Neue Standards in der Industrie setzen

Lignopure: Alltagsprodukte ohne schädliche Chemikalien

Viktoria Vorwachs (NBank Capital) & Wienke Reynolds, Daniela Arango, Joana Gil (Lignopure)
Viktoria Vorwachs (NBank Capital) & Wienke Reynolds, Daniela Arango, Joana Gil (Lignopure)

Bildnachweis: NBank Capital, Lignopure.

Das Hamburger Start-up Lignopure will schädliche Chemikalien in Alltagsprodukten durch Partikel auf Ligninbasis ersetzen und dadurch die biobasierte Industrie revolutionieren.

Lignin entsteht als Nebenprodukt der Zellstoffherstellung und in Bioraffinerien. „Durch unsere Technologie verwandeln wir ungenutztes Lignin in multifunktionale Inhaltsstoffe, welche seine natürlichen Eigenschaften wie UV-Schutz, antioxidative Wirkung und natürliche Farbe bewahren und sogar verstärken“, sagt Joana Gil, Gründerin und CEO von Lignopure. Die hochwertigen Inhaltsstoffe finden nicht nur in der Kosmetik- und Nutraceutical-Branche Anwendung, sondern auch in der Herstellung von Thermoplasten und Harzen. „Wir ersetzen nicht nur schädliche Substanzen, sondern können auch die Leistungsfähigkeit der Endprodukte steigern und neue Standards in der Industrie setzen“, sagt Gil.

Von der Doktorarbeit zum Deeptech-Start-up

Die Gründungsidee entstand während ihrer Doktorarbeit an der Technischen Universität Hamburg. „Ziel war, eine Technologie und Strategien zu entwickeln, um Lignin für hochwertige Anwendungen und Konsumgüter nutzbar zu machen“, so Gil. Lignin war bis dato Abfallprodukt aus Bioraffinerien, und trotz enormen Potenzials wurden keine Produkte daraus entwickelt. Das wollte Gil ändern. Ihre Mitgründerinnen fand sie an der Universität – CTO Wienke Reynolds arbeitete an der mathematischen Modellierung von Bioraffinerieprozessen, CPO Daniela Arango absolvierte ein Programm aus einem Master in Bioprozessingenieurwesen und einem MBA. Ein Jahr lang wurde das Start-up durch das Programm InnoRampUp getragen, das es ermöglichte, Prototypen zu entwickeln und regulatorische Fragen, rechtliche Themen und Marketing anzugehen. „Im Dezember 2020 haben wir erstmals Kapital eingeworben und unsere kommerzielle Demoanlage in Buxtehude in Betrieb genommen“, erzählt Gil.

Natürliche Alternative für vielerlei Inhaltsstoffe

Zu den Investoren zählen unter anderem die NBank, Tanovis und der High-Tech Gründerfonds. „Uns hat beeindruckt, dass Lignopure bereits ein schlagkräftiges Team aufgebaut hatte und Distributoren mit Zugang zu relevanten Kunden unter Vertrag“, so Viktoria Vorwachs, Beteiligungsmanagerin bei NBank Capital. Das aufgearbeitete Lignin habe Potenzial auf vielen Anwendungsfeldern, was das Marktrisiko diversifiziere. „In Schäumen oder Lederersatzprodukten zum Beispiel stellt es eine natürliche Alternative zu schädlichen Stoffen dar“, erklärt Vorwachs; so sei Lignopure im besten Sinne ein Impact-Start-up. Sie beobachtet, dass sich private Investoren bei solch CAPEX-intensiven Investments eher zurückhalten: „Diese Lücke wollen wir bewusst füllen.“

Nachfrage seitens Verbrauchern und Industrie steigt

Die wichtigste Zielgruppe sind derzeit Produktentwickler, Hersteller und Indiemarken aus der Kosmetik- und Körperpflegebranche. Das Flaggschiffprodukt LignoBase hat bereits ein hohes Maß an Reife und Kundenakzeptanz erreicht. Bis Ende 2023 wurden weltweit über 100 Unternehmen bemustert, mehr als 50 befinden sich in der Betatestphase. Gil erwartet, dass noch in diesem Jahr ein Endprodukt mit LignoBase im Handel erhältlich sein wird. Zudem arbeitet das Start-up mit Ligninproduzenten und Bioraffinerien zusammen, um deren Produkte in höherwertige Anwendungen wie Materialien, Thermoplaste und Elastomere zu integrieren. „Unsere Kunden haben begrenzte Möglichkeiten, die Funktionalität ihrer Produkte zu erweitern, während die regulatorischen Anforderungen, insbesondere für synthetische Inhaltsstoffe, immer strenger werden“, so Gil. Auch verbraucherseitig steigt der Druck auf die Hersteller, ihr Produktportfolio weiterzuentwickeln und nachhaltigere Alternativen anzubieten. Als erstes europäisches Unternehmen hat Lignopure jüngst eine Produktionsanlage für die Umwandlung von Lignin in Betrieb genommen, die mit den Good Manufacturing Practices, einem internationalen Standard für die Herstellung von Arzneimitteln, compliant ist. Das Team besteht derzeit aus zwölf Mitarbeitenden. Über Distributoren arbeiten weltweit rund 40 Vertriebsmitarbeitende daran, die Inhaltsstoffe in Unternehmen einzuführen. Mit der Erweiterung der Kapazitäten, neuen Produkten und weiteren Zertifizierungen soll das Team von Lignopure nun in allen Bereichen wachsen.