Capitalisten und haben feste Zusagen ihrer Muttergesellschaften, dass über die Laufzeit das Kapital verfügt werden darf. Das enthebt uns natürlich auch nicht der verantwortungsvollen Aufgabe, das Kapital unternehmerisch sinnvoll einzusetzen.
VC Magazin: Wenn Sie einem Mittelständler, der ins Venture Capital-Geschäft einsteigen möchte, einen guten Rat geben möchten – welcher wäre das?
Kraft: Mein Rat wäre, eine mutige und bewusste Entscheidung zu treffen, einen Teil ihrer R&D-Aufwendungen in offene Innovation zu investieren und sich eventuell im Markt mit erfahrenen Spielern auszutauschen. Ich mache das seit langer Zeit sehr gerne, aber es ist letztlich eine Entscheidung, die Unternehmer selbst treffen müssen. Diese Entscheidung war es auch für mich, von einem großen Spieler, bei dem ich viel Erfahrung sammeln durfte, zu einem, wie ich finde, mutigen, großen Mittelständler zu wechseln.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Dr. Dieter Kraft ist Geschäftsführer von Trumpf Ventures. Die Corporate Venture Capital-Einheit von Trumpf sieht sich sowohl als Investor wie auch als strategischer Partner für Start-ups.