Dr. Neuhaus Techno Nord GmbH (Ausgabe 7/2002)

Ein Unternehmer wird zum Finanzier
„Um selbständig zu sein, braucht man drei Dinge: eine gute Ausbildung, Erfahrung und Geld“, weiß Dr. Gottfried Neuhaus schon seit vielen Jahren. Der studierte Wirtschaftsingenieur wollte von Anfang an Unternehmer sein, sammelte seine notwendigen beruflichen Erfahrungen aber als Assistent und Geschäftsführer eines Hamburger Hafenunternehmers. Im Alter von dreißig Jahren gründete er 1979 mit erspartem Geld ein eigenes Technologie-Unternehmen in seinem Wohnzimmer. Bis zum Verkauf an die französische Sagem im Jahre 1994 war die Dr. Neuhaus KGaA zu einem mittelständischen IT-Unternehmen mit einem Umsatz von knapp 40 Mio. Euro herangewachsen. Es folgten noch drei Jahre als Geschäftsführer und 1998 die Gründung der VC-Gesellschaft Dr. Neuhaus Techno Nord gemeinsam mit der Münchner Technologieholding GmbH.

Wieder allein Herr im Haus
Mittlerweile ist Dr. Neuhaus wieder ganz Herr im eigenen Haus, da er die zwischenzeitlich von der britischen 3i übernommenen Anteile der Technologieholding im Sommer 2001 wieder zurückkaufen konnte. Mit dem neuen Gesellschafter ergab sich eine regionale Konkurrenzsituation, so daß man sich entschloß, die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung einvernehmlich aufzulösen. Die Dr. Neuhaus Techno Nord betreut heute mit einem Team von sieben Investmentmanagern zwei eigene Fonds sowie die jeweiligen Parallelfonds der KfW, das Gesamtvolumen beträgt 71 Mio. Euro.

Realisierte Erfolge
Der 1998 mit der Technologieholding aufgelegte erste Fonds ist bis zum Jahr 2006 befristet und befindet sich in der Desinvestitionsphase. Noch während des VC- und Börsenbooms konnten zwei Exits – das Internet Auktionshaus Ricardo und das Software-Unternehmen Poet Holding – durch IPOs realisiert werden. Fünf Verkäufe von Portfolio-Unternehmen an strategische Investoren, eine stille Liquidation und drei Insolvenzen kamen bis heute hinzu. Durch die elf Exits konnten bei einem investierten Kapital von 13 Mio. Euro 32 Mio. Euro erlöst werden.

Liquidität zum richtigen Zeitpunkt
Die realisierten Erfolge im ersten Fonds halfen der Gesellschaft beim Fundraising für den neuen Fonds. Bei den Altinvestoren und bei institutionellen Anlegern konnten bis zum Closing Mitte des vergangenen Jahres insgesamt 52 Mio. Euro (einschließlich des Parallelfonds) eingeworben werden. Dr. Neuhaus sieht seine Gesellschaft damit wie schon vor vier Jahren in der günstigen Situation, mit vollen Taschen in einem von Vorsicht und Angst geprägten VC-Markt investieren zu können. An Erstrundenfinanzierungen trauen sich nur noch wenige Investoren heran, bei Zweitrundenfinanzierungen sieht es ein wenig besser aus. „Uns kommen die geringen Einstiegsbewertungen natürlich zugute. Mit dem gleichen Kapital können wir heute wesentlich höhere Anteile übernehmen. Wir denken, daß wir in den nächsten drei bis vier Jahren eine gute Performance aufweisen können“, gibt sich Dr. Neuhaus optimistisch. Dabei geht er durchaus davon aus, daß etwa ein Viertel seiner Investments in einer Pleite mündet: „Das gehört bei Venture Capital einfach dazu.“

Kaufe nur das, was Du verstehst
Charakteristisch für erfolgreiche Investoren legt die Dr. Neuhaus Techno Nord das Geld der Anleger nur in Firmen an, deren Produkte er und sein Team selbst verstehen und beurteilen können. So beschränkt man sich auf die Branchen Informationstechnologie und Kommunikationstechnik. Der Schwerpunkt liegt auf der Frühphasenfinanzierung, wobei allerdings Gründungsfinanzierungen in der Regel nicht angefaßt werden. Das Investitionsvolumen liegt im Durchschnitt bei 2 Mio. Euro. Größter Wert wird auf die persönlichen Qualitäten der Unternehmer gelegt, Dr. Neuhaus sucht Menschen, die eine gute Ausbildung haben, ihren Beruf mit unermüdlichem Fleiß ausüben und bei allem Druck des Tagesgeschäfts zu einem guten und fairen Umgang mit Geschäftspartnern und Mitarbeitern in der Lage sind. Gleichzeitig ist die Bewertung der menschlichen Qualitäten für ihn der schwierigste Teil des Auswahlprozesses.

Focussierung im Team und in den Investments 
Dem geäußerten Optimismus entsprechend hat man im Jahr 2001 vier Finanzierungsrunden mit einem Volumen von zusammen 11 Mio. Euro abgeschlossen. Die Investitionsentscheidungen der Gesellschaft sind das Ergebnis eines Due Diligence-Prozesses, der aus jährlich mehr als 600 vorgelegten Businessplänen eine Hand voll Investments herausfiltert. Dr. Neuhaus stützt sich dabei auf sein Team von Investmentmanagern, darunter fünf Ingenieure und zwei Kaufleute mit technischer Orientierung. Die Ausbildung des Teams stellt eine qualifizierte Selektion und die kompetente laufende Betreuung der  Beteiligungen sicher. „Da wir uns auf den Early Stage-Bereich konzentrieren, ist das Geschäft zwangsläufig sehr beratungsintensiv.“

Das Geschäft wird sich normalisieren
Nach seiner Einschätzung sollte sich der VC-Markt schon bald normalisieren: „Die Investoren verhalten sich zyklisch: Das Interesse und Vertrauen in den Risikokapitalmarkt wird wiederkommen“, ist er sich sicher. Das gelte auch für den Exit-Kanal Börseneinführung. Die Liquidität sei im VC-Markt im übrigen jetzt schon da. Zwar seien neue Fundraisings praktisch unmöglich, doch in bestehenden Fonds warten derzeit noch ca. 6 Mrd. Euro auf die Anlage. Langfristig werde sich Venture Capital in Deutschland als normale Anlagekategorie etablieren: Wie in den USA und einigen europäischen Ländern werden Pensionsfonds einen kleinen Prozentsatz für Risikokapital reservieren, was die Zyklen des Marktes abschwächen und zu einer fortschreitenden Professionalisierung führen sollte.

Ralf Thielemann

Investitionskriterien
– IT oder Kommunikationstechnik
– Technologievorsprung
– Signifikante technologische Verbesserung
– Genügend großer und schnell wachsender Absatzmarkt
– Ausgezeichnetes Management
– Volumen 0,5 bis 3 Mio. Euro
– Minderheitsbeteiligung
– Frühphasenfinanzierung