„Klassische Zuschussförderung zementiert Wettbewerbsnachteile“

VC-Magazin: Wie würden Sie Hannover und die Rhein-Ruhr-Region miteinander vergleichen?

Lubert: Sowohl in Hannover als auch im mittleren Ruhrgebiet sehen wir enorm hohe Technologiepotenziale. Im Gegensatz zu Hannover arbeiten in der Metropolregion Ruhr jedoch viele einzelne Städte und Teilregionen weitgehend autonom und stehen in gewisser Weise auch im Wettbewerb zueinander. Insofern ist es etwas einfacher, in Hannover die Kräfte zu bündeln.

Meyer: Die Region Hannover besteht zwar aus 21 Kommunen und Gemeinden, über die von allen getragene Gesellschaft hannoverimpuls sprechen sie aber mit einer Stimme bei der Unterstützung und Entwicklung von Hightech-Gründungen und Unternehmen.

 

VC-Magazin: Welche Schwachstellen gibt es denn in Hannover?

Meyer: Der Nachteil der Region für die Unternehmen war bisher, dass lokale Beteiligungskapitalgeber gerade für Hochschulausgründungen schlicht nicht vorhanden waren. Ein generelles, nicht Hannover-spezifisches Problem ist das Fehlen von Kapital in der Pre-Seedphase. Hier setzen die Aktivitäten von hannoverimpuls an.

 

VC-Magazin: Welche Rolle spielt die Klassifizierung von Hannover als Ziel 2-Förderregion durch die EU?

Meyer: Das ist eine große Chance für Hannover. Der Geldstrom, der aus diesem Topf bisher nach Niedersachsen geflossen ist, kommt nun auch in Hannover an. In der von 2007 bis 2013 laufenden Förderperiode profitieren wir damit erstmals von diesen Mitteln, beispielsweise durch zwölf Mio. Euro EU-Mittel, die in unseren Beteiligungsfonds fließen werden.

 

VC-Magazin: Würden Sie angehenden Unternehmen generell empfehlen, in einer EU-geförderten Region zu gründen?

Meyer: Nein, das kann nur einen kleinen Baustein in dem Entscheidungsprozess für einen Standort ausmachen. Letztendlich sind die Rahmenbedingungen insgesamt das wichtige Kriterium, vor allem die Infrastruktur aus Hochschulen und die Nähe zu anderen technologieorientierten Unternehmen. Die alleinige Fokussierung auf öffentliche Fördermittel ist weder für das Unternehmen noch für den Standort gesund.

 

VC-Magazin: 2006 ist zunächst der mit 500.000 Euro ausgestattete hannover innovation fonds gestartet, der 2007 auf drei Mio. Euro aufgestockt wurde. Wurden Ihre Erwartungen bisher erfüllt?

Lubert: Wir sind mit dem bisher Erreichten sehr zufrieden. Wir haben bereits drei Beteiligungen abgeschlossen, eine vierte befindet sich derzeit in der Umsetzung. Gut zehn Projekte befinden sich darüber hinaus in konkreter Prüfung.

 

VC-Magazin: Im August dieses Jahres soll der Hannover Beteiligung Fonds hinzukommen, dessen Zielgröße bei 24 Mio. Euro liegt. Fondsmanager ist ebenfalls enjoyventure. Besteht da kein Konfliktpotenzial, wenn enjoyventure selbst einen neuen Fonds auflegen sollte?

Meyer: Wir investieren grundsätzlich nur dort, wo wir nicht in Konkurrenz zu den bestehenden Venture Capital-Gesellschaften stehen. In diesen frühen Phasen gibt es aber kaum privates Geld. Wenn enjoyventure oder ein anderer privater VC in Hannover investieren möchte, lassen wir ihnen den Vortritt. Hannoverimpuls selbst will ja in letzter Konsequenz  keine Renditemaximierung betreiben, sondern Arbeitsplätze schaffen.

 

VC-Magazin: Hannoverimpuls ist zunächst auf zehn Jahre ausgelegt – im April 2008 war sozusagen Halbzeit. Messen Sie den Erfolg von hannoverimpuls insgesamt in Arbeitsplätzen?

Meyer: Ja! Und wir merken, dass wir auf dem richtigen Weg sind, weil es uns gelingt, Technologiepotenziale zu identifizieren, deren Umsetzung in Unternehmen zu begleiten, zu unterstützen und, was entscheidend ist, sie auch in Hannover zu halten. Unsere Aufgabe ist es, bis Ende 2012 28.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu ist die Frühphasenfinanzierung ein sehr wichtiger Baustein. Bis Ende 2007 haben wir bereits rund 9.000 Arbeitsplätze geschaffen und liegen damit über dem Soll gemäß Planung von 7.500.

 

VC-Magazin: Wie sollte ein Gründer vorgehen, wenn er sich für Ihr Finanzierungsangebot interessiert?

Lubert: Für den hannover innovation fonds als auch für den geplanten Hannover Beteiligung Fonds werden die Investitionsentscheidungen grundsätzlich auf der gleichen Basis wie für einen privaten VC-Fonds getroffen. Wir erwarten einen Businessplan, ein überzeugendes Konzept mit einem skalierbaren Geschäftsmodell und ein gutes, engagiertes Team. Besondere Konzentration liegt auf den sechs Fokusbranchen von hannoverimpuls: Automotive, optische Technologien, I&K, Life Science, Gesundheit und Energiewirtschaft, aber wir können auch in anderen Feldern investieren.

 

VC-Magazin: Was planen Sie Neues für die nächsten Jahre?

Meyer: Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsförderung und Hochschulen im Thema Hochschulausgründungen weiter verbessern. Dazu initiieren wir gerade gemeinsam mit der Leibniz-Universität ein Projekt namens Business Accelerator, in dessen Rahmen wir gemeinsam mit Professoren auf persönliche Empfehlungen hin Gründerteams in den Universitäten bilden wollen. Ähnlich wie in einem Inkubator sollen dabei Geschäftsideen in einer ganz frühen Phase unter enger Betreuung entwickelt werden. Das ist meines Wissens eine in Deutschland einmalige Initiative.

 

VC-Magazin: Was muss sich in Deutschland ändern, damit der Standort noch attraktiver für Gründer wird?

Meyer: Grundsätzlich muss in Deutschland die Unternehmensgründung stärker als berufliche Option ins Bewusstsein rücken. Noch immer ist vielen die Selbstständigkeit suspekt, diskutiert werden mehr die Risiken als die Chancen. Notwendig hierzu ist z. B., dass unternehmerisches Denken stärker in schulische und universitäre Lehrpläne fließt. Aber wir beobachten hier eine langsame, aber stetige Veränderung. Weiterhin würde ich mir wünschen, dass es uns gelingt, von der klassischen Zuschuss- und Benachteiligtenförderung wegzukommen und mehr revolvierende Systeme aufzulegen. Klassische Zuschussförderung zementiert eigentlich immer Wettbewerbsnachteile und etabliert eine entwicklungsschädliche Subventionsmentalität.

 

VC-Magazin: Sind Sie denn mit der Qualität der Gründer und ihren Ideen zufrieden?

Lubert: Die mittlerweile rund 40 Lehrstühle für Entrepreneurship sind eine Entwicklung in die richtige Richtung. Das Zeug zum Unternehmer erhält man aber nicht durch bloße Wissensvermittlung, es ist eine Frage des Typs. Manche Teams, die direkt von der Uni kommen, sind richtig fit und stark aufgestellt. Es gibt aber – und das ist die Mehrzahl – immer noch die Träumer und naiven Planer irgendwelcher Geschäftsideen, die nach dem streng renditeorientierten Geschäftsmodell Venture Capital keine Chance haben.

 

VC-Magazin: Vielen Dank für das Interview!                  

 

Das Interview führte Andreas Uhde.

 

 

Zu den Gesprächspartnern .

Wolfgang Lubert ist geschäftsführender Gesellschafter der enjoyventure Management GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Neben der Verwaltung eines eigenen Venture Capital-Fonds ist enjoyventure als Manager des hannover innovation fonds, des geplanten Hannover Beteiligung Fonds und des ELS Seedfonds in NRW tätig. Ralf Meyer ist Geschäftsführer der hannoverimpuls GmbH, die als gemeinsame Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft der Stadt und Region Hannover Gründungen, Ansiedlungen und Wachstum von Unternehmen in der Region unterstützt.