Bildnachweis: PwC, TH Nürnberg.
Der deutsche Wagniskapitalmarkt verlor 2023 an Widerstandskraft: Kleinere und weniger Transaktionen – erste Insolvenzen resultieren. Gleichwohl bleibt der Trend zu B2B-Geschäftsmodellen ungebrochen: Thematisch stehen Deeptech-Lösungen und Impact Investments im Fokus. Entsprechende Ergebnisse und Daten liefert die aktuelle Venture Capital Marktstudie 2023 von Prof. Dr. Dirk Honold (Technische Hochschule Nürnberg) und PwC Deutschland.
Das Klima im deutschen Markt für Venture Capital trübt sich weiter ein und reagiert damit auf geopolitische Unsicherheiten. Das Ergebnis zeigt sich deutlich anhand aktueller Marktzahlen: Im Jahr 2023 ist die Zahl der Transaktionen über alle Stages hinweg um rund 40% im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Gleichzeitig verkleinern sich die Ticketgrößen: Das Volumen der Deals sank im vergangenen Jahr um durchschnittlich 54% im Vergleich zu 2022. Ein besonders schwaches Jahr hat der Bereich Series D+ hinter sich – der Markt ist mit 13 Deals nahezu ausgetrocknet (2022: 60 Deals). Große Finanzierungsrunden in späteren Phasen fanden 2023 kaum noch statt, was sich bei Scale-ups sofort bemerkbar machte und zu einem grundsätzlichen Strategiewechsel führt: weg von kostenintensivem Umsatzwachstum und hin zu Profitabilitätszielen bei geringerem Wachstum. Start-ups, denen dieser Wechsel 2024 nicht gelingt, werden es schwer haben.
Kapitalgeber reduzieren ihre Renditeerwartungen
Darüber hinaus senken die meisten Investoren die Erwartungen an ihr Portfolio signifikant. Die erwartete Internal Rate of Return (IRR) ist insgesamt deutlich niedriger als 2022. Für Early Stage-Investitionen sinkt die durchschnittliche IRR von 36% auf 31% und für Wachstumsfinanzierungen (Growth Stage) von 32% auf 25%. Die einzige Ausnahme bilden Late Stage-Investments: Hier steigt die IRR von 24% auf 28%. Gleichzeitig bleiben die erwarteten Multiples der Investoren stabil. Zwei Folgen der aktuellen Schwächephase sind längere Halteperioden sowie eine Zunahme von Brückenfinanzierungen seit Anfang 2022. 97,4% der Befragten nennen Convertibles als Instrument für Brückenfinanzierungen und damit deutlich mehr als Eigenkapital (63,2%). Das passt auch zu den geringeren Finanzierungsvolumina 2023. Aufgrund des schwächeren Umfelds für IPOs und Exits legen Investoren größeren Wert auf kapitaleffiziente (76%), nachhaltige und dauerhafte Geschäftsmodelle. Die Bereiche Software Development/SaaS sind weiterhin wichtig für etwa drei Viertel der befragten Investoren. Die zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten sowie der Kampf gegen die Klimakrise machen außerdem Start-ups attraktiver, die in der Klimatechnologie, der Mobilität und Logistik oder der Bio- und Medizintechnologie aktiv sind. Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen auch Impact Investments – vor allem mit Schwerpunkt auf Dekarbonisierung.
Entscheidend für die Value Creation: Die richtige Dealselektion
Ungebrochen bleibt der Trend zu B2B-Geschäftsmodellen: Etwa 80% der Befragten leiten mehr als 70% ihrer Investitionen in B2B-Geschäftsmodelle; das ist deutlich mehr als im Vorjahr (61,4%). Diese Entwicklung wird auch durch Deeptech-Start-ups getrieben und führt dazu, dass die Deal-Selektion für den Erfolg von Investoren an Bedeutung gewinnt. Mit einem Anstieg von fast 28 Prozentpunkten auf 82% ist die Auswahl der Start-ups in der Frühphase am wichtigsten für die Wertschöpfung der Investoren.
Neue Möglichkeiten für Investoren
Zudem zeigt die aktuelle Venture Capital Marktstudie: Die Legal Terms sind immer weniger gründerfreundlich. So verhandeln Investoren derzeit intensiver über die Bedingungen der Transaktionen. Insbesondere bei den Kernparametern Zielbesitz, Investitionshöhe und Bewertung wird von Gründenden Flexibilität gefordert. Zudem werden in allen Stages mehr nichtanrechenbare Liquidationspräferenzen als im Vorjahr eingesetzt. Hier eröffnen sich für Investoren trotz der aktuell eingetrübten Marktlage gute Möglichkeiten, antizyklisch zu investieren, um sich Zugang zu Innovationen, aber auch zu künftigen Renditechancen zu sichern.
Erholung frühestens im zweiten Halbjahr 2024 erwartet
In der Gesamtbetrachtung deuten die mehrheitlich rückläufigen Indikatoren auf eine nachlassende Widerstandskraft und sich ändernde Metriken des Wagniskapitalmarkts hin. Wagniskapitalgeber halten zwar unverändert an ihren Portfoliofirmen fest, passen sich jedoch an das veränderte Umfeld an. Insbesondere Start-ups, die bisher keine Investoren an Bord haben, sollten sich robust aufstellen, um die schwache Marktlage zu überbrücken. Mit steigenden IPO-Zahlen und einer damit einhergehenden Markterholung rechnen die befragten Investoren frühestens für die zweite Jahreshälfte 2024. Sobald wieder größere Exits in Form von erfolgreichen IPOs stattfinden, werden sich diese auch positiv auf die Finanzierungslage der Start-ups auswirken. Offen ist aktuell jedoch, wann sich dieses Fenster wieder öffnen wird.
Für die Studie haben Prof. Dr. Dirk Honold (Technische Hochschule Nürnberg) und PwC Deutschland deutsche und ausländische Investoren in Start-ups befragt, deren Investitionsstrategien auf den deutschen Markt ausgerichtet sind oder die Deals in Deutschland abgeschlossen haben. Die Marktdaten für 2023 basieren auf Daten bis Ende September und Prognosen für das vierte Quartal.
Über die Autoren:
Prof. Dr. Dirk Honold ist seit über 25 Jahren als CFO für und als Serial Entrepreneur von Start-ups tätig und sitzt in diversen Aufsichtsräten sowie Beiräten.
Enrico Reiche ist Partner bei PwC Deutschland und derzeit Leiter des Venture Deals-Teams sowie Leiter des Raise-Programms und Mitglied des Kernteams des CVC Center of Excellence von PwC.
Gerhard Wacker ist Partner bei PwC Legal im Bereich Corporate/M&A mit Schwerpunkt auf der rechtlichen Beratung von Venture Capital-Transaktionen. Er leitet die Corporate/M&A-Teams in Berlin und Nürnberg und ist Lead der Legal Deals-Praxisgruppe von PwC Legal Deutschland.