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In einem Jahr, das von wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt ist, standen beim Insolvenzverwalter-Tag die Herausforderungen für die Restrukturierungs- und Insolvenzbranche im Mittelpunkt. Besonders die Bedingungen für Unternehmensverkäufe erweisen sich als äußerst schwierig – ein Problem, das durch steigende Eigenkapitalanforderungen und die Krise der Sanierungsabteilungen der Banken weiter verschärft wird.
Herausfordernde Bedingungen für Unternehmensverkäufe
Einer der drängendsten Punkte ist die Finanzierung von Unternehmensverkäufen, die zunehmend schwieriger wird. Mit den strengen Eigenkapitalrichtlinien und gestiegenen Zinsen tun sich Banken schwer, Kredite für Unternehmenskäufe bereitzustellen, was Insolvenzen und die damit verbundenen Verkaufsprozesse erheblich belastet. „Insolvenzverwalter haben es chronisch eilig und sind auf kurze Reaktionszeiten angewiesen“, erklärte Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbands der Insolvenzverwalter Deutschlands. Die langsamen Genehmigungsprozesse und geringe Bereitschaft zur Kreditvergabe setzen einem zügigen Verkaufsprozess enge Grenzen und lassen potenzielle Käufer oft zurückschrecken.
Politische Unsicherheit belastet die Branche
Neben den finanziellen Schwierigkeiten belasten auch politische Unsicherheiten die Branche. Der plötzliche Rücktritt von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und die Auflösung der Bundesregierung ließen das Berufsrecht für Insolvenzverwalter, an dem jahrelang gearbeitet wurde, kurz vor Abschluss einen unfreiwilligen Stopp einlegen. Dies verunsichert die Branche nachhaltig, zumal die Regelungslücke nun durch einen möglichen Regierungswechsel noch länger andauern könnte. Niering betonte die Belastung durch die Unsicherheiten: „Wir sind Rückschläge gewohnt.“
Nachwuchsmangel verschärft die Lage
Die Branche steht zudem vor einem strukturellen Problem: dem Mangel an Nachwuchs. In den Jahren niedriger Fallzahlen entschieden sich viele Juristen gegen eine Karriere im Insolvenzbereich. Zahlreiche Kanzleien, die einst auf Insolvenzverwaltung spezialisiert waren, schlossen oder bauten Stellen ab. Dieser Engpass wirkt sich nun aus, da ein plötzlicher Anstieg der Insolvenzen den Bedarf an qualifizierten Insolvenzverwaltern übersteigt. Kurzfristige Lösungen für diese Lücke sind kaum in Sicht, und dies bremst die Bearbeitung neuer Fälle zusätzlich aus.
Zusätzliche Herausforderungen durch Gerichte und Banken
Das Nadelöhr für Unternehmensverkäufe und die effiziente Abwicklung von Insolvenzen liegt jedoch nicht nur in den Finanzierungsbedingungen. Auch die Gerichte stehen durch die steigenden Fallzahlen zunehmend unter Druck. Zudem hätten Banken ihre Sanierungsabteilungen in den vergangenen Jahren verkleinert und seien auf Unternehmenskrisen und Sanierungen nicht mehr ausreichend vorbereitet.
Unsicherheiten und steigende Insolvenzzahlen
Die aktuelle Entwicklung weist auf einen deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen hin. Prognosen von Allianz Trade sprechen von einem weltweiten Zuwachs der Unternehmensinsolvenzen um 11 Prozent im Jahr 2024. Dies betrifft insbesondere westliche Industrieländer, in denen die Insolvenzen bereits 2023 ein hohes Niveau erreichten und weiter steigen sollen. Auch in Deutschland setzt sich der Trend fort: Für 2024 wird ein Anstieg der Insolvenzen um weitere 25% erwartet. Gerade im Baugewerbe, in der Fertigungsindustrie sowie im Handel und B2B-Dienstleistungssektor rechnet die Branche mit einer erheblichen Zunahme an Insolvenzen. Bis 2025 könnte der Höhepunkt der Insolvenzwelle erreicht sein, bevor erste Stabilisierungseffekte greifen. Niedrigere Zinssätze und sinkende Kreditkosten könnten ab 2026 zu einer Entlastung beitragen und den Restrukturierungsmarkt wieder in ruhigere Gewässer führen.
„Keine Förderung mit der Gießkanne“: Warnungen aus der Branche
Niering warnte in seiner Rede eindringlich vor pauschalen Fördermaßnahmen. Die umfangreichen Hilfsprogramme während der Pandemie und Energiekrise in Deutschland, die Förderzusagen von 1.600 Milliarden Euro umfassten, seien langfristig nicht tragbar. „Der Staat kann nicht alle Krisen finanzieren“, so Niering. Er plädierte dafür, wirtschaftlich nicht überlebensfähige Unternehmen auf sozialverträgliche Weise zu schließen, statt sie weiter zu subventionieren. Die Sicherung von Arbeitsplätzen sei in anderen, zukunftsfähigen Branchen eher möglich und sinnvoll.
Langfristige Aussichten für die Insolvenzbranche
Trotz des Anstiegs der Insolvenzen sehen Experten keine Rückkehr zu den Rekordwerten vergangener Krisenzeiten. Während der Finanzkrise 2009 gab es in Deutschland etwa 33.000 Unternehmensinsolvenzen pro Jahr, ein Wert, den die Branche heute noch nicht erreicht hat. Dieser Umstand hängt auch mit den sinkenden Gründungszahlen zusammen, da junge Unternehmen erfahrungsgemäß besonders anfällig für Insolvenzen seien. Der strukturelle Wandel in wichtigen Sektoren, wie der Automobilindustrie und dem stationären Einzelhandel, würden jedoch den Transformationsdruck auf zahlreiche Unternehmen weiter in die Höhe treiben.