„Fortschritt kennt keine Parteigrenzen“

Interview mit Ulrike Hinrichs, Bundesverband Beteiligungskapital

Ulrike Hinrichs (BVK)
Ulrike Hinrichs (BVK)

Bildnachweis: Hoffotografen, VentureCapital Magazin, Pexels.

Am 23. Februar wählt Deutschland eine neue Bundesregierung. Was nach dem Aus der Ampelkoalition auf die Private Equity- und Venture Capital-Branche zukommt, berichtet Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK). Sie blickt außerdem auf den aktuellen Markt und die neue Kampagne des BVK.

VC Magazin: Wie beurteilen Sie die Marktentwicklungen im Private Equity- und Venture Capital-Segment dieses Jahr, und welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf Dealflow und Preisniveau für 2025?

Hinrichs: „Die Finanzmärkte befinden sich aktuell in einem Zustand, den man als ‚Neustart in Zeitlupe‘ beschreiben könnte“, sagte kürzlich der Wirtschaftsexperte Prof. Dr. Carl Christian von Weizsäcker. Genau das erleben wir bei Private Equity und Venture Capital: Während Venture Capital langsam wieder Fahrt aufnimmt – mit mehr Deals und einer wachsenden Investitionsbereitschaft –, bleibt Private Equity im Wartezimmer der Konjunktur. Die günstigen Bewertungen sind da, aber der Mut zu Exits fehlt noch. Für 2025 sehe ich Chancen auf mehr Dynamik: Wenn die Kapitalmärkte Stabilität gewinnen, könnten wir endlich den Aufbruch erleben, den wir so dringend brauchen – für Start-ups und etablierte Unternehmen gleichermaßen.

VC Magazin: Auf politischer Ebene konnten Sie in diesem Jahr einige Erfolge erzielen. Im Januar trat das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft und damit die Umsatzsteuerbefreiung für AIFs; im Oktober startete die WIN-Initiative. Wie bewerten Sie das politische Jahr für die Private Equity-Szene?

Hinrichs: Endlich Schluss mit dem steuerlichen Handicap! Das Zukunftsfinanzierungsgesetz
hat den Startschuss für eine neue Ära gegeben, 15 Jahre Wettbewerbsnachteil erledigt – ein riesiger Erfolg für uns als BVK und für die Branche. Die Umsatzsteuerbefreiung für Fonds war überfällig und ist ein echter Meilenstein, der die Private Equity-Szene erleichtert aufatmen lässt. Mit der WIN-Initiative hat die Politik zudem bewiesen, dass sie Start-ups als Schlüssel für die Zukunft ernst nimmt. Aber: Beim Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde die Luft leider dünn – hier hat der Reformzug nun ein paar Waggons verloren. Trotzdem bleibt 2024 ein Jahr, das zeigt, wie viel möglich ist, wenn die Politik den Turbo zündet. Jetzt gilt: Mehr davon, bitte!

VC Magazin: Mit dem Aus der Ampelregierung steht das Zukunftsfinanzierungsgesetz II auf wackeligen Beinen. Welche Ziele setzen Sie sich auf politischer Ebene für das kommende Jahr?

Hinrichs: Der Übergangsfinanzminister Dr. Jörg Kukies hat in einem ersten Gespräch mit uns Entschlossenheit gezeigt: Er hat in Aussicht gestellt, das Zukunftsfinanzierungsgesetz II trotz der politischen Unsicherheiten in Teilen noch auf den Weg zu bringen. Zusammen mit der WIN-Initiative zeigt sich, dass wichtige Impulse für die Wettbewerbsfähigkeit gesetzt wurden. Jetzt kommt es darauf an, diesen Schwung zu nutzen und die verbleibenden Herausforderungen anzugehen. Sollte die CDU/CSU die nächsten Wahlen gewinnen, muss sie anschlussfähig sein. Für uns gilt, sicherzustellen, dass diese Erfolge nicht zurückgedreht, sondern weiterentwickelt werden. Genau darauf kommt es also an – und wir setzen alles daran, das in unseren Gesprächen mit den Verantwortlichen schon jetzt vorzubereiten. Dazu planen wir, in die Wahlkreise der relevanten Abgeordneten zu fahren.

VC Magazin: Wenn Sie sich für die Branche einen Kanzler und eine Koalition wünschen dürften – wer wäre Ihr Favorit?

Hinrichs: Für uns als Stimme der Beteiligungsbranche zählt nicht, welche Partei gerade das Ruder in der Hand hält – entscheidend sind die richtigen Rahmenbedingungen! Wir brauchen eine Politik, die Innovationen entfesselt, Investitionen beschleunigt und den Standort Deutschland fit für die Zukunft macht. Private Equity und Venture Capital sind keine Nischenakteure, sondern die treibenden Kräfte hinter Wachstum, Transformation und Nachhaltigkeit. Darum setzen wir auf einen konstruktiven Dialog mit der Politik -parteiunabhängig und lösungsorientiert. Gemeinsam können wir die Basis schaffen, die Deutschland braucht, um wirtschaftlich an der Spitze zu bleiben. Denn Fortschritt kennt keine Parteigrenzen!

