„Powerpoint verhindert den Energiefluss zwischen Redner und Publikum“

VC-Magazin: Was ist der größte Fehler beim Präsentieren?

Pöhm: Der größte Fehler ist: Sie benutzen Powerpoint. Powerpoint verhindert den Energiefluss zwischen Redner und Publikum. Aufmerksamkeit wird dividiert anstatt fokussiert. Spannung wird verhindert, weil ich schon vorher lesen kann, was der Redner gleich sprechen wird. Emotionen können so nicht entstehen. Sie können alles, was normalerweise in Powerpoint gezeigt wird, mit fünf Mal größerer Wirkung auf einem Flipchart darstellen. Der zweite Fehler ist ein Irrtum, der sich in den Köpfen fast aller Präsentatoren hält: Wenn Sie ein tolles Umsatzergebnis erreicht haben, reicht es nicht, das einfach nur zu erwähnen. Sie müssen das Publikum miterleben lassen, wie es zu diesem tollen Ergebnis gekommen ist. Mit allen Schwierigkeiten, Plänen, Rückschlägen, falschen Erwartungen. Dann ziehen Sie den Moment, wo Sie das Ergebnis erfahren haben, dramatisch verlangsamt in Zeitlupe auseinander. Damit erzeugen Sie eine Highlight-Wirkung. Nicht das Ergebnis bringt die Wirkung, sondern es ist das Erschaffen des Ergebnisses vor den Augen und Ohren des Publikums. Der dritte Fehler: Die meisten Manager reden unkonkret. Was will ich mit folgender Aussage anfangen: „Unser Angebot hat das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Solche Aussagen erzeugen keine Bilder in den Köpfen der Zuhörer, weil sie unkonkret sind. Das Hirn will Bilder, das Hirn will Zahlen. Nehmen wir eine Aussage wie „Unsere Produkteinführung war ein großer Erfolg“ und machen Sie daraus konkret: „Wir hatten uns mit unserem neuen Produkt XR3 im ersten Monat 500 verkaufte Exemplare zum Ziel gesetzt. Wir haben das Ziel nicht erreicht. Tatsächlich waren es – mit einer Kunstpause, bevor die Zahl genannt wird – 3.850 verkaufte Exemplare!“ Das hat eine völlig andere, eine viel größere Wirkung.

 

VC-Magazin: Sie empfehlen „AAAA“: anders als alle anderen reden. Geben Sie mir ein Beispiel, wie man das in der Finanzbranche macht?

Pöhm: Gehen Sie auf die Bühne, schauen Sie schweigend ins Publikum, nehmen langsam ihren Geldbeutel heraus, öffnen ihn, schauen hinein und sagen: „Der größte Schein, den ich hier in meinem Geldbeutel habe, ist 500 Euro.“ Sie holen den Euro-Schein heraus, halten ihn ins Publikum, greifen in die linke Jacketttasche und holen ihr Feuerzeug heraus. Jetzt beginnen sie langsam, den 500 Euro-Schein der Flamme näher zu halten. Sobald der Euro-Schein Feuer gefangen hat, werfen Sie ihn auf den Boden, treten darauf und sagen: „Das ist das, was wir im Moment in unserer Firma tun: Wir verbrennen Geld!“

 

VC-Magazin: Wie kann man eine stark von Finanzzahlen geprägte Präsentation spannender gestalten?

Pöhm: Lassen Sie von den 35 Zahlen zunächst einmal 32 weg und konzentrieren Sie sich nur auf die drei wirklich interessanten Zahlen. Es sind meistens die Zahlen, die sich überraschenderweise nach oben entwickelt haben, und die, die deutlich tiefer als erwartet sind. Diese Zahlen verkünden Sie dem Publikum. Am besten schreiben Sie sie auf einen Flipchart. Die Intonation ist dabei sehr wichtig. Wie das genau geht, zeige ich in meinen Seminaren.

 

VC-Magazin: Sie empfehlen, Wirksprache zu verwenden. Was bedeutet Wirksprache insbesondere für die Präsentierenden in der Finanzwelt?

Pöhm: 18.5.2004. Ich sitze in meinem Büro. Ich schalte den Computer an. Wie jeden Tag gehe ich in das Programm mit den aktuellen Aktienkursen. Ich klicke wie mechanisch auf unseren Fonds. Aber heute bleiben meine Augen wie gebannt auf dem Bildschirm kleben. Unglaublich! Fünf Jahre haben wir auf diesen Moment gewartet. Wir müssen handeln. Ich nehme den Telefonhörer, wähle eine Nummer. Am anderen Ende meldet sich ein Mann mit einem englischen Akzent. Ich sage ihm: „Herr Becker. Das lange Warten hat sich gelohnt. Mit heutigem Tag hat sich Ihr Geld verfünffacht!“ Das war Wirksprache. Sie lassen den Zuhörer in Bildern möglichst konkret eine Situation miterleben. Damit sind Sie direkt im unterbewussten Bereich Ihrer Zuhörer. Das ist wichtig, denn dort werden alle Entscheidungen gefällt.

