Venture Capital vom Versorger
Beim Börsengang im Jahr 1999 hatte sich die MVV Energie AG mit einer Wachstumsstory präsentiert, die auf drei Säulen aufgebaut war. Durch die Übernahme von Stadtwerken sollte das inländische Verteilungs- und Dienstleistungsgeschäft ausgebaut werden, im Ausland sollten selektiv nach Sparten Zukäufe erfolgen, und durch Investments in junge Technologie-Unternehmen sollten neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Für die Investments in junge Unternehmen wurde schließlich im Jahr 2001 ein CVC-Fonds mit 40 Mio. Euro Eigenkapital aufgelegt. Vier Beteiligungen, die seit 1999 eingegangen worden waren, brachte die MVV als Sacheinlage ein. Als Komplementärin und Managementgesellschaft gründeten Christofer Dittmar, Matthias Helfrich und Markus Rist die ACCERA Venture Partners, deren alleinige Aktionäre und Vorstände sie sind. Zuvor waren sie unter anderem in der Konzernentwicklung und im Bereich M&A des Mannheimer Versorgers tätig.
Synergien und Rendite generieren
Ziel des CVC-Fonds ist sowohl die Generierung von Synergien mit dem bestehenden Geschäft der MVV als auch die Erzielung einer VC-Kriterien genügenden Rendite. „Wir wollen Win-Win-Situationen schaffen“, sagt Dittmar. Für die Dienstleistungssparte der MVV sind innovative Produkte interessant, um sich im harten Wettbewerb der Branche zu differenzieren und das eigene Wachstum voranzutreiben. Gleichzeitig bietet das Dienstleistungsgeschäft (z.B. das Contracting oder die Planung von Photovoltaikanlagen und Windparks) der MVV den jungen Unternehmen die Gelegenheit, ihre Produkte schneller zu vermarkten. So entstand einerseits das Geschäftsfeld erneuerbare Energien, in das die MVV dreistellige Millionenbeträge investiert. Andererseits konnte z.B. bei der DeWind AG, einem Hersteller von Windkraftwerken, der Umsatz während der Dauer der Beteiligung auf rund 100 Mio. Euro mehr als versechsfacht werden, bevor der Trade Sale an den britischen Elektronikkonzern FKI erfolgte.
Vorzugsweise in existierende Märkte investieren
Der Investitionsbereich von ACCERA umfaßt das ganze Spektrum von dezentralen und erneuerbaren Energien, Energieverteilung und Speicherung, IT/Telekommunikation und Services, Umwelt und Entsorgung sowie Wasseraufbereitung und -analyse. „Interessant sind insbesondere Unternehmen, die für einen existierenden Markt neue Lösungen, also eine neue Qualität oder Kostensenkungen bieten“, präzisiert Dittmar das Anforderungsprofil. Ein Beispiel aus dem Beteiligungsportfolio ist das amerikanische Unternehmen Pentadyne, das einen Hochgeschwindigkeits-Schwungmassenspeicher entwickelt hat, der Computersysteme und Industrieroboter vor Stromschwankungen und -ausfällen schützen kann. Die Schwungspeicher können in dieser Funktion Batterien ersetzen, die weniger zuverlässig und umweltkritischer sind. Der relevante Markt beträgt allein in den USA ca. 1 Mrd. US-$.
Lange Reifephasen der Investments
Hinsichtlich der Investitionsphase ist von Gründungsfinanzierungen bis hin zu Investments in börsennotierte Unternehmen alles möglich. „Die Produktentwicklungen im Energiebereich sind von langen Entwicklungszeiträumen und hohem Kapitalbedarf gekennzeichnet“, erläutert Helfrich: „Daher müssen wir als Investor auf eine ausreichende Streuung hinsichtlich der Investitionsphase achten.“ Der Schwerpunkt liegt aber auf der Expansionsfinanzierung. Um die Investitionssummen und Folgefinanzierungen schultern zu können, sucht sich ACCERA geeignete Konsortialpartner. Dafür kommen sowohl reine Finanzinvestoren als auch andere Corporate VCs in Frage. „Die Venture Capital-Szene ist im Energiebereich relativ klein, da lernt man seine potentiellen Partner sehr gut kennen“, ergänzt Rist. „In Deutschland gibt es eine Handvoll aktive Investoren, weltweit sind es vielleicht 30. Dabei ist der Anteil der Corporate VCs relativ hoch.“
Die Besonderheiten des Energiesektors
Mit seiner relativ geringen Anzahl von Investoren, der starken Rolle von Unternehmen der Branche und der relativ langen und hohen Kapitalbindung der Investments ist der Energiebereich ein Sonderfall der VC-Branche und den Zyklen des Geschäfts nicht im gleichen Maße ausgeliefert wie andere Sparten. „Die Investoren sind auch heute noch mit Liquidität und Commitment ausgestattet“, sagt Dittmar. Erfolgreiche Unternehmen werden von den branchenkundigen Investoren oftmals „gemacht“, und zwar durch intensive, langfristige Unterstützung im Management und beim Markteintritt. Dementsprechend intensiv arbeitet ACCERA auch mit den gehaltenen Beteiligungen zusammen und fördert die Kooperation mit der MVV.
Parallelfonds werden aufgelegt
Bereits bei der Gründung der ACCERA war die Auflegung von Parallelfonds mit externen Investoren geplant. Im weiteren Verlauf dieses Jahres sollen die Vorbereitungen abgeschlossen und im nächsten Jahr Investoren angesprochen werden. „Wir wollen erst einmal den ersten Fonds investieren und einen Track Record ausbauen, bevor wir uns um neues Geld bemühen“, so Dittmar. Das Vorstandsteam von Accera ist überzeugt, daß die Investitionsgelegenheiten in ihrem Feld nicht knapp werden. Der Energiesektor wandelt sich weltweit von einer regulierten Branche mit geringem Innovationsgrad und wenig Marktorientierung zu einem normalen, wettbewerbsintensiven Geschäft. Das Erfordernis einer umwelt- und ressourcenschonenden Energiewirtschaft bringt zusätzlichen Schwung und technologiegetriebene Veränderung. Gleichzeitig müssen viele Unternehmen der Branche erst noch eine Innovationskultur aufbauen. Es gilt also, eine Verbindung zwischen den Traditionsunternehmen und den jungen Technologiefirmen herzustellen . Das ist eine typische Aufgabe für Corporate Venture Capital.
Ralf Thielemann
Kriterien der ACCERA Venture Partners AG für Investments der MVV Innovationsportfolio AG & Co. KgaA
– Energie- und Versorgungstechnologien
– weltweit
– alle Investitionsphasen
– in der Regel 0,5 bis 5 Mio. Euro Investitionssumme
– direkte Beteiligung
– Minderheitsbeteiligung