Bildnachweis: Auctus/BVK, KfW, VR Equitypartner, BayBG.
Die Rekordjahre der deutschen Beteiligungsgesellschaften sind erst einmal vorbei. Multiple Krisen, ungünstige Rahmenbedingungen und immer mehr Mittelständler mit Problemen drücken auf das Geschäft. Dennoch blickt die Branche verhalten optimistisch in die Zukunft.
Mitten im Sommerloch versetzten die Börsen Anfang August weltweit die Anleger in Schrecken. Die Talfahrt fast aller maßgeblichen Indizes und einer großen Zahl von Einzelwerten vor allem im Tech-Bereich hatte wohl mehrere Gründe. Der wichtigste aber war die Sorge vor einer globalen Abkühlung der Konjunktur. In Deutschland ist diese Abkühlung schon seit einiger Zeit erlebbar. Das Bruttoinlandsprodukt ging im zweiten Quartal um 0,1% zurück, nachdem es in den Vorquartalen jeweils um die Nulllinie ausgekommen war. Viele Konjunkturdaten kennen seit Monaten nur noch eine Richtung: nach unten. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung hat auch das Geschäft der Beteiligungsgesellschaften hierzulande beeinträchtigt. Einerseits erleben sie, dass viele ihrer mittelständischen Portfoliounternehmen zu kämpfen haben, andererseits können sie selbst bei neuen Targets oft nur schwer einschätzen, wie sie sich entwickeln werden. Aber konjunkturelle Sorgen sind nicht der einzige Grund für die Zurückhaltung, die sich im Private Equity-Bereich manifestiert. Als Exportnation drückt der zunehmende Protektionismus aufs Geschäft. Außerdem leiden vor allem Industrieunternehmen noch immer unter Lieferkettenproblemen, Materialengpässen und hohen Energiekosten. Und schließlich sind die Kapitalkosten angesichts des weiterhin hohen Zinsniveaus noch immer erheblich.
Gedrückte Stimmung im Private Equity-Markt
All dies hat dazu geführt, dass die Stimmung im deutschen Private Equity-Markt im zweiten Quartal 2024 eingebrochen ist. Der Geschäftsklimaindikator im von der KfW veröffentlichten „German Private Equity Barometer“ verlor im zweiten Quartal 20,6 Zähler auf -23,4 Saldenpunkte. Einen ähnlich starken Einbruch hatte es bereits im zweiten Quartal des Vorjahres gegeben. Besonders die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage fiel mit -32,7 Punkten wieder sehr schlecht aus. Ähnlich pessimistisch beurteilen die befragten Beteiligungsunternehmen das Fundraising (-30,2 Punkte). Immerhin hat sich die allgemeine Einschätzung der Branche hinsichtlich der Exit-Möglichkeiten leicht verbessert. Auch bei den Einstiegsbewertungen zeigte sich eine leicht verbesserte Stimmung. Beim Blick nach vorn liegt zwar die Geschäftserwartung der Befragten immer noch im roten Bereich, hat sich aber gegenüber dem Vorquartal spürbar verbessert. „Das lässt auf eine Wiederaufnahme des Aufwärtstrends im weiteren Jahresverlauf hoffen“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
Sonderrolle in Europa
Die schlechte Stimmung in Deutschland kontrastiert mit dem allgemeinen Bild in Europa. Für den Kontinent verzeichnet der Datenanbieter PitchBook im zweiten Quartal 2024 zumeist positive Entwicklungen: Die Zahl der Deals nahm zu, ebenso deren durchschnittliche Größe. Das Fundraising deutete darauf hin, dass Europa auf ein neues Rekordjahr zusteuere. Das Exit-Geschehen nahm gegenüber dem Vorquartal um 90,3% zu – wobei dieser Sprung allerdings mit einer größeren Anzahl von Megadeals begründet wurde, mithin das Exit-Geschehen insgesamt nur unzureichend beschreibt. Dennoch scheint es so, als nehme Deutschland derzeit eine Art Sonderstellung ein. „Der große Gewinner der Globalisierung war das exportstarke Deutschland. Jetzt, wo es in die andere Richtung geht, sind wir infolgedessen der größte Leidtragende“, sagt Dr. Ingo Krocke, Vorstandssprecher des BVK Bundesverband Beteiligungskapital und CEO der Beteiligungsgesellschaft Auctus Capital Partners. Von einer Krise will er aber nicht sprechen. Auctus habe jetzt schon wieder eine einigermaßen gefüllte Pipeline.
