Bildnachweis: MP Corporate Finance.
Was den M&A-Markt im Industriesektor in der zweiten Jahreshälfte erwartet und welche Rolle Private Equity dabei spielt, berichtet Roman Göd von MP Corporate Finance in einem Marktüberblick.
VC Magazin: Herr Göd, wie bewerten Sie die aktuelle Stimmung im M&A-Markt?
Göd: Die Anzahl der Deals steigt wieder an; besonders im Small- und Mid Cap-Bereich sehen wir viele Projekte in der Pipeline. Das erste Quartal hingegen war überwiegend ruhig. Im Small Cap-Segment gibt es zwar traditionell viel Aktivität, aber im Large Cap-Bereich herrscht noch etwas zurückhaltendere Stimmung. Viele Private Equity-Fonds sind aber zunehmend offen für neue Deals und denken vermehrt über Exits nach, aktuell häufiger auf bilateralem Weg. Viele Fonds haben abgewartet, wie sich die Prognosen für dieses Jahr entwickeln, und sehen nun wieder Chancen, ihre Strategien umzusetzen. Die Talsohle scheint erreicht zu sein.
VC Magazin: Und wie sieht das Preisniveau aus?
Göd: Die Bewertungen haben sich im Vergleich zu vor zwei Jahren angepasst. Der Bewertungsdurchschnitt ist eben gesunken, aber selten gewordene Top-Performer erzielen weiterhin noch hohe Multiples, weil sich darum sowohl Private Equity-Investoren als auch
Strategen bemühen. Private Equity-Fonds haben zudem viel Dry Powder und sind bereit,
für Top-Player zu bezahlen. Das treibt den Wettbewerb an. Wir sehen zudem, dass Unternehmer im gehobenen Mittelstand die Krisen der letzten drei Jahre zum Anlass nehmen und sich öffnen. Sie denken über strategische Allianzen nach und führen Gespräche über mögliche Verkäufe.
VC Magazin: Gibt es bestimmte Branchen, die bei Käufern aktuell besonders beliebt sind oder die sich schwertun?
Göd: Im Bereich Aerospace Defence herrscht rege Dynamik, bedingt durch die aktuellen
Entwicklungen. Zwar haben einige nach wie vor Restriktionen in ihren Statuten, aber es öffnen sich immer mehr Fonds und auch Family Offices gegenüber diesem Sektor. Außerdem
im Fokus liegen die Themen KI, Nachhaltigkeit und Greentech rund um Recycling, ebenso
wie die Halbleiter- und Healthcare-Industrie. Zusammenfassend ist das Interesse vor allem
gegenüber weniger zyklischen Branchen groß. Schwieriger hingegen ist es im Bau- und Automotive-Sektor – allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, wie E-Mobility und autonomes
Fahren. Hier muss man aber auch nach Regionen differenzieren: Deutschland beispielsweise
ist stark abhängig von der Automobilindustrie, was den M&A-Markt konservativer erscheinen lässt. Norditalien und die Nordics zeigen hingegen positive Entwicklungen in Sachen Railway, aber ebenso in Bereichen wie Konsumgüter, Recycling und Medtech.
VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Dealtreiber in der Industrie?
Göd: Wesentliche Treiber sind Konsolidierungen und die Refokussierung von Konglomeraten.
Daraus resultiert eine Vielzahl an Carve-outs, die durch eine strategische Neuausrichtung von Unternehmen getrieben werden und die wir durch unsere langjährige Branchenexpertise rasch umsetzen können. Ein weiterer Dealtreiber ist die Internationalisierung, die sich von Asien eher in Richtung Nordamerika verlagert. Viele Industrien siedeln sich dort an, nach dem Motto „Local for Local“. Unternehmen benötigen vor Ort nicht nur Vertrieb, sondern auch Local Content von Entwicklung und Design bis hin zur Fertigung.
VC Magazin: Sie sind international aktiv als M&A-Berater. Wie erleben Sie den internationalen M&A-Markt derzeit? Welche Unterschiede zu Deutschland sehen Sie?
Göd: Die M&A-Aussichten außerhalb des deutschsprachigen Raums, mit Ausnahme der
Schweiz, sind durchaus positiver. Deutsche Industrieunternehmen suchen Transaktionsmöglichkeiten in den USA, um das Wachstum zu stemmen. Aber für eigene breit angelegte Exit-Prozesse ist die Stimmung weiterhin zurückhaltend. Im Automotive-Segment sehen wir beispielsweise immer wieder Berührungspunkte mit chinesischen Unternehmen,
die versuchen, in Europa Fuß zu fassen, zum Beispiel als Service- und Infrastrukturpartner
für die im Anrollen befindlichen asiatischen OEMs. Die Prozesse dauern hier zwar etwas
länger, aber es besteht Interesse. Mit Blick auf das internationale Umfeld ist Großbritannien
ebenfalls spannend, da es dort auch ausreichend Aerospace- und Defence-Unternehmen
gibt und Amerikaner wie auch Europäer derzeit als Zulieferer auf diesen Markt schauen.
Ebenso im Bereich Medtech, insbesondere für Medizinprodukte, ist Großbritannien aktuell ein spannender Markt.
VC Magazin: Sie haben Ihr Expertenteam im ersten Halbjahr erweitert. Welche Erwartungen haben Sie für die zweite Jahreshälfte und das kommende Jahr?
Göd: Wir erwarten ab dem zweiten Halbjahr 2024 eine starke Zunahme der M&A-Aktivität. Viele Prozesse sind in Vorbereitung – ob sie jedoch allesamt bis Jahresende abgeschlossen
werden, bleibt abzuwarten. Käufer schauen wesentlich intensiver die VDD-Räume, die Businesspläne und Forecasts an. Private Equity-Fonds sind unter Zugzwang, Exits zu machen. Zudem ist viel Dry Powder im Markt. Beide Faktoren erhöhen die Dynamik. Aufgrund der Marktlage sind Private Equity-Fonds gezwungen, kreativer und strategischer zu denken. Bilaterale Gespräche werden häufiger und die strategische Positionierung und Ausrichtung gewinnt an Bedeutung. Insgesamt wird der Markt dynamischer und spannender.
VC Magazin: Welche Rolle spielt die Unternehmensfinanzierung aktuell im M&A-Markt?
Göd: Die Zinslandschaft bleibt ein entscheidender Faktor. Man hat sicher erwartet, dass die Zinsen schneller sinken und sich die Lage eher entspannt. Trotz der aktuellen Inflationsrate und der damit verbundenen Zinserhöhungen in der Vergangenheit erwarten wir mittelfristig eine Anpassung nach unten, was Transaktionen erleichtern wird. Private Equity-Fonds sind mehr gefordert, organische und anorganische Wachstumsstrategien zu verfolgen, um nachhaltig Wert zu schaffen. Dies könnte in weiterer Folge zu einer Verlängerung der Haltedauer führen, denn die Integration mehrerer Add-ons ist in drei Jahren Beteiligungsphase nicht zu stemmen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Interviewpartner:
Roman Göd ist Gründungs- und Managing Partner bei der auf den europäischen Industriesektor spezialisierten M&A-Beratung MP Corporate Finance und besitzt mehr als 20 Jahre Transaktionserfahrung in den Bereichen Industrial Field Electronics, Tech und Internet of Things. MP Corporate Finance wurde vor mehr als 25 Jahren gegründet und ist europaweiter Marktführer im Bereich Industrial M&A.