Die Ampel im Herbst – was darf man (noch) erwarten?

Kommentar

Christian Schatz, Flick Gocke Schaumburg
Christian Schatz, Flick Gocke Schaumburg

Bildnachweis: Flick Gocke Schaumburg, VentureCapital Magazin, Pexels.

Winter is coming, die Ampel ist in ihrem Herbst. Was darf die Start-up-Szene von ihr noch erwarten? Eines kann man der Ampel nicht absprechen: Sie hatte immer einen Fokus auf Start-ups und deren Umfeld. Aber als langjähriger Begleiter muss man schon feststellen: Der große Wurf war bisher nicht dabei. Ändert sich das noch einmal mit der am 17. September 2024 vorgestellten WIN-Initiative der drei Koalitionäre Scholz, Lindner und Habeck? Bei aller Freude über die Initiative sei eine freundlich-kritische Anmerkung erlaubt.

Die Investorenseite

Der Fokus der Initiative liegt, wie schon der Name der Initiative besagt, auf Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland. Neben dem Pledge von Investitionen in Höhe von 12 Mrd. EUR durch die teilnehmenden Unternehmen sowie der Ankündigung des Nachfolgers für den KfW-Dachfonds für 2026 fokussiert sich die Initiative auf der Investorenseite im Wesentlichen auf den Abbau von insbesondere steuerlichen Hemmnissen beim KfW-Zukunftsfonds und andere diese rechtliche Struktur nutzende Investoren. Auch will man steuerneutrale Investmentfonds für Venture Capital-Fonds ermöglichen. Des Weiteren sind auch viele schon lange diskutierte Punkte wieder aufgenommen worden, etwa die Erhöhung der Quote zulässiger Investments im Wagniskapitalbereich für Versorgungswerke und Pensionskassen, und die Angels werden sich sicherlich über den Ausbau der Rollover-6b-Rücklage freuen. Ganz gespannt ist man auf das Ergebnis der Studie, die Kenfo und anderen öffentlichen Fonds den Weg zu Venture Capital-Investments zeigen soll. Dazu passt auch die Absicht, den Know-how-Transfer zum Beispiel durch die Fortführung der VC-Academy der KfW voranzutreiben.

Ist das der große Wurf?

Dies sind alles sinnvolle kleine Bausteine für das Gesamtökosystem Venture Capital. Aber ist das der große Wurf? Der große Wurf wären Maßnahmen, die eine starke und vor allem sich langfristig selbst tragende Venture Capital-Szene hervorbringen würde. Dies wurde im Vorfeld intensiv diskutiert. Warum Deutschland im Jahr 2024 noch immer keinen Rechtsrahmen für Venture Capital-Fonds anbietet, der in allen Punkten international wettbewerbsfähig ist, ist nicht erklärbar. Die Sicherstellung der steuerlichen Neutralität von Wagniskapitalfonds unabhängig von der Rechtsform wäre hier ein wesentlicher Schritt, der das Ökosystem voranbringen und gleichzeitig einen Teil der oben angesprochenen Detailproblemlösungen obsolet machen würde. Auch das große Ziel, weiteres Privatkapital etwa von vermögenden und anderen geeigneten Privatpersonen zu akquirieren, würde – wie Vergleichsfälle im europäischen Ausland zeigen – so am schnellsten erreicht werden.

Die Start-up-Seite

Wie sieht es auf der Unternehmensseite aus? Hier fokussieren sich die Vorschläge der Initiative auf das IPO als Exit-Kanal. Aktien zukünftig zu 0,01 EUR ausgeben zu können oder die Ausweitung der Prospektfreiheit bis zu einem Volumen von 12 Mio. EUR schaffen einen flexibleren Rahmen für IPOs. Bei einem starken Börsenplatz Deutschland – hier waren in den letzten Jahren die Zweifel bei kleinen Listings leider gegeben – können diese Maßnahmen sicherlich IPOs erleichtern. Leuchtturmprojekte wie etwa Cleantech-Scale-ups beim Bau von Pilotanlagen mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen, ist sehr begrüßenswert, da dies zu einer Stärkung des Standorts führen wird.

Warum nicht weiter die Habeck’sche Kettensäge?

Was man aber ganz wenig oder nicht im Papier findet, sind die Großthemen wie Bürokratieabbau und Digitalisierung. Es wäre wünschenswert gewesen, hier eine echte Perspektive aufgezeigt zu bekommen. Die Initiative spricht das Thema Finanzierung beim Bau von Pilotfabriken an, aber nicht die Probleme auf dem Weg dorthin. Warum nicht weiter die Habeck’sche Kettensäge wie beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz durchziehen? Deutschland hat viele gute Start-ups im Bereich der Zukunftsthemen. Diese werden aber bei ihrer weiteren Entwicklung zu häufig ausgebremst. Das Thema ist für einen Halbsatz am Ende des Maßnahmenkatalogs zu wichtig. Stichworte wie Fachkräftezuwanderung sind fast schon zum Reizwort im politischen Prozess geworden, sodass es nicht verwundert, dass dieser Bürokratieabbaupunkt nicht ins Schaufenster gestellt wird.

Digitalisierung findet in der Initiative nicht statt

Auch der digitale moderne Staat hat die Koalition wohl endgültig für die Nachfolgeregierung aufgehoben; das Wort Digitalisierung kommt in der Initiative nicht einmal vor. Dies ist schon erstaunlich, da sich mit Digitalisierung durchaus große Themen der Ampel wie die Dekarbonisierung verbinden. Das Megathema der deutschen Wirtschaft, KI, hat es ausdrücklich nicht in die Initiative geschafft, obwohl hier gezielte Maßnahmen genauso wie bei Cleantech-Scale-ups wünschenswert wären.

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Was bleibt?

Es ist sehr zu begrüßen, dass die Ampel auch in ihrem Herbst das Thema Wachstums- und Innovationskapital nicht aus dem Auge verliert. Die Ampel hat zum Beispiel mit einer sehr guten Lösung des Dry Income-Themas bei Mitarbeiterbeteiligungen einen sehr guten, wichtigen Schritt schon unternommen. Gerade dieses Thema und vor allem die sich nunmehr vielfältig entwickelnden Nutzungen dieser Gesetzesänderung belegen die Zielgenauigkeit dieser Maßnahme. Mit der WIN-Initiative, die in der kurzen verbliebenen Zeit der Legislatur hoffentlich noch viele Umsetzungen erfährt, führt sie diesen Ansatz fort und nimmt auch noch hoffentlich Anregungen für weitere Maßnahmen wie etwa die rechtsformunabhängige Steuerneutralität der Fonds auf.

Über den Autor:

Christian Schatz ist Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei Flick Gocke Schaumburg.