VC Magazin: Die Loewe AG ist beim Ranking der Universität Bremen und von BBDO Consulting als „Deutschlands marktorientiertestes Unternehmen“ ausgezeichnet worden. Wofür genau?
Hecker: Die Wissenschaftler lobten, wie rasch und zielgruppengerecht Loewe sein Sortiment von Bildröhren-Geräten zu flachen Geräten umorientiert hat. Wir haben das vor allem in zwei Jahren, 2003 und 2004, durchgeführt. Zweitens würdigte die Jury die starke Ausrichtung des gesamten Unternehmens an der Premiummarke Loewe. Bei uns hat die Marketingabteilung eine zentrale Stellung. Anstatt nach Lücken zu suchen, welche Produkte der Markt noch verträgt, forschen wir sehr genau, welche Kunden neue Loewe-Geräte kaufen würden.
VC Magazin: Wie machen Sie das?
Hecker: Unsere Marktforschung reicht von Handels- und Endkundenbefragungen über GfK-Analysen bis zu Sigma-Zielgruppenanalysen. Auf Basis so festgestellter Kundenbedürfnisse entwickeln wir unsere neuen Geräte. Wir etablieren die Marke mit vielen Maßnahmen, von der Präsentation im Fachgeschäft bis zum Loewe Handelssenat. In ihn wählen alle Loewe-Händler sieben Fachhändler, mit denen wir dann intensiv alle Fragen diskutieren, vom Sortiment über Marketingmaßnahmen bis zum richtigen Preis. Außerdem nutzen wir das Instrument des Paten von Händlern, d. h. ein Vorstand oder Bereichsleiter besucht persönlich jeweils zwei Händler in regelmäßigen Abständen, um Erfahrungen auszutauschen.
VC Magazin: Entstehen dabei aus den Vorschlägen konkrete Produkte?
Hecker: Produktentwicklung wird natürlich bei uns im Haus gemacht. Aber Anregungen des Handelssenats fließen mit ein. Beispielsweise kam dadurch im vergangenen Jahr ein DVD-Rekorder mit integrierter Festplatte ins Sortiment.
VC Magazin: Werden bei elektronischen Unterhaltungsgeräten die Margen nicht immer enger und damit Ihre Geschäftsaussichten trüber?
Hecker: Die Branche leidet nach wie vor unter einem starken Preisverfall und sinkenden Margen. Loewe kann sich jedoch durch hochwertige Produkte von dieser Entwicklung nahezu abkoppeln. Die Aussichten für Flachbildschirmproduzenten und insbesondere für Loewe sind sehr gut. Im Premiumsegment – das sind Geräte, die zu 50% und mehr über dem Marktdurchschnittspreis liegen – werden unserer Erfahrung nach nur noch Flachbildschirme gekauft. Gleichzeitig liegt die Marktabdeckung mit Flachbildschirmen erst bei 15%.
VC Magazin: Bahnbrechende Innovationen hat Loewe nur bis 1961 entwickelt. Bei welchen Neuerungen könnte Loewe wieder eine ähnliche Schubkraft entwickeln wie bei frühen Erfindungen?
Hecker: Heute liegt die Innovation mehr in der Anwendungsorientierung. Der integrierte Festplattenrekorder, der auch hoch auflösende Sendungen aufzeichnen kann, ist eine Weltneuheit von Loewe. 170 Designpreise und zahlreiche Testsiege sowie eine Reihe von sinnvollen Nutzenvorteilen wie das einfache Steuern der Heimkino-Anlage mit einer einzigen Loewe-Fernbedienung belegen unsere innovative Schubkraft.
VC Magazin: Und welche neuen digitalen Anwendungen werden den Markt antreiben?
Hecker: Alle Anwendungen, die das Fernsehgerät mit dem PC verbinden. Denn digitale Anwendungen wie das Herunterladen von Video, Audio oder digitales Fotografieren und Filmen fördern den Wunsch, alles auch auf dem TV-Gerät einfach und vielfältig zu nutzen. Der Fernseher wird so noch mehr zum intelligenten Medienzentrum. Neue digitale Anwendungen betreffen aber auch den ins TV-Gerät integrierten Festplattenrekorder. Mit einem Druck auf die Fernbedienung können Sie den Film anhalten, im Hintergrund aufzeichnen und nach der Unterbrechung mit Knopfdruck an der gleichen Stelle weiterschauen. Währenddessen zeichnet der Festplattenrecorder zeitversetzt weiter auf. Für solche Anwendungen machen wir Pre-Tests z. B. mit der TU Ilmenau.
