VC Magazin: Aus westlicher Sicht lautete Globalisierung vor allem „Asien produziert, der Westen konsumiert“. Wie wirkt sich die Nachfrageflaute in Europa und den USA aus?
Pflüger: Das lässt sich nicht pauschalisieren, denn Indien hat eine Exportquote von 15%, Vietnam eine von 70%. Besonders Länder wie Taiwan und Südkorea, die Bauteile für Unterhaltungselektronik exportieren, merken die Krise sehr deutlich. Auch China ist zu einem guten Teil von Exporten abhängig, die zu rund 80% aus Konsumgütern bestehen, die in weiten Teilen in die USA gehen. Wenn die Konsumenten streiken und die Einzelhandelsumsätze um 10% sinken, spüren die Chinesen das deutlich. So liegen auch deren Exporte um mehr als 20% unter den Vorjahreswerten. Auf der anderen Seite haben sich viele Staaten von der Exportabhängigkeit gelöst und die Binnennachfrage gestärkt, was auch den natürlichen Trends entspricht. Die Einkommen steigen, es wächst ein breiter Mittelstand heran, und die Konsumwünsche gleichen sich dem Westen an.
VC Magazin: Welche Aktivitäten zeigen die Regierungen in Asien derzeit bei der Bewältigung der Krise?
Pflüger: Viele Regierungen agieren sehr pragmatisch und haben keine Scheu, dirigistisch einzugreifen. So stützen Staatsfonds den Aktienmarkt mit massiven Aufkäufen. Sie können zudem die Exportsubventionen erhöhen und gleichzeitig die Importzölle. Auch wenn staatlich gelenkte Wirtschaften wie China zunehmend den Preis als Allokationsmechanismus entdecken, greifen sie direkt in die Preismechanismen ein – im letzten Sommer war das bei Energie und Nahrungsmitteln der Fall. Ohne Höchstgrenzen hätte es zu Unruhen kommen können.
VC Magazin: Viele westliche Staaten, allen voran die USA, sind massiv verschuldet. Welchen Spielraum haben die asiatischen Staaten?
Pflüger: Die wenigsten Länder leiden unter einer ausgewachsenen Rezession. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise äußert sich eher in nachgebenden Wachstumsraten. Besonders China weist eine sehr niedrige Staatsverschuldungsquote von 18% auf und hat immense Konjunkturprogramme aufgelegt. Gerade hier zeigen sich auch schnelle Erfolge, weil der Staat einen direkten Zugriff auf die Wirtschaft und das Bankensystem hat. Bei anderen Ländern sehe ich das kritisch. Die offiziell für Indien veröffentlichen Schulden sind zwar überschaubar, beziehen sich aber nur auf die Zentralregierung. Die Bundesstaaten bleiben außen vor.
VC Magazin: China will 15% seines BIP ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln, und das staatliche Bankensystem beschleunigt die Kreditvergabe. Werden damit auch positive Effekte für Private Equity geschaffen?
Laib: Auf jeden Fall. Wir sehen die positiven Wirkungen unmittelbar bei unseren Portfolio-Unternehmen. Dazu kommt: Die Struktur der Private Equity-Industrie unterscheidet sich von der Struktur der Gesamtwirtschaft. Die Finanzinvestoren vernachlässigen den Export und fokussieren sich auf die lokale Nachfrage in China. In Indien zeigt sich der Mittelstand als Wachstumstreiber. Im Gegensatz zu den westlichen Staaten sind diese beiden Länder weiterhin Wachstumsmärkte.
VC Magazin: Welche Industrien sind vor diesem Hintergrund besonders interessant für Private Equity-Investitionen?
Laib: Spannend sind insbesondere alternative Energien bzw. Umwelttechnologien, Bildungswesen und der erweiterte Bereich der Infrastruktur. Hier zeigt das unglaubliche Stimuluspaket deutliche Wirkung. Zementhersteller etwa sind an sich völlig unspektakulär, angesichts der Wachstumsraten aber hoch interessant. Auch Komponentenhersteller für Züge profitieren von enormen Aufträgen zur Erschließung des chinesischen Hinterlandes. Mit zunehmendem Mittelstand einer Bevölkerung wächst ferner die Nachfrage nach Gütern des täglichen Konsums, das gilt für China wie für Indien. Das können einfache Dinge wie Apothekenketten oder Duty Free-Shops sein. Ein weiteres spannendes Feld sind Privatisierungen vormals staatlicher Unternehmen.
VC Magazin: Was sind die speziellen Risiken des Beteiligungsgeschäfts in Asien?
Laib: Über den Aktienmarkt kann ein Investor kaum vom Wachstum in China profitieren. Im Durchschnitt sind weniger als 10% der Aktien für Ausländer verfügbar, und das auch nur für qualifizierte Investoren. Sie können nur über nicht gelistete Unternehmen an diesem breiten Aufschwung teilhaben. Wer dann aus Europa heraus mal ein Investment in China tätigt, wird keinen Erfolg haben. Man muss eine Gesellschaft vor Ort gründen, und das Team muss die lokalen Gegebenheiten kennen. Außerdem muss man ein enges Netzwerk zur Regierung und den lokalen Regierungen aufbauen. Das ist die vielleicht wichtigste Bedingung für Erfolg. In Indien hat sich gezeigt, dass Einkäufe auch in kleine Unternehmen am fragmentierten Aktienmarkt selbst dann eine hohe Volatiliät zeigen, wenn sie aktiv geführt werden. Dies liegt in der Natur des Auf und Ab der Börsen.
VC Magazin: Welche Präferenzen hinsichtlich der Vertragsgestaltung haben Investoren und Unternehmer in Asien? Was sind die zentralen Unterschiede zu Deutschland?
Laib: Wir werden oft nach regulatorischen Risiken gefragt. Die bestehen zwar überall auf der Welt, aber aktuell ganz besonders im Westen. Hier wurden Steuergesetze quasi über Nacht geändert. In China hat sich zwischen 2001 und 2005 eine stabile Struktur für Private Equity-Investitionen gebildet. Dies gilt für die steuerlichen Bereiche ebenso wie für die Vertragsgestaltung. Beteiligungsverträge werden überwiegend von amerikanischen Kanzleien in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern gestaltet. Die Kontrakte sind also strukturell ähnlich zu denen im Westen. Die Corporate Governance wird von den 70-80 chinesischen Fondsmanagern, die ein vergleichbares Qualitätsniveau zur westlichen Welt haben, mit Offshore-Strukturen ebenfalls ähnlich gