Bildnachweis: PwC Deutschland.
Schwächelnde Konjunktur, Inflation, Zinswende und damit verbunden eine starke Zurückhaltung im Investmentsektor – in der Start-up-Branche hat eine neue Zeit begonnen. Entsprechende Ergebnisse liefert der kürzlich veröffentlichte Deutsche Startup Monitor 2023.
Für die Start-up- und Venture Capital-Branche hat in Deutschland eine neue Zeit begonnen: Dieses Bild belegt der Deutsche Startup Monitor (DSM) 2023, den der Start-up-Verband gemeinsam mit PwC Deutschland im September veröffentlicht hat. Der Deutsche Startup Monitor ist mit fast 2.000 Befragten die umfassendste Studie zur Startup-Landschaft in Deutschland. Nach dem Rückgang im Vorjahr trübt sich das Geschäftsklima weiter ein und sinkt um weitere vier Punkte auf 38 (2022: 42). Besonders die positive Bewertung des Ökosystems ist zurückgegangen: Lediglich 58% der Befragten, zehn Prozentpunkte weniger als noch 2022, geben dem Ökosystem gute Noten. Doch durch Krisen eröffnen sich immer auch Chancen – insbesondere für Gründer mit innovativen Ideen: Denn mit neuen Ideen und Lösungen liefern sie Antworten für die größten Herausforderungen unserer Zeit, allem voran die Klimakrise.
Wagniskapitalsektor kühlt sich ab
Im Kontext des angespannten Investitionsklimas zeichnet sich bei den bevorzugten Finanzierungsquellen im Vergleich zum Vorjahr eine Veränderung ab: Venture Capital verliert für viele Gründer an Anziehungskraft. Während 2022 noch 44% zukünftig Wagniskapital einsammeln wollten, sind es aktuell nur noch 35%. Staatliche Fördermittel sind hingegen weiterhin eine zentrale Säule der Finanzierung: Fast jedes zweite Start-up nutzt diesen Finanzierungsweg. Darüber hinaus wurden die Gründer in der aktuellen Auflage des DSM erstmalig zur Investmentbereitschaft im Bereich Venture Capital befragt. Das Stimmungsbild ist negativ: Lediglich 15% gehen von einer Investmentbereitschaft von Business Angels und Venture Capitalisten in ihr Unternehmen aus. Immerhin 38% gehen jedoch davon aus, dass sich die Lage in den kommenden sechs Monaten bessern wird. Auch im Bereich Corporate Venture Capital (CVC) zeigen sich Start-ups im Vergleich zum Vorjahr eher zurückhaltend: Der Anteil der von CVC finanzierten Start-ups bleibt zwar stabil, doch die Gründer bevorzugen diesen Finanzierungsweg mit 39% seltener (gegenüber 49% 2022). Diese Entwicklung ist bedauerlich, denn Corporate Venture Capital bietet für Gründer neben der reinen Finanzierung auch strategische Vorteile. Das belegen auch in diesem Jahr die DSM-Ergebnisse: Insbesondere der Zuwachs an Reputation, der mit einem CVC-Investment einhergeht, wird von den Befragten als positiv bewertet. Der Corporate-Partner hat also eine große symbolische Bedeutung, schafft Vertrauen und hilft damit jungen Unternehmen bei der Positionierung am Markt. Zudem profitiert auch die etablierte Wirtschaft, weil Start-ups als Innovatoren die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Liquidität steht wieder im Fokus
Gleichzeitig zum sich abkühlenden Venture Capital-Sektor gewinnen unter den zentralen Stolpersteinen für die Start-up-Branche die Themen Kapitalbeschaffung (43% gegenüber 39% 2022) und Cashflow/Finanzierung (32% gegenüber 24% 2022) an Relevanz. Die Lage auf dem Personalmarkt entspannt sich gegenüber dem Vorjahr: Nur noch 21% der Befragten sehen diesen als größte Hürde; 2022 waren es noch knapp 35%. Kundengewinnung und Produktentwicklung bleiben die größten Herausforderungen für Start-ups.
