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Im laufenden Jahr haben im deutschen Technologiesektor erneut zahlreiche visible
M&A-Transaktionen stattgefunden, wenngleich die Anzahl der Deals aufgrund der
herausfordernden makroökonomischen Rahmenbedingungen spürbar niedriger als in
den sehr aktiven Vorjahren war.
Hierzulande fanden die meisten Deals im Softwarebereich statt. Erwähnenswert ist sicherlich die 10-Mrd.-USD-Übernahme von Altair durch Siemens. Mit dem Kauf der US-Firma will der Industriekonzern sein Softwaregeschäft stark ausbauen. Dieses Beispiel illustriert, dass Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen Techkompetenz dazukaufen, um technologisch nicht den Anschluss zu verlieren. Weitere aktive Subsektoren waren IT-Services, Cybersecurity, Data Analytics, E-Commerce, Cloud Computing, Data Center, Managed Services, Digital Media und Fintech. Gleichzeitig haben große internationale Konzerne strategisch wichtige Übernahmen in Deutschland getätigt. So hat die französische Vinci Gruppe die Übernahme von fernao für den Einstieg in den deutschsprachigen Cybersecuritymarkt genutzt. Auch Accenture baut seine Marktpräsenz hierzulande weiter aus, zum Beispiel durch die Übernahme der Mindcurv Gruppe.
KI auf dem Vormarsch
Zudem stießen Unternehmen mit KI-Expertise bei großen Techplayern wie SAP oder Datagroup auf starkes Übernahmeinteresse. Das Thema KI beschäftigt aber nicht nur den Software- und IT-Sektor, sondern ist auch für andere Branchen von großer Relevanz. So hat etwa das Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha mehr als 500 Mio. EUR von illustren Investoren – unter anderem Bosch, Deutsche Bank und dem Handelskonzern Schwarz-Gruppe – eingesammelt. Aleph Alpha entwickelt große Sprachmodelle, ähnlich wie das kalifornische Start-up OpenAI mit ChatGPT. Damit hat sich das Unternehmen als Deutschlands führender Entwickler von generativer KI für Anwendungsfälle in der öffentlichen Verwaltung und in der Industrie etabliert.
Techtreiber
Zahlreiche Treiber werden die Übernahmeaktivität bei Technologieunternehmen im kommenden Jahr beflügeln. Hiesige Techfirmen stehen damit vermehrt wieder ganz oben auf der Prioritätenliste globaler Konzerne und Finanzinvestoren. Zahlreiche Gespräche mit Unternehmen und Investoren sowie unsere aktuelle Mandatspipeline für das neue Jahr bestätigen diesen positiven Ausblick.
Megatrend Digitalisierung
Der Megatrend Digitalisierung eröffnet für Techunternehmen riesige Markt- und Wachstumschancen. Digitale, disruptive Geschäftsmodelle innovativer Unternehmen setzen sich mit einem irren Tempo erfolgreich gegen herkömmliche Ansätze der Old Economy durch. So sind Onlineshopping, Streamingdienste, Onlinelearning, Onlinegaming, Telemedizin, KI-Anwendungen, neue Bezahlungsverfahren oder Kryptowährungen quasi über Nacht Bestandteil unseres Alltags geworden.
Hohe Aktienkurse zwingen zu Übernahmen
Börsenbewertete Unternehmen werden ihre aktuell hohen Aktienkurse nur dann nachhaltig rechtfertigen können, wenn sie neben organischem Wachstum ebenfalls fest entschlossen externes Wachstum mit Akquisitionen angehen. Vor diesem Hintergrund realisieren Eigentümer von mittelgroßen Software-, IT- oder sonstigen Techunternehmen, dass ein Verkauf an einen großen ausländischen Strategen oder ein finanzkräftiges Private Equity-Haus nicht nur zusätzliche Wachstumschancen für die Zielgesellschaften darstellt, sondern ebenfalls sehr lukrativ sein kann.
Profitable Geschäftsmodelle im Fokus
Doch aller Euphorie zum Trotz: Es gibt auch Stolpersteine für Tech M&A. Hierzu gehören die zunehmende Regulierung inländischer Märkte, strengere Regelungen im Datenschutz sowie aufkommender Protektionismus bei strategisch wichtigen Technologien. Der Boom bei Tech M&A wird allerdings hierdurch nicht aufgehalten, da der technologische Wandel eine immer stärkere Eigendynamik entwickelt. Im Fokus des Geschehens werden jedoch primär Zielunternehmen stehen, die nicht nur zweistellige Wachstumsraten versprechen, sondern ihren neuen Eigentümern ebenfalls bereits heute eine hinreichende Profitabilität ausweisen können.
Über den Autor:
Dr. Michael R. Drill ist Deutschlandchef von Lincoln International, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 1.000 Mitarbeitenden, von denen sich rund 150 Banker ausschließlich mit M&A-Transaktionen im Technologiesektor befassen.