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Der Gesetzgeber hat zunächst mit dem Fondsstandortgesetz durch Einführung des § 19a EStG und sodann mit dem weiteren Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes die Mitarbeiter-kapitalbeteiligung in KMU zu stärken gesucht, indem die Dry Income-Besteuerung der verbilligt gewährten Beteiligung vermieden werden soll. Anders als bei der Beteiligung einer ausgesuchten Anzahl von Führungskräften stehen aber bei der Beteiligung einer größeren Anzahl von Mitarbeitern nicht deren Mitbestimmungsrechte im Vordergrund, sondern es geht vor allem um den wirtschaftlichen Anreiz. Auch soll der Gesellschafterkreis möglichst nicht durch die Beteiligung von Mini-gesellschaftern vergrößert werden; ihre mittelbare Beteiligung über eine Mitarbeiter-personengesellschaft vermeidet das, führt aber zu zusätzlicher Komplexität.
§19a EStG erfasst nicht nur Geschäftsanteile oder Aktien, sondern allgemein zusätzlich zum Arbeits-lohn gewährte Vermögensbeteiligungen, darunter Genussscheine oder Genussrechte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 litt. f und l des 5. VermBG, sofern sie mit einem Recht am Gewinn des Unternehmens verbunden sind und der Arbeitnehmer nicht als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Eine Mitunternehmerschaft scheidet aus, wenn dem Arbeitnehmer keine Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte, vergleichbar einem Kommanditisten, zustehen, da es dann an der erforderlichen Mitunternehmerinitiative fehlt. Nicht unter §19a EStG fällt hingegen das derzeit gängige Mitarbeiterbeteiligungskonstrukt der virtuellen Beteiligung in Form von Phantom Shares, das bekanntlich mit der nachteiligen vollen Lohn- beziehungsweise Einkommens-besteuerung im Zeitpunkt des Zuflusses verbunden ist.
Freie Gestaltbarkeit von Genussrechten
Genussrechtsbedingungen können, da es kein gesetzliches Leitbild für Genussrechte gibt, individuell ausgestaltet werden. Daher können gleiche Rechte auf Teilhabe am Gewinn oder an einem Veräußerungs- beziehungsweise Liquidationserlös entsprechend den üblichen Phantom Stock-Programmen eingeräumt werden. Rechte, die aus der mitgliedschaftlichen Stellung eines Gesellschafters folgen, wie etwa das Stimmrecht, stehen hingegen dem Genussrechtsinhaber nicht zu. Da allerdings durch die Ausgabe von Genussrechten beziehungsweise von Genussscheinen (also die Ausgabe von als Wertpapiere verbrieften Genussrechten) in die Vermögensrechte der übrigen Gesellschafter eingegriffen wird, bedarf es für ihre Ausgabe eines Gesellschafterbeschlusses mit satzungsändernder Mehrheit analog § 221 Abs. 1 AktG, wenn nicht, ähnlich wie bei der virtuellen Beteiligung, der Rahmen für die Ausgabe der Genussrechte in einer Gesellschaftervereinbarung gesetzt wird.
Gestaltung der Vesting- beziehungsweise Leaverregelungen
Auch die für die Mitarbeiterbeteiligung üblichen Vesting- beziehungsweise Leaver-Regelungen können in den Genussrechtsbedingungen abgebildet werden. Kritisch ist hier vor allem der Bad Leaver-Fall, in dem die Abfindung des Mitarbeiters üblicherweise nach dem Buchwert bemessen wird: Denn hier bleibt der Mitarbeiter grundsätzlich dem Risiko der Versteuerung des höheren geldwerten Vorteils bei Einräumung der Beteiligung ausgesetzt. Nach der durch das ZuFinGE vorgesehenen Ergänzung von § 19a Abs. 4 Satz 4, Halbsatz 2 EStG soll aber bei Rückerwerb der Beteiligung durch die Gesellschaft die gezahlte Vergütung an die Stelle des gemeinen Werts der Vermögensbeteiligung treten. Häufig wird allerdings der Rückerwerb von Geschäftsanteilen beziehungsweise Aktien durch die Gesellschaft vor allem bei Start-ups am Fehlen des hierfür erforderlichen freien Vermögens scheitern. Anders bei Genussrechten: Denn da diese nur schuldrechtliche Ansprüche verkörpern, erlöschen sie durch Rückübertragung auf die Gesellschaft und käme diese steuerrechtliche Neuregelung für sie ohne Weiteres zur Anwendung.
Handelsbilanzielle und steuerliche Behandlung als Eigenkapital im Start-up
Der Nennwert der ausgegebenen Genussrechte stellt den Eigenkapitalbeitrag der Mitarbeiter dar, der auch handelsbilanziell als Eigenkapital eingestuft wird (hierzu IDW HFA 1/1994): Denn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, Verlustteilnahme, längerfristige Kapitalüberlassung und Nachrang gegenüber anderen Gläubigern) werden erfüllt. Mitwirkungsrechte, wie sie üblicherweise mit einer Gesellschaft-erstellung verbunden sind, sind für die handelsbilanzielle Behandlung als Eigenkapital nicht erforderlich. Für die steuerbilanzielle Behandlung gilt grundsätzlich das Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz, welche das BMF mit dem Schreiben vom 11. April 2023 (IV C S 2133/19/10004:002) konkretisiert hat. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mindern Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, deren Einkommen nicht.
Vorteil der Kapitalertragsbesteuerung beim Mitarbeiter
Die sich im Fall eines Exits realisierende weitere Wertsteigerung der Genussrechte nach Ausgabe an den Mitarbeiter unterliegt bei eigenkapitalähnlicher Ausgestaltung der Genussrechte nur der Kapitalertragsbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 25%. Da die ursprünglich im ZuFinG-E vorgesehene Möglichkeit der Pauschalbesteuerung mit 25% im Kabinettsentwurf gestrichen wurde, ist dies von besonderer Bedeutung. Würde der Mitarbeiter die Genussrechte über eine von ihm kontrollierte Kapitalgesellschaft, etwa eine UG (haftungsbeschränkt), erwerben, unterlägen sogar nur die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben in Höhe von 5% der Besteuerung § 8b Abs. 2 KStG.
Möglichkeit der Verbriefung und digitalen Ausgabe
Werden Genussrechte in Genussscheinen verbrieft, ist auch eine standardisierte und digitale Ausgabe in Form von Token möglich, für die gegebenenfalls auch ein Zweitmarkt geschaffen werden kann. Eine Prospektpflicht für die Ausgabe von Genussscheinen besteht nicht, da es bei der selektiven Ausgabe an Mitarbeiter bereits an einer öffentlichen Ausgabe solcher Rechte fehlt. Ebenso sind Vermögensanlagen wie nicht verbriefte Genussrechte, die nur einem begrenzten Personenkreis oder nur den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber angeboten werden, von der Pflicht der Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts oder der Erstellung eines Vermögensanlagen-Informationsblattes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 VermAnlG ausgenommen.
Fazit
Im Unterschied zu den herkömmlichen Gestaltungsformen der Mitarbeiterbeteiligungen
(Geschäftsanteile oder virtuelle Anteile) werden eigenkapitalähnlich ausgestaltete Genussrechte allen Zielen einer möglichst formal einfachen, rein vermögensrechtlichen und steuerlich privilegierten Mitarbeiterbeteiligung gerecht:
- Die Beteiligung von Kleingesellschaftern oder auch das Erfordernis einer zusätzlichen Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft werden vermieden. Der administrative Aufwand, insbesondere bei digitalisierter Ausgabe, wird gering gehalten; ein notarielles Formerfordernis besteht nicht.
- Genussrechte sind flexibel ausgestaltbar und können daher gleiche Rechte wie virtuelle Beteiligungen vorsehen.
- Der mit der verbilligten Ausgabe der Genussrechte verbundene geldwerte Vorteil ist klar bestimmbar. In einem Leaver-Fall wird bei Rückübertragung der Genussrechte auf die Gesellschaft und damit bei deren Erlöschen nur der jeweilige Zufluss besteuert, sofern das ZuFinG in der derzeitigen Entwurfsfassung in Kraft tritt.
- Überdies besteht für Genussrechte die Möglichkeit einer Verbriefung in Genussscheinen, und dies auch in digitaler Form. § 19a EStG gilt auch für die Genussrechte und Genussscheine, die die Voraussetzungen einer Vermögensbeteiligung erfüllen.
- Die Wertsteigerung bei Realisierung der in den Genussrechten verkörperten vermögensrechtlichen Ansprüche unterliegt nur der Kapitalertragsbesteuerung in Höhe von 25% des Kapitalertrags, wenn nicht sogar § 8b KStG zur Anwendung gelangt.
Über den Autor:
Dr. Wolfgang Weitnauer ist Gründer und Partner von Weitnauer Rechtsanwälte Steuerberater. Die Sozietät hat Büros in München, Mannheim, Berlin und Hamburg.