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Ob WIN-Initiative oder Zukunftsfinanzierungsgesetz – das Bundesfinanzministerium bemüht sich um Verbesserungen für die Gründer- und Investorenszene und setzt dabei auch auf Engagement aus der Wirtschaft.
VC Magazin: Welchen Stellenwert besitzen Start-ups und Gründer aktuell im Bundesfinanzministerium?
Toncar: Wir im Finanzministerium setzen uns nachdrücklich dafür ein, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies tun wir, damit Gründerinnen und Gründer das
finanzieren können, woran sie glauben und von dem sie hoffen, dass es potenzielle Kundinnen
und Kunden sowie Investorinnen und Investoren anspricht.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie den Startup-Standort Deutschland im internationalen Vergleich?
Toncar: Der Start-up-Standort Deutschland ist im internationalen Vergleich bereits heute
sehr gut aufgestellt. Allein im zweiten Quartal 2024 haben deutsche Start-ups in 187 Finanzierungsrunden rund 1,8 Mrd. EUR eingeworben. Deutschland ist zudem auch
ein exzellenter Forschungsstandort. Start-ups spielen eine wichtige Rolle als Innovationsmotor der deutschen Volkswirtschaft. Damit der Gründungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich auch künftig möglichst weit vorne liegt, setzen wir uns mit Nachdruck für die passenden Rahmenbedingungen ein.
VC Magazin: Wie sehr blicken Sie dabei auf Nachbarländer und das internationale Geschehen?
Toncar: Wir schauen uns natürlich auch an, was andere Länder hier positiv voranbringen, um davon zu lernen. Bereits mit dem im Dezember 2023 in Kraft getretenen Zukunftsfinanzierungsgesetz I haben wir Maßnahmen ergriffen, um mehr privates Kapital
zu mobilisieren und den Finanzplatz Deutschland attraktiver zu gestalten. Wir haben beispielsweise die Möglichkeiten zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung durch attraktive Steuerregelungen verbessert.
VC Magazin: Mit welchem Ergebnis?
Toncar: Der steuerfreie Höchstbetrag soll von 1.440 auf 2.000 EUR pro Jahr angehoben
werden. Zudem sind wir die Bewältigung der sogenannten Dry Income-Problematik bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im deutschen Steuerrecht angegangen. Wir haben zudem für einen leichteren Zugang zum Kapitalmarkt gesorgt, indem wir die Mindestmarktkapitalisierung für einen Börsengang gesenkt und regulatorische Anforderungen vereinfacht haben.
VC Magazin: Die WIN-Initiative ist ein Gemeinschaftsprojekt von Politik und Wirtschaft. Was sind die Hintergründe, wer ist dabei?
Toncar: Mit der WIN-Initiative – WIN steht für Wachstums- und Innovationskapital für Deutschland – wollen wir Start-ups, Innovation und Wagniskapital in Deutschland zusätzlich stärken. Dafür haben wir ein breites Bündnis aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und der KfW zusammengestellt und gemeinsam Maßnahmen zur Stärkung der Wachstums- und Innovationsfinanzierung in Deutschland vereinbart. Die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung auf dem Startup Germany Summit am 17. September 2024 in Berlin war prominent besetzt: Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und Finanzminister sowie Führungspersönlichkeiten aus der ersten Reihe der Wirtschaft waren anwesend. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
VC Magazin: Wie sehen die Maßnahmen im Detail aus?
Toncar: Zu den zehn umfassenden Maßnahmen, die das Ökosystem für Wachstumskapital in Deutschland nachhaltig stärken sollen, gehören beispielsweise verbesserte Rahmenbedingungen für Börsengänge und Exits von Start-up-Gesellschaftern sowie für Investitionen in Wachstums- und Innovationskapital. Erste Einzelmaßnahmen aus diesem Paket haben wir mit dem Referentenentwurf für das Zukunftsfinanzierungsgesetz II bereits in diesem Sommer auf den Weg gebracht. Gleichzeitig wollen die teilnehmenden Unternehmen, zum Beispiel Versicherungen und Banken, bis 2030 rund 12 Mrd. EUR in das Wagniskapital-ökosystem investieren. Hier ist es uns also gemeinsam mit der Wirtschaft gelungen, privates Kapital für Investitionen in Wachstum und Innovation zu mobilisieren. Genau das brauchen wir hierzulande. Sie sehen: Wir haben jeweils ambitionierte Aufgaben vereinbart. Die WIN-Initiative ist so aufgegleist, dass sie in den kommenden Jahren gemeinsam weiterverfolgt wird. Ich bin zuversichtlich, dass das bestehende Engagement aus Wirtschaft und Politik auch künftig anhält.
VC Magazin: Wenn Sie sich von den Venture Capital-Investoren etwas für die Gründer hierzulande wünschen dürften, was wäre das?
Toncar: Ich wünsche mir, dass wir unseren offenen Austausch zwischen der Start-up- und Gründerszene mit dem Finanzministerium fortführen. Ich kann die Aussagen von Christian Lindner nur unterstreichen, die er während seiner persönlichen Teilnahme an der Bits & Pretzels in München am 30. September 2024 formulierte, wo regelmäßig Tausende Gründer und Gründungsinteressierte vertreten sind: Der Staat sollte passende Rahmenbedingungen schaffen, damit Gründerinnen und Gründer das finanzieren können, woran sie glauben. Die kürzlich auf den Weg gebrachte WIN-Initiative ist hierfür das beste Beispiel. Sie merken: Die Anliegen der Gründerinnen und Gründer sowie Investoren sind uns wichtig.
VC Magazin: Welche deutschen Start-ups haben Sie in letzter Zeit besonders beeindruckt?
Toncar: Bitte verstehen Sie, dass ich hier keine einzelnen Unternehmen herausgreifen kann. In der deutschen Gründerszene haben sich in jüngster Zeit vor allem Unternehmen in zwei Bereichen hervorgetan: Künstliche Intelligenz im Finanzsektor und Open Finance – dies finde ich gerade mit Blick auf die Stärke des Finanzstandorts Deutschland sehr ermutigend. Als Bundesregierung haben wir das enorme Potenzial von KI und Open Finance erkannt und beteiligen uns aktiv an regulatorischen Arbeiten, um diesen Innovationen einen angemessenen Rahmen zu geben. Auf europäischer Ebene unterstützen wir Initiativen wie den AI Act und FIDA – Financial Data Access – mit dem Ziel, die Entwicklung dieser zukunftsweisenden Technologien zu fördern und gleichzeitig den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Interviewpartner:
Dr. Florian Toncar ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen und Mitglied des Deutschen Bundestages.