Schlechte Rahmenbedingungen
Viele Probleme sind aber durchaus auch hausgemacht. Die mittelständischen Unternehmen leiden seit Jahren unter der schlechten Infrastruktur hierzulande, vor allem von Straßen und Schienen, sie leiden unter dem Fachkräftemangel, der überbordenden Bürokratie, um nur die häufigsten Klagen zu nennen. Die Folge: Es wird immer weniger investiert – und damit droht ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. Man schaut landauf, landab auf die Politik und erhofft sich von ihr, dass sie bessere Rahmenbedingungen schafft. „Es gibt viele politische Initiativen, viele Ankündigungen, viele Ansätze, die durchaus in die richtige Richtung gehen. Aber bis jetzt passiert dann einfach zu wenig. Es bleibt bislang bei den Absichtserklärungen“, stell Peter Sachse fest, Geschäftsführer der auf Small Caps fokussierten Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner. Schnelle Lösungen gebe es sicher nicht, aber ihn stimme zumindest zuversichtlich, dass die Breite der Diskussion über die Probleme zugenommen habe. „In Deutschland sind die Rahmenbedingungen im Moment nicht so, dass Unternehmer jetzt höhere oder größere Investitionen angehen“, weiß auch Peter Pauli, Sprecher der Geschäftsführung der Münchner BayBG.
Schwierige Preisfindung
Nach den Höhenflügen in den COVID-Jahren sind die Preise für die Unternehmen inzwischen wieder gesunken, liegen aber immer noch auf einem recht hohen Niveau. Krocke spricht von einem durchschnittlichen Rückgang um 20% bis 25%. Allerdings fällt ein großes Branchengefälle auf: Targets aus dem IT-Bereich kommen weiterhin auf sehr hohe Bewertungen; andere haben es da schwerer, nicht nur die mitten in einer Transformation befindliche Autoindustrie, sondern auch energieintensive Branchen oder auch die Hotellerie und die Gastronomie. Für Pauli sind die gesunkenen Bewertungen auch ein logischer Reflex auf die höheren Kapitalkosten: „Kapital kostet heute deutlich mehr als vor zwei Jahren. Da Unternehmenskäufe in der Regel zum Teil fremdfinanziert sind, sinkt auf Investorenseite die Bewertung, die sie bereit sind zu zahlen.“ Vielen Unternehmern fällt es allerdings schwer, diesen Umstand zu akzeptieren. Zu nah ist die Erinnerung an vor Kurzem noch gezahlte Spitzenpreise. „Diese unterschiedliche Betrachtungsweise ist ein wichtiger Grund dafür, dass derzeit weniger Transaktionen zustande kommen“, sagt Pauli. An der Kapitalverfügbarkeit der Investoren liege es jedenfalls nicht. Das hat auch damit zu tun, dass zumindest die fondsbasierten Private Equity-Häuser noch immer auf reichlich Dry Powder sitzen. Auch der Zugang zu Fremdkapital ist weiterhin grundsätzlich gegeben. Zwar sind die Banken in den letzten Jahren immer restriktiver bei der Kreditvergabe geworden. Von einer Kreditklemme, da ist man sich in den Private Equity-Häusern einig, ist man aber noch weit entfernt.
Volatilität erschwert Kalkulationen
Das Beharren auf hohen Preisen können sich Unternehmer eigentlich kaum leisten. Zu hoch ist für viele der Boomergeneration der Druck, ihre Nachfolge zu regeln. Nach einer im Januar veröffentlichten Untersuchung des ifo Instituts steht in den nächsten drei Jahren bei 43% der Familienunternehmen eine Unternehmensoder Anteilsübertragung an. Da in vielen Fällen die Bereitschaft der Kinder fehlt, das Unternehmen fortzuführen, und es aus demografischen Gründen auch deutlich an potenziellen Nachfolgern mangelt, ist die Veräußerung an eine Beteiligungsgesellschaft oftmals der einzige Ausweg; und ein zunehmend akzeptierter dazu. Aber selbst wenn man dort schließlich einen Kaufinteressenten gefunden hat und auf überzogene Preise verzichtet, dauert es immer länger, bis eine Transaktion unter Dach und Fach ist. „Für den Käufer ist es extrem schwierig geworden, die Entwicklung eines Unternehmens zu kalkulieren. Mit welchen Energiepreisen, beispielsweise, soll man rechnen, mit welchen Materialkosten. Das ist angesichts der aktuellen Volatilität kaum vorhersehbar“, sagt Sachse. Angesichts dieser
Schwierigkeiten ist wohl auch die Zeit der großen Auktionen erst einmal vorbei. Ein Prüfungsprozess mit vielleicht 100 Parteien oder mehr – wie es ihn vor einigen Jahren noch gegeben hat – würde heute endlos dauern. Es geht nicht mehr um Preismaximierung,
sondern vielmehr darum, überhaupt ein passendes Match hinzubekommen. „Wir sehen einen klaren Trend zu kleinen Bieterprozessen mit vielleicht einer Handvoll Adressen“, sagt Krocke. Allerdings kommen immer wieder auch bilaterale Prozesse vor – meist dann, wenn ein Unternehmen einfach besonders gut ins Portfolio einer Beteiligungsgesellschaft passt, wenn man sich vielleicht schon kennt und vertrauensvoll auf Augenhöhe verhandelt.
Verhaltener Ausblick
Wie geht es weiter? Die Hoffnung besteht, dass das Konjunkturtal der Weltwirtschaft zu weiteren Zinssenkungen führen wird. Die EZB hatte im vorigen Juni erstmals seit fast fünf Jahren den Leitzins leicht zurückgenommen. Weitere Zinsschritte nach unten würden für Private Equity zumindest auf der Finanzierungsseite Spielräume eröffnen. Vor dem Hintergrund einer größeren Sicherheit auf der Finanzierungsseite könnten Beteiligungsgesellschaften auch vermehrt versuchen, die aktuelle Schwächephase als Chance zu begreifen und in Unternehmen zu investieren, die nicht zu den Top-Performern zählen und für die derzeit wenig Interesse aufgebracht wird. „Aktuell ist es so, dass jeder nur die Top-Unternehmen haben will, weil niemand ein Risiko eingehen will“, sagt Krocke. Dabei böten sich gerade jetzt im sogenannten Mittelbau gute Möglichkeiten, Unternehmen
mit kleinen Schönheitsfehlern zu übernehmen, die sich dann positiv weiterentwickeln. Das sei schließlich das klassische Geschäft von Private Equity. Inwieweit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern oder sich die Planbarkeit für alle Seiten erhöht, ist allerdings ebenso schwer vorherzusagen wie die geopolitischen Entwicklungen. „Wir mussten in den letzten Jahren lernen, dass man nichts mehr vorhersagen kann und jederzeit wieder schwarze Schwäne auftauchen können“, sagt Krocke. Dennoch herrscht in der Branche auch ein verhaltener Optimismus. Niedrigere Bewertungen, die Aussicht auf sinkende Zinsen, die grundsätzliche Verfügbarkeit von Unternehmen stimmen positiv. Bislang haben jedenfalls noch keine Beteiligungsgesellschaften Deutschland den Rücken gekehrt. Im Gegenteil. „Die Konkurrenzsituation unter den Investoren ist nach wie vor sehr hoch“, weiß Sachse.