 

VC-Magazin: Was ist eine rhetorische Wirkfrage?

Pöhm: Ich habe folgendes herausgefunden: Eine rhetorische Frage, so wie sie am häufigsten benutzt wird, hat fast keine Wirkung. Sie klingt dann in etwa so: „Wir saßen zusammen im Meeting. Und was haben wir gesprochen? Wir haben die neue Finanzstrategie besprochen.“ Es wird eine Frage gestellt und dann – wie spannend – danach gleich beantwortet. Das wirkt langweilig und tötet die Spannung. Um diese Art der Frage von den hochwirksamen rhetorischen Fragen zu unterscheiden, habe ich die rhetorische Wirkfrage kreiert. Die klingt dann so: „Wollen Sie morgen früh in der Zeitung lesen, dass Sie der Hauptverantwortliche für den Untergang der Firma sind?“ So eine Frage bohrt sich in die Herzen der Zuhörer. Machen Sie mit Ihren Fragen betroffen. Nur deshalb wirken sie.

 

VC-Magazin: Sie sagen, bei Hand-Hoch-Abstimmungen sollte man lieber durchs Klofenster einsteigen, als durch das Hauptportal gehen. Was bedeutet das?

Pöhm: Es ist zunächst einmal wichtig zu wissen, was eine Hand-Hoch-Abstimmung überhaupt ist. Sie stellen sich vor das Publikum und fragen: „Wer von ihnen hatte schon einmal einen Computervirus auf seinem System? Hand hoch.“ Jetzt hebt der Großteil der Anwesenden im Publikum seine Hand. Eine Riesenneugier entsteht, was der Redner dazu zu sagen hat. Viele Redner machen den Fehler, dass sie eine Frage zu platt und zu direkt stellen. Nehmen wir an, Sie sind Finanzberater und haben ein Publikum von wohlhabenden Unternehmern vor sich, und jetzt fragen Sie: „Wer von Ihnen will mehr Rendite haben? Hand hoch.“ Das ist das Hauptportal, das ist das Nahe liegende, das ist zu platt. Stellen Sie Hand-Hoch-Abstimmungen besser zu einem Nebenthema und leiten dann zum Hauptthema weiter. Das wirkt viel eleganter. Zum Beispiel: „Wer von Ihnen hatte schon einmal im Lotto gewonnen? Hand hoch.“ Und dann: „Das, was viele Menschen bei ihren Finanzinvestitionen machen, gleicht dem Kauf eines Lotterieloses.“ Erst jetzt fährt der Redner mit seinen Betrachtungen fort. Das ist ein Einstieg über ein Nebenfenster, ich nenne es das Klofenster. Das wirkt viel eleganter als der Einstieg über das Hauptportal.

 

VC-Magazin: Sie empfehlen Präsentierenden anonymes Reden. Was meinen Sie damit?

Pöhm: Sie reden z. B. über einen Menschen, erzählen die Geschichte dieses Menschen, ohne zu erwähnen, wer dieser Mensch ist. Ständig sprechen Sie von diesem Menschen. Sie erzählen seine Biografie, seine Niederlagen, und den Moment, wo er sich mit einer neuen Erfindung selbstständig gemacht hat. Und wie diese Erfindung trotz Niederlagen zu einem Riesenerfolg geworden ist. Zum Schluss sagen Sie: „Ich habe Achtung vor diesem Menschen, dieser Mensch bin ich!“ Anonymes Reden besteht darin, dass man von irgendeinem Objekt erzählt, aber dieses Objekt einfach nicht verrät. Dadurch entsteht eine gigantische Spannung. Und Spannung ist das, was den meisten Präsentationen heutzutage fehlt.                       

 

Georg von Stein

 

Zum Gesprächspartner  

Matthias Pöhm zählt zur Elite der deutschen Rhetoriktrainer. Sein Bestseller „Nicht auf den Mund gefallen!“ ist das am meisten verkaufte Buch zum Thema Schlagfertigkeit im deutschsprachigen Raum. Weitere Titel von ihm sind „Vergessen Sie alles über Rhetorik“ oder „Präsentieren Sie noch oder faszinieren Sie schon? Der Irrtum Powerpoint“. Er ist Stiftungsrat in der Stiftung Menschen für Menschen von Karlheinz Böhm.