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Der Gründerstandort Deutschland braucht Verständnis von politischer Seite. Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck holt sich Input in seinem „Start-up Circle“, aber auch bei Gründern im In- und Ausland.
VC Magazin: Wo sehen Sie den Gründerstandort Deutschland im europäischen Vergleich?
Habeck: In Deutschland gibt es mittlerweile wieder mehr Start-up-Gründungen. Letztes Jahr ging die Anzahl der Gründungen etwas zurück, um etwa 5%. Jetzt hat sich der Trend wieder umgekehrt: Gegenüber dem letzten Quartal 2023 sind die Neugründungen deutlich gestiegen, laut Startup-Verband und startupdetector im ersten Quartal 2024 um 17%. Insofern zeigt sich – trotz aller Unkenrufe, möchte man sagen –, Deutschland behauptet sich als gutes Umfeld für Start-ups. Auch im europäischen Vergleich haben sich deutsche Start-ups solide entwickelt. Eine weitere positive Entwicklung also in einer sich insgesamt allmählich verbessernden Wirtschaftslage. Besser werden müssen wir bei der Akquise von Risikokapital. Hier liegt Deutschland hinter Großbritannien und Frankreich. Beide Länder verfügen über starke Start-up-Ökosysteme. Deshalb haben wir als Bundesregierung mittlerweile gegengesteuert: Der neue Zukunftsfonds über 10 Mrd. EUR zum Beispiel bietet mit seinen unterschiedlichen Modulen vielseitige Möglichkeiten für Risikokapitalfinanzierungen. Er gibt innovativen Gründungen einen Schub und stärkt den Gründungsstandort Deutschland insgesamt. Das zeigt nun auch erste Wirkungen, wie uns die neuen Gründerzahlen zeigen.
VC Magazin: Sie waren im März in den USA, haben sich in New York mit deutschen Gründern getroffen. Was haben Sie aus den Gesprächen mitgenommen?
Habeck: Vor allem, wie wichtig der Zugang für unsere jungen Start-up-Gründer zu den Investitionsmöglichkeiten des Venture Capital-Markts in den USA ist. Wir brauchen auch in Deutschland einen erleichterten Zufluss von Kapital in den Bereich der Wagniskapitalfinanzierung. Darüber hinaus hat mich bei meinen Gesprächen mit den Gründern und ihren Mentoren beeindruckt, wie groß in den USA die Bereitschaft ist, als erfahrener Gründer, als Mentor aus der Industrie oder als Programm-Alumni sein Wissen und seine Netzwerke an neue Gründergenerationen weiterzugeben. Letztlich ist das auch das Erfolgsgeheimnis des German Accelerators: Wir haben weltweit ein Netzwerk von über 1.000 hochkarätigen Mentoren aus der Privatwirtschaft, die unseren Start-ups beim Skalieren helfen.
VC Magazin: Sie fordern in Ihren Reden immer wieder eine starke deutsche Gründerszene. Wie muss diese in Ihren Augen aussehen?
Habeck: Ein attraktives Umfeld für Startups – mit einer starken Gründerszene – ist essenziell, damit Deutschland innovativ und wettbewerbsfähig bleibt. Eine starke Gründerszene zeichnet sich durch eine hohe und wachsende Zahl von Start-up-Gründerinnen und Gründern aus. Dafür brauchen sie gute Wachstumsperspektiven und nicht zuletzt auch die Aussicht auf einen Exit, idealerweise in Deutschland. Mit der Start-up-Strategie der Bundesregierung stärken wir das Start-up-Ökosystem, insbesondere in wichtigen Bereichen wie der Finanzierung. Wichtig ist auch ein gutes Netzwerk, das jungen Unternehmen dabei hilft, in einer Branche Fuß zu fassen und zu wachsen; insbesondere, indem es die Suche nach geeigneten Partnern aus der etablierten Wirtschaft erleichtert, Finanzierungen erschließt und Expertise von erfahrenen Gründern bietet. Mit der Digital Hub Initiative hat das BMWK in dieser Hinsicht ein wertvolles Netzwerk mit über 6.000 Start-ups und über 2.000 Partnern geschaffen, das im Laufe des Jahres noch weiter wachsen wird.