VC Magazin 08/2024: Jetzt online!
VC Magazin 08/2024: Jetzt online!

VC Magazin: Sie haben kürzlich Ihre Kampagne „DAS NEUE KAPITAL“ gestartet. Was beinhaltet die Kampagne und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Hinrichs: „DAS NEUE KAPITAL“ ist ein echtes Herzensprojekt des BVK! Mit dieser Mitgliederkampagne möchten wir als Sprachrohr der gesamten Beteiligungsbranche die Bedeutung von Private Equity und Venture Capital für die wirtschaftliche Transformation Deutschlands hervorheben. Ziel ist es, deutlich zu machen, wie entscheidend das Engagement
unserer Branche für Innovation, Wachstum und nachhaltige Entwicklung hierzulande ist. Im Zentrum der Kampagne stehen sechs prägnante Claims, die wir Schritt für Schritt veröffentlichen. Sie spiegeln die Vielfalt unserer Branche wider, regen zum Nachdenken an – und bringen vielleicht auch ein Schmunzeln hervor. Unser Kampagnenfilm zeigt zudem, wie Beteiligungskapital in unterschiedlichsten Bereichen wirkt. Er verdeutlicht, dass Private Equity und Venture Capital weit über die reine Finanzierung hinausgehen. Sie bringen Expertise, Netzwerke und strategisches Know-how mit, um Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Anhand greifbarer Beispiele wird klar: Beteiligungskapital fördert Wachstum, Innovation und nachhaltige Entwicklungen. Unsere Botschaft ist eindeutig: Beteiligungskapital verwandelt ambitionierte Ideen in echte Erfolge und prägt so unseren Alltag maßgeblich.

VC Magazin: Sie waren mit Robert Habeck auf einer rein weiblichen Delegationsreise unterwegs. Wie wichtig sind solche Signale für die Stärkung der Frauen im Venture Capital- und Private Equity-Umfeld?

Hinrichs: Die Reise nach Lissabon war einfach mega! Diese Delegation – übrigens meine Idee, die ich über den Beirat Junge Digitale Wirtschaft eingebracht habe – war ein voller Erfolg. Die erste rein weibliche Delegation zum Web Summit war nicht nur ein starkes Signal, sondern auch ein echter Gewinn für die Vernetzung und Zusammenarbeit im Start-up-Bereich zwischen Deutschland und Portugal. Doch klar ist auch: Solche Reisen sollten keine Ausnahme bleiben! Es ist entscheidend, dass unsere Branche viel öfter bei solchen internationalen Delegationen vertreten ist – und dies gerne sowohl in rein weiblicher als auch in gemischter Besetzung. Als Stimme der deutschen Beteiligungsbranche liegt es uns am Herzen, Frauen gezielt zu fördern und sichtbar zu machen. Unsere Stärke liegt in der Vielfalt der Perspektiven, und die Sichtbarkeit von Frauen ist dabei ein Schlüssel. Sie inspiriert und motiviert – nicht nur uns, sondern vor allem die nächste Generation von Fach- und Führungskräften in der Branche. Mit unseren Veranstaltungen setzen wir daher bewusst auf Vernetzung und Plattformen, um Frauen zusammenzubringen und ihren Impact zu zeigen – denn nur mit Vielfalt und Zusammenarbeit können wir wirklich etwas bewegen!

VC Magazin: Was wünschen Sie sich persönlich für das kommende Jahr?

Hinrichs: Ich wünsche mir für das neue Jahr vor allem Frieden und Sicherheit – für uns alle, weltweit. In einer Zeit, in der Konflikte und Unsicherheiten zunehmen, wünsche ich mir, dass wir gemeinsam Wege finden, Brücken zu bauen, statt Mauern zu errichten. Persönlich hoffe ich auf Momente der Zuversicht und des Miteinanders, die uns zeigen, wie stark wir als Gemeinschaft sein können. Und natürlich wünsche ich mir auch die Kraft, selbst aktiv dazu beizutragen, dass Veränderung in Richtung einer sicheren und friedlichen Zukunft möglich wird.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Über die Interviewpartnerin:

Ulrike Hinrichs führt seit 2011 den Bundesverband Beteiligungskapital e.V. (BVK) als geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Sie ist außerdem Mitglied im Beirat der KfW Capital sowie im Mittelstandsnetzwerk des BMWK. Ebenso ist sie Mitglied im Beirat des Verbands Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB).