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Mit Tokenize.it können Start-ups auf digitalem Weg Kapital einsammeln und auch weitere Incentives wie Mitarbeiterbeteiligungen realisieren.
VC Magazin: Tokenize.it bietet eine digitale Form der Kapitalbeschaffung an. Welches Grundkonzept steckt dahinter?
Jentzsch: Tokenize.it wurde entwickelt, um ein Problem zu lösen, das ich als Serial Entrepreneur und Business Angel selbst verspürt habe. Bisher hatte ich kein Tool gefunden, das es einer GmbH ermöglicht, rein digital in Form von Tokens Investoren, Mitarbeiter und andere Stakeholder zu beteiligen. Die Idee hinter Tokenize.it ist, den Zugang zum Kapitalmarkt für Start-ups zu vereinfachen und einer breiteren Masse Beteiligungen an GmbHs zu ermöglichen. Schon mit kleinen Ticketgrößen können sich Business Angels/Investoren beteiligen; SPVs werden damit obsolet. Außerdem schafft man für alle Beteiligten ein zweitmarktfähiges Asset. Als GmbH erhält man damit einige der Vorteile einer AG, ohne an die gleichen Anforderungen und Formalien gebunden zu sein.
VC Magazin: Worin liegen die Vorteile für Gründer und Kapitalgeber?
Jentzsch: Die Vorteile für Gründer sind, dass sie mit der Ausgabe der GmbH-Token einen digitalen Fundraising-Prozess haben, der nicht nur schnell und einfach ist, sondern auch extrem kostengünstig. Es wird kein Notar benötigt, und man kann mit sorgfältig geprüften Vertragstemplates arbeiten. Zudem wird dadurch ein kontinuierliches Fundraising ermöglicht. Wir haben in den letzten rund sechs Monaten über 1 Mio. EUR an externem Kapital eingesammelt, indem ich einzelne Investoren per Link zum Investieren eingeladen habe, die dann unabhängig voneinander das Investment abgeschlossen haben. Die Investoren bekommen einen Token; der wiederum bildet ein eigenkapitalähnliches Genussrecht ab und stellt Token-Halter wirtschaftlich gleich mit den Gesellschaftern. Die entscheidenden Vorteile sind Liquidität, Zugänglichkeit, Automatisierung und Effizienz. Der Token verhält sich allerdings ähnlich wie eine Aktie, er ist leicht transferierbar und ist ein Unified Asset, das von allen Stakeholdern genutzt wird. Man muss also nicht mehr zwingend bis zum IPO warten, um seine Beteiligung veräußern zu können. Auf unserer Plattform behält man leicht die Übersicht über alle Investments und kann jederzeit transparent die Cap Table der Unternehmen einsehen.
VC Magazin: Kryptowährungen durchleben immer wieder Aufs und Abs, gleichzeitig sind sie maßgeblich für die Web3-Idee des Besitzen des Internets. Wie wird Web3 den Finanzmarkt weiter verändern?
Jentzsch: Web3 vereinfacht den Finanzmarkt, weil es ein offenes, transparentes und für alle zugängliches System ist. Es werden immer mehr Assets tokenisiert und damit direkt nutzbar in Web3-basierten Anwendungen, zum Beispiel Exchanges, Lending-Protokolle, DAOs oder einfachen Wallets. Es ermöglicht direkte Transaktionen ohne Zwischenhändler, automatisierte Finanzdienstleistungen und eine vertrauenswürdige Aufzeichnung von Transaktionen. Das Web3 wird Schritt für Schritt das neue Backbone der Finanzindustrie.
VC Magazin: Mit den Tokens sollen Startups auch Incentivierungen für ihre Mitarbeiter ermöglichen. Welche Meilensteine haben Sie bisher erreicht? Wie sieht Ihre Roadmap aus?
Jentzsch: Jüngst haben wir die Mitarbeiterbeteiligung in der Betaversion gelauncht. Derzeit sind ausgewählte Unternehmen in der Testphase. In wenigen Wochen wird es für alle zugänglich sein. Das Schöne ist, dass der gleiche Token, der für das Funding zum Einsatz kommt, auch für die Mitarbeiterbeteiligung genutzt werden kann. Das ist eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu VSOP-Programmen. Mit dem Zweitmarkt, den wir im nächsten Jahr aufbauen wollen, wird der zusätzliche Nutzen des Tokens gerade für Mitarbeiter interessant, denn sie haben dann ebenso wie die Investoren die Möglichkeit, ihre Token – je nach Vereinbarung mit dem Unternehmen – zu handeln.
VC Magazin: Welche Rolle werden das Web3 und Tokenisierung Ihrer Meinung nach in fünf bis zehn Jahren spielen?
Jentzsch: Ich gehe davon aus, dass in diesem Zeitraum die Mehrheit der Unternehmens-anteile beziehungsweise Beteiligungen tokenisiert sein wird. Die Blockchain ist damit für GmbHs die Alternative zum Handelsregister. Neben den naheliegenden Vorteilen wie Effizienz und Geschwindigkeit ist für mich der größte Vorteil, dass damit eine programmierfreundliche Umgebung entsteht, die das gesamte Finanzsystem interoperabel werden lässt. Man wird die GmbH-Tokens in vielen verschiedenen Anwendungen wie Handelsplätzen, als Kollateral für Kredite, Gaming et cetera nutzen können.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Christoph Jentzsch ist Mitbegründer und CEO von corpus sowie als Business Angel aktiv. Er war einer der ersten Entwickler der Ethereum-Blockchain. Als Initiator von TheDao sowie durch den erfolgreichen Verkauf seines Unternehmens slock.it (2019) hat er weltweit Bekanntheit erlangt.