Start-ups behaupten sich als zentraler Wirtschaftsfaktor
Trotz aktueller Herausforderungen bleibt die durchschnittliche Mitarbeiterzahl in Start-ups stabil (18,9 gegenüber 18,4 2022). Nur knapp 15% der befragten Start-ups mussten in den vergangenen zwölf Monaten Mitarbeiter entlassen; 56% konnten dagegen sogar Stellen aufbauen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen: In den kommenden zwölf Monaten sollen weiterhin durchschnittlich acht weitere Stellen geschaffen werden (2022: neun). Start-ups bleiben also auch in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation ein relevanter Job- und Wirtschaftsfaktor. Diese guten Nachrichten setzen sich trotz Krise auch bei den Neugründungen fort: Nachdem die Zahl 2022 deutlich zurückgegangen war, sind im ersten Halbjahr 2023 wieder mehr neue Start-ups entstanden. Die Gründer zeigen sich von der schwierigen Situation relativ unbeeindruckt: Neun von zehn geben an, wieder gründen zu wollen – davon 83% in Deutschland.
Frauenanteil unter den Gründern stagniert
Gar nicht erfreulich sind die Ergebnisse zum Thema Diversität: Der Anteil der Gründerinnen deutscher Start-ups stagniert und liegt nach wie vor bei nur 21%. Das ist unverändert deutlich zu wenig. Auch in schwierigen Zeiten muss Parität das Ziel sein, denn die Förderung von Gründerinnen hat zahlreiche positive Effekte. Das zeigt auch der DSM einmal mehr: Mit 44% beschäftigen gemischte Gründungsteams deutlich mehr Frauen als reine Männerteams (29%). Mit Blick auf die Führungsetage der Start-ups wird dieser Diversitätseffekt noch deutlicher: Während in Unternehmen mit rein männlichen Gründungsteams nur 14% der Führungskräfte Frauen sind, liegt dieser Anteil in gemischten Gründungsteams bei 40%. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen sich Gesellschaft und Wirtschaft dafür einsetzen, das komplette Potenzial der Volkswirtschaft freizusetzen, indem Gründerinnen noch gezielter gefördert werden.
Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit prägen das Ökosystem
Künstliche Intelligenz (KI) ist insbesondere durch den Hype, den generative KI-Tools verursacht haben, das Thema der Stunde. So verwundert es kaum, dass es auch vor der Start-up-Branche nicht haltmacht Für 52% der deutschen Start-ups – und damit deutlich mehr als im Vorjahr (45%) – hat KI eine klare Relevanz für ihr Geschäftsmodell. Zudem nutzen 83% bereits Tools wie ChatGPT in ihrem Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Sales und Marketing. Darüber hinaus steht für viele junge Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda ganz weit oben. Ob erneuerbare Energieversorgung, neue Formen der Mobilität oder die Reduktion von Plastik: Start-ups liefern wertvolle Lösungs-ansätze im Kampf gegen die Klimakrise. Die Zahlen des DSM belegen diesen Aufwärtstrend: Seit 2018 ist der Anteil der Start-ups, die sich zur Green Economy zählen, um 42% gestiegen – fast jedes zweite Unternehmen (47%) ordnet sich diesem Bereich inzwischen zu, und unter den Unicorns befinden sich immer mehr Climatetechs.
Fazit
Die Start-up-Branche steht vor einem Umbruch. Der gewöhnt klare Trend nach oben ist gebrochen. Wachstums- und Renditeerwartungen werden neu verhandelt und viele Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Gleichzeitig ist Krisenzeit immer auch Start-up Zeit – denn die mit neuen Technologien verbundenen Chancen werden von Start-ups besonders schnell erkannt und umgesetzt.
Zum Autor:
Florian Nöll ist Partner bei PwC Deutschland und EMEA Start-ups, Scale-ups & Venturing Leader. Er ist Experte für Startups, Corporate Innovation und Brückenbauer zwischen Technologiegründungen und etablierten Unternehmen.