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Technologiezyklen werden immer schneller, der Wettbewerbsdruck steigt kontinuierlich und Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich ständig neu zu erfinden – im Rahmen dieser Entwicklungen sind Start-ups wertvolle Partner für etablierte Unternehmen, um Innovationen voranzutreiben. Die Zahl direkter Investments in Start-ups durch Corporates sowie indirekter Beteiligungen durch Venture Capital-Fonds hat sich zwischen 2018 und 2022 nahezu verdoppelt und bleibt trotz eines Rückgangs aufgrund der makroökonomischen Lage im Jahr 2023 hoch.
Und auch für Start-ups bieten Corporate-Investoren neben der finanziellen Unterstützung zahlreiche strategische Vorteile. Sie profitieren beispielsweise von ihrer Reputation, dem etablierten Vertriebsnetzwerk oder ihrem technologischen Know-how. Es entsteht also eine klassische Win-win-Situation. Die Beteiligung an Start-ups ist entsprechend längst kein Randphänomen mehr; sie durchdringt alle Branchen und Unternehmensgrößen. Beispiele wie die Beteiligung der Schwarz Gruppe an Aleph Alpha oder die Investition von DG Nexolution in Swiss Wood Solutions verdeutlichen, dass sowohl große als auch mittelständische Unternehmen die Chancen von Start-up-Kollaborationen erkannt haben.
Finanzielle versus strategische Corporate Investments
Für Start-ups ist es entscheidend, zwischen finanziell und strategisch getriebenen Unternehmensinvestitionen zu unterscheiden. Finanzielle Investoren fokussieren sich hauptsächlich auf das Wachstumspotenzial und die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells; strategische Investoren sind dagegen oft an der Integration der Technologie oder des Produkts in ihr Kerngeschäft oder angrenzende Geschäftsbereiche interessiert. Diese Unterscheidung bestimmt maßgeblich die Art und Intensität der Interaktion zwischen Start-up und Corporate und kann stark variieren.
Zusammenarbeit intensiver und operativer
Während bei finanziellen Beteiligungen regelmäßige Board Meetings und standardisierte Kontrollmechanismen im Vordergrund stehen, kann die Zusammenarbeit bei strategischen Investments deutlich intensiver und operativer sein; gemeinsame Vertriebsteams oder integrierte Produktentwicklungsprojekte sind hierbei keine Seltenheit. Die Form der Zusammenarbeit hängt zudem von der angestrebten Tiefe der Integration des Start-ups in die Strukturen des Corporate ab. Simplifizierend lassen sich drei Formen der Integrationstiefe unterscheiden:
- Maximale Integration zwischen Start-up und Corporate mit Fokus auf die Erschließung von Synergieeffekten und Effizienzsteigerungen.
- Die Integration von Einzelbereichen hat oft die Zusammenarbeit bei der Produktentwicklung oder Vertriebspartnerschaften zum Ziel.
- Die Trennung aller Bereiche ohne operative Zusammenarbeit gewährt es dem Start-up, weiterhin als eigenständiges Unternehmen zu agieren. Das Corporate nimmt eine passive Rolle ein und ist möglicherweise nur durch Board-Positionen beratend auf strategischer Ebene involviert.
Typische Fälle für Corporate Investments
Die Entscheidung für oder gegen ein Corporate Investment hängt oft von der Lebenszyklusphase und dem Geschäftsmodell des Start-ups ab. Stark wachsende Start-ups mit skalierbaren Geschäftsmodellen ziehen häufig finanziell getriebene Investoren an, die ihre Investments über dedizierte Investmentvehikel in Form von Corporate Venture Capital-Einheiten (Corporate Venture Capitals) durchführen. Start-ups, die spezielle Technologien oder Produkte entwickeln, die zum Kerngeschäft eines Corporates passen, sind für strategische Investoren besonders interessant. Hier liegt der Fokus weniger auf schnellem Wachstum, sondern auf der langfristigen Integration und der Entwicklung des Produkts im Unternehmensumfeld. In diesen Fällen wird häufig direkt aus der Bilanz heraus investiert, sodass die Beteiligungsquoten ein gewisses Mitspracherecht oder Sperrminoritäten ermöglichen.
Anforderungen von Corporate Investments an Start-ups
Um für Corporate Venture Capitals attraktiv zu sein, müssen Start-ups verschiedene Kriterien erfüllen. Für finanzielle Corporate Venture Capitals ist neben einem rasanten Wachstum auch die Passgenauigkeit zur Investmentstrategie entscheidend. Strategische Investoren legen hingegen großen Wert auf die Marktreife und rechtliche Absicherung des Produkts durch Lizenzen oder Patente. Bei Software-Start-ups sollte das Produkt zudem gut integrierbar sein, insbesondere wenn der Investor selbst Softwarelösungen anbietet.