VC Magazin: Über die Hälfte des Umsatzes erzielt Loewe auf internationalen Märkten, was kennzeichnet die internationale Strategie von Loewe?
Hecker: Heute liegt unser Auslandsumsatz bei gut 50%. Mittelfristig wollen wir ihn auf 60% erhöhen. Erst im Mai haben wir im größten europäischen Unterhaltungselektronikmarkt Großbritannien unsere fünfte Tochtergesellschaft eröffnet. In allen europäischen Metropolen investieren wir in Shop-in-Shop-Systeme beim qualifizierten Fachhandel und bauen zudem weiterhin neue Leuchtturm-Stores auf, demnächst z. B. in Paris, Wien oder St. Petersburg. Bei diesen Geschäften liefern wir das komplette Einrichtungs- und Vermarktungskonzept an Händler, die dann schwerpunktmäßig Loewe verkaufen. Das erhöht nach unseren Erfahrungen die Umsätze in einem Jahr um bis zu 40%.
VC Magazin: In welchem Fall würde Private Equity für Loewe relevant?
Hecker: Neben dem Loewe Management ist Sharp mit knapp 29% der Anteile größter Einzelaktionär. Wir haben seit 2000 mit Sharp eine Entwicklungskooperation. Sharp fertigt für uns flache Displays, wir bieten Sharp Elektronik-Know-how. In den schwierigen Umsatzjahren 2003 und 2004 hat Sharp uns mit zwei Kapitalerhöhungen geholfen. Heute besitzen wir eine gute Eigenkapitalbasis und eine solide Finanzierungsstruktur. Ein Private Equity-Unternehmen oder andere institutionelle Investoren könnten durchaus die internationale Wachstumsstrategie von Loewe begleiten und fördern. Gerade die Metropolen in Indien oder China könnten für uns interessante Märkte werden.
VC Magazin: Auf welche Bereiche in Ihrem Sektor sollten Venture Capital-Unternehmen setzen?
Hecker: Wir sehen gerade, dass drei bisher voneinander getrennte Industriebereiche immer mehr zusammenwachsen, also Telekommunikation, Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie. Jetzt gilt es, intuitive „Killer-Anwendungen“ zu entwickeln, die die Funktionen aller drei Bereiche auf einem Fernsehgerät nutzbar machen. Das geht von der intelligenten Speicherung der Daten im Fernsehgerät, seien es Internet-Filme oder Anrufe, bis hin vor allem zu den Software-Anwendungen. Das intelligente Vernetzen von Fernsehen und Internet wird immer wichtiger werden. Beispiel: alle Anwendungen, durch die Sie während der Werbezeiten den Fernseher für anderes nutzen, um z. B. Karten zu reservieren oder aber ein Spiel mit hoch auflösender Bildqualität zu spielen.
VC Magazin: In dem Film Minority Report arbeitet Tom Cruise mit einem Bildschirm, der durch Gase ein Bild in den Raum projiziert; wann wird eine solche Technik Realität sein?
Hecker: Das ist ferne Zukunft. In den nächsten Jahren werden superflache Bildschirme in sogenannter OLED-Technologie verstärkt auf den Markt kommen. Auf jeden Fall wird die Bild- und Klangqualität ein immer perfekteres Kinoerlebnis vermitteln und die Verbindung mit anderen Geräten im Haushalt ganz neue Perspektiven eröffnen. Wichtig dabei sind einfache Steuerung und perfekte Integration in die Wohnlandschaft.
Das Interview führte Georg von Stein.
Zum Gesprächspartner
Dr. Rainer Hecker ist Vorsitzender des Vorstandes der Loewe AG. Mit knapp 15% der Anteile ist er wesentlich am Unternehmen beteiligt. Nach Stationen bei Philips kam Hecker 1982 zu Loewe und übernahm 1990 den Vorsitz der Geschäftsführung.