VC Magazin: Sie haben kürzlich auf dem EXIST-Kongress die 15 Gewinner der Konzeptphase des Leuchtturmwettbewerbs Startup Factories ausgezeichnet. Die finale Auswahl der circa fünf bis zehn Leuchttürme erfolgt dann im Jahr 2025. Welche Erwartungen verbinden Sie mit dieser Initiative?
Habeck: Ich verbinde mit dem Wettbewerb nichts anderes als die Erwartung, dass diese neuen Startup Factories in den nächsten Jahrzehnten die Silhouette der deutschen Start-up-Landschaft neu gestalten – und das nachhaltig. Wenn es uns gelingt, Wissenschaft, Wirtschaft und das dazugehörige Umfeld so zu vernetzen, dass funktionierende Geschäftsmodelle entstehen, die mit privatwirtschaftlichen Anreizen arbeiten, dann können wir mit den großen internationalen Hotspots mithalten. Und im Erfolgsfalle kreieren wir ein neues deutsches Wirtschaftswunder 2.0. Die erfolgreiche Arbeit, die wir mit dem EXIST-Programm für Existenzgründungen aus der Wissenschaft in den letzten 25 Jahren geleistet haben, wird also auf ein gänzlich neues Level gehoben.
VC Magazin: Finanzminister Lindner möchte das erst im Januar in Kraft getretene Zukunftsfinanzierungsgesetz bereits wieder anpacken, plant steuerrechtliche und regulatorische Verbesserungen in puncto Bürokratieabbau und mehr Kapital von Versicherungen in die Fonds. Wie stehen Sie dazu? Welche Maßnahmen sind in Ihren Augen sinnvoll und zeitnah realisierbar?
Habeck: Junge, innovative Unternehmen brauchen bessere Finanzierungsbedingungen. Daher lassen wir gerade Vorschläge für bessere strukturelle, wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen für Wachstumsfinanzierungen erarbeiten. Wir müssen hier endlich vorankommen; das Thema wurde viel zu lange vernachlässigt. Am Ende brauchen wir einen stärkeren Venture Capital-Markt. Da die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, wäre es verfrüht, bereits jetzt konkrete Maßnahmen herauszugreifen.
VC Magazin: Was wünschen Sie dem deutschen Venture Capital-Ökosystem und der hiesigen Gründerszene?
Habeck: Wir befinden uns mitten in einer umfangreichen Modernisierung, einer Erneuerungsphase unserer Wirtschaft und Infrastruktur – es wird digitaler, klimafreundlicher, nachhaltiger. Gründerinnen und Gründer von Start-ups bringen hier viele Ideen und Technologien ein – das hilft diesem enorm herausfordernden Um- und Neubau-Prozess. Ich wünsche mir, dass die Gründerszene mit diesem Spirit weitermacht – er steht sinnbildlich für Verbesserung, Erneuerung. Das Venture Capital- und Start-up-Ökosystem Deutschlands hat die Fähigkeiten und das Potenzial, ganz oben mitzumischen. Dafür wünsche ich mir noch mehr privates Engagement – mehr Offenheit, diese Ideen zu unterstützen. In den USA oder anderen Ländern sind die großen Konzerne, die institutionellen Investoren unglaublich aktiv auf dem Wagniskapitalmarkt. Das wünsche ich mir auch für Deutschland. Die großen heimischen Investoren tragen hier auch eine Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine zukünftige Entwicklung. Wenn junge Unternehmen international mitspielen sollen, dann brauchen sie auch heimisches (Risiko-)Kapital. Und solche erfolgreichen neuen Unternehmen brauchen wir alle in Deutschland – auch die großen Investoren –, um unsere Wirtschaft innovativ und wettbewerbsfähig zu halten. Das ist wichtig für Deutschland und für Europa insgesamt. Der deutschen Gründerszene wünsche ich den Mut und die Risikobereitschaft, gerade hier anzusetzen und Unternehmen zu gründen, Ideen zu entwickeln, die unsere Wirtschaft erneuern, Deutschland voranbringen und nicht nur alte Ideen recyceln.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Dr. Robert Habeck ist Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.