Flexibilität von Corporate-Investoren
Obwohl zwischen finanziellen und strategischen Corporate Venture Capitals unterschieden werden kann, zeichnet sich ein guter Corporate-Investor durch Flexibilität aus. Er verfolgt finanzielle Ziele, um in wirtschaftlich erfolgreiche Start-ups zu investieren, hat jedoch weiterhin die Option, langfristig eine strategische Rolle einzunehmen. Diese duale Zielsetzung ermöglicht es Corporates, sowohl kurzfristige Renditen zu erzielen als auch langfristige strategische Synergien zu schaffen, falls sich eine Beteiligung so entwickelt, dass sie zu ihrem Kerngeschäft passt.
Chancen und Risiken: Der richtige Zeitpunkt für Corporate Investments
Grundsätzlich können Corporate-Investoren für die meisten Start-ups interessant sein. Es ist jedoch essenziell, den richtigen Zeitpunkt für eine solche Partnerschaft zu wählen. Ein zu frühes Investment kann die Unabhängigkeit des Start-ups gefährden und zu Abhängigkeiten führen. Zudem haben Corporates oft spezifische Branchen- oder Kundenfokusse, die nicht immer mit der Strategie des Start-ups übereinstimmen. Es ist deshalb wichtig, eine klare Antwort auf die Fragen zu haben, welchen nachhaltigen, messbaren Mehrwert die Beteiligung für beide Akteure bringt und wie viele Ressourcen diese hierfür tatsächlich einbringen müssen. Die Praxis zeigt, dass hier das größte Konfliktpotenzial in der Zusammenarbeit liegt. Der Grund: Die dynamischen, sich fortwährend verändernden Bedürfnisse eines Start-ups passen nicht immer zur Geschwindigkeit und Risikobereitschaft des Corporates. Die Kommunikation klarer Vorstellungen von den erwarteten Vorteilen beider Seiten sowie eine konservative Einschätzung der benötigten Kapital- und Personalressourcen ermöglichen ein effektives Risikomanagement im Falle von Planabweichungen. Idealerweise sollten dabei auch alternative Szenarien berücksichtigt werden, um Konflikte zu vermeiden. Das gilt insbesondere in den frühen Entwicklungsphasen eines Start-ups, da der Investor hier einen starken finanziellen Einfluss ausüben kann und das Start-up zugleich einen besonders hohen Bedarf an Agilität hat, um ein skalierbares Produkt und Geschäftsmodell zu entwickeln.
Kulturelle Barrieren beachten
Bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit sind außerdem kulturelle Barrieren zu beachten: Die oftmals autonomere Start-up-Kultur und die häufig weisungsgebundenere und hierarchische Kultur von Corporates müssen in Balance gebracht werden, denn aus Start-up Sicht stellt der Verlust der Agilität durch die langsameren Strukturen eines Corporates, neben potenziellen Interessenkonflikten finanzieller oder strategischer Natur, das größte Risiko einer engeren Zusammenarbeit dar. Hierbei ist die klare Kommunikation der Entscheidungsprozesse und -wege im Rahmen der Zusammenarbeit erfolgskritisch.
Vier große Vorteile
Insgesamt lassen sich vier große Vorteile von Corporate Investments für Start-ups zusammenfassen, die Corporate Venture Capital-Investoren für Gründende besonders attraktiv machen:
- Die operative Unterstützung unter anderem durch die Bereitstellung der Corporate-Infrastruktur sowie Markt- oder Kundenwissen.
- Strategische Synergien in Form der gemeinsamen Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder des Eintritts in neue Märkte.
- Die Unterstützung des Vertriebs durch das vorhandene Kundennetzwerk des Corporates.
- Die Initiierung von gemeinsamen Projekten im Bereich der Forschung und Entwicklung.
Über die Autoren:
Jannis Grube ist Start-up-Experte und leitet die Start-up-Programme von PwC Deutschland. Mit seinem Team unterstützt er im Rahmen von PwCs Start-up Community über 500 Start-ups und vernetzt diese mit Corporates und Investoren.
Alexander Binstain ist Venture Deals-Experte und leitet das Raise-Programm von PwC Deutschland. Von der Vorbereitung des Finanzplans über den perfekten Investorenpitch bis hin zur Durchführung des Deals begleitet er sowohl Corporates bei Start-up-Beteiligung als auch Start-ups auf ihrer Wachstumsreise.