„Patienten nicht wieder in den Schwarzmarkt drängen“

Interview mit Albert Schwarzmeier (enua Pharma GmbH)

Albert Schwarzmeier (enua Pharma GmbH)
Albert Schwarzmeier (enua Pharma GmbH)

Bildnachweis: enua Pharma GmbH.

Das Kölner Medizinal-Cannabis-Unternehmen enua Pharma expandiert kräftig und hat jüngst die Schallmauer von 1.000 Partnerapotheken in ganz Deutschland durchbrochen. Vor allem die 2024 veränderte Cannabis-Gesetzgebung hat den Markt grundlegend gewandelt und vielen Patienten erstmals einen sicheren Zugang zu qualitativ hochwertigen Produkten für die Schmerztherapie ermöglicht. Im Interview erklärt CEO Albert Christian Schwarzmeier seine Wachstumspläne und formuliert in Richtung der neuen Bundesregierung eine unmissverständliche Botschaft: Medizin sollte Medizin bleiben. Warum aus seiner Sicht die medizinische Nutzung von Cannabis weiterhin klar von der Freizeitnutzung abgegrenzt und gesichert werden sollte.

VC Magazin: enua Pharma hat 2024 erstmals ein Umsatzniveau von 50 Mio. EUR erreicht – was waren die zentralen Wachstumstreiber, die zu diesem Erfolg geführt haben? Und können Sie erklären, wie sich das Umsatzniveau vom tatsächlichen Umsatz unterscheidet?

Schwarzmeier: Das Umsatzniveau beschreibt die extrapolierte Größenordnung unserer Umsätze Ende 2024 und reflektiert unser sehr dynamisches Wachstum, da wir innerhalb der letzten 12 Monate um Faktor 4 gewachsen sind. Damit drücken wir aus, welcher Umsatz sich aus unserem aktuellen Monatsumsatz hochgerechnet ergibt: Auf Basis des Umsatzes im Dezember von 4,3 Mio. EUR – in welchem enua über 1.000kg medizinisches Cannabis an die Apotheken bzw. Patienten absetzen konnte – ergibt sich ein hochgerechnetes Umsatzniveau von 50 Mio. EUR. Unser starkes und profitables Wachstum basiert auf mehreren zentralen Faktoren: Erstens haben wir unser Sortiment von 7 auf 30 medizinische Cannabissorten erweitert und gezielt auf die Bedürfnisse von Patienten und Apotheken abgestimmt. Zweitens haben wir unser Apothekennetzwerk massiv ausgebaut und die Anzahl unserer Partnerapotheken in Deutschland auf über 1.000 verdoppelt, wodurch wir eine flächendeckende Versorgung in Deutschland sicherstellen konnten. Drittens setzen wir auf eine datengetriebene Produktauswahl und Vertriebsstrategie, die uns erlaubt, sehr flexibel auf Marktentwicklungen zu reagieren und unsere Patienten stets zuverlässig mit den nachgefragten medizinischen Cannabissorten zu versorgen.

VC Magazin: Mit über 1.000 Partnerapotheken hat enua seine Marktpräsenz stark ausgebaut. Welche Rolle spielt diese Expansion für eure Wachstumsstrategie, und wie sieht die weitere Planung aus?

Schwarzmeier: Apotheken sind für uns der wichtigste Vertriebskanal, denn sie sind neben den Ärzten die zentrale Schnittstelle zu den Patienten und garantieren eine sichere Versorgung mit medizinischem Cannabis. Durch die enge Zusammenarbeit mit ihnen konnten wir die Marktdurchdringung signifikant steigern. Unser Ziel war und ist es, medizinisches Cannabis so breit wie möglich verfügbar zu machen, um Patienten eine wohnortnahe Versorgung zu ermöglichen. Für die Zukunft planen wir, unser Apothekennetz weiter auszubauen und verstärkt mit spezialisierten Apotheken zusammenzuarbeiten, die sich gezielt auf medizinisches Cannabis fokussieren. Zudem entwickeln wir digitale Lösungen und bauen unseren Apotheker B2B Shop weiter aus, um Apotheken nicht nur mit Produkten, sondern auch mit datenbasierten Services und Marktanalysen zu unterstützen, was die Effizienz und Transparenz im Vertrieb weiter erhöht.

VC Magazin: Die neue Cannabis-Gesetzgebung hat viele positive Veränderungen für Patienten und Anbieter gebracht. Welche Chancen hat die Marktöffnung für enua mit sich gebracht, und wo gibt es noch Potenzial für Optimierungen in der Regulierung?

Schwarzmeier: Die neue Cannabis-Gesetzgebung hat den Markt grundlegend verändert und vielen Patienten erstmals einen sicheren Zugang zu qualitativ hochwertigen Produkten für die Schmerztherapie ermöglicht. Die Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz reduziert den bürokratischen Aufwand und stärkt das Vertrauen der Patienten in medizinisches Cannabis, was zu einer deutlich gesteigerten Nachfrage führt und uns erlaubt, unser Sortiment strategisch auszubauen. Zudem hat die neue Cannabis- Gesetzgebung auch dafür gesorgt, dass viele Patienten endlich aus dem Schwarzmarkt in den legalen Markt wechseln konnten.

Gleichzeitig besteht noch Optimierungsbedarf: Der Verschreibungsprozess sollte effizienter gestaltet und vor allem auch bei Telemedizin-Angeboten einen noch stärkeren Schutz von Minderjährigen bieten. Zudem sind bei chronischen Schmerzpatienten eine stärkere Integration in Krankenkassenleistungen und mehr Förderung klinischer Studien wünschenswert, um das volle Potenzial von medizinischem Cannabis auszuschöpfen. Im Hinblick auf die die neue Regierung ist es wichtig, dass die politische Stabilität gewährleistet bleibt und medizinisches Cannabis nicht durch regulatorische Unsicherheiten gefährdet wird. Eine klare Abgrenzung zwischen medizinischer Nutzung und Freizeitgebrauch ist essenziell, um Patienten langfristig eine sichere Versorgung zu
garantieren. Wir dürfen gespannt sein, was die neue Regierung hier plant – sind da aber
zuversichtlich!

VC Magazin: enua setzt auf datengetriebene Produktausrichtung – wie genau helfen Ihnen Marktanalysen dabei, das Sortiment optimal auf die Bedürfnisse von Patienten und Apotheken abzustimmen?

Schwarzmeier: Daten sind für uns der Schlüssel zur erfolgreichen Sortimentsgestaltung im Sinne unserer Patienten. Durch kontinuierliche Marktanalysen können wir Absatztrends, Patientenpräferenzen und Apothekenfeedback auswerten und unsere Produktstrategie darauf abstimmen. Das ist essenziell – vor allem in dem Marktumfeld, in welchem wir uns zeitnah befinden werden in dem es mehr Angebot als Patienten-Nachfrage in Deutschland geben wird. Beispielsweise haben wir frühzeitig erkannt, dass bestimmte THC/Terpen-Kombinationen besonders von den Patienten nachgefragt werden, woraufhin wir gezielt neue Sorten wie Jet Fuel Gelato oder Pink Kush eingeführt haben. Unser Ziel ist es, nicht nur auf bestehende Nachfrage zu reagieren, sondern auch zukünftige Markttrends zu antizipieren und unser Portfolio proaktiv im Sinne unserer Patienten
weiterzuentwickeln.

VC Magazin: Mit Blick auf die Bundestagswahl: Welche politischen Entwicklungen sind für die Zukunft des Medizinal-Cannabis-Marktes entscheidend, und welche regulatorischen Rahmenbedingungen wünschen Sie sich von der nächsten Bundesregierung?

Schwarzmeier: Mein wichtigster Appell an die Politik lautet: Medizin bleibt Medizin! Die medizinische Nutzung von Cannabis muss weiterhin klar von der Freizeitnutzung abgegrenzt und gesichert werden, damit Patienten nicht wieder in den Schwarzmarkt gedrängt werden. Rechtliche Stabilität ist essenziell, damit die positiven Fortschritte, die wir in den letzten Monaten gemacht haben, nicht durch politische Unsicherheiten gefährdet werden. Ich wünsche mir zudem, dass Krankenkassen medizinisches Cannabis standardmäßig in ihre Leistungen aufnehmen, um Patienten den Zugang zu erleichtern. Gleichzeitig sollte die Forschung stärker gefördert werden, um die wissenschaftliche Basis für den medizinischen Einsatz von Cannabis weiter zu stärken. Umfassende klinische Studien würden dazu beitragen, die Akzeptanz in der Ärzteschaft und bei den Patienten weiter zu erhöhen und das Potenzial von medizinischem Cannabis in der Schmerztherapie noch besser auszuschöpfen.

VC Magazin: enua strebt für 2025 ein Umsatzniveau von über 100 Millionen Euro an. Welche strategischen Maßnahmen sollen dieses Wachstum ermöglichen, und welche Rolle spielt die „Fast Cannabis Plattform“ dabei?

Schwarzmeier: Erstens spielt für unsere Wachstumsstrategie 2025 die angesprochene „Fast Medical Cannabis Plattform“ eine zentrale Rolle. Diese wird dafür sorgen, dass wir bis Ende 2025 auf ein Umsatzniveau von über 100 Millionen Euro wachsen bei gleichzeitig zunehmender Profitabilität. Unsere Plattform besteht aus zwei Säulen – einer B2B-Säule und einer B2C-Säule. Im B2B-Bereich erweitern wir unser Portfolio gezielt: Neben unserer Eigenmarke enua integrieren wir weitere medizinische Cannabismarken für das Budget- und das Premiumsegment, um die unterschiedlichen Patientengruppen noch zielgerichteter anzusprechen.

Als weitere Säule wird die „Fast Medical Cannabis Plattform“ einen B2C-Marktplatz anbieten, auf dem Patienten mittels der Integration von 20 Partnerapotheken nicht nur verschiedene Marken und Cannabissorten – auch von anderen Marktteilnehmern – finden, sondern auch telemedizinische Beratungsmöglichkeiten nutzen können. Ziel ist es, den Zugang zu medizinischem Cannabis noch einfacher zu machen und Patienten eine umfassende, digitale und nachhaltige Lösung für ihre Therapie zu bieten.

Zweiter zentraler Bestandteil der enua-Wachstumsstrategie 2025 ist unser sehr datengetriebener Ansatz. Diese DNA ist das Fundament der „Fast Medical Cannabis Plattform“ und hilft uns im Sinne der Patienten agil auf Nachfrageveränderungen nach bestimmten Cannabissorten zu reagieren. Hierbei setzen wir auf eine enge Integration mit unseren Produzenten, einen kontinuierlichen, datengestützten Austausch mit den Apotheken und den gezielten Einsatz unserer Bestandsmanagementmodelle, um unser Angebot optimal an die Nachfrage der Patienten anzupassen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Interviewpartner:

Albert Schwarzmeier ist CEO der enua Pharma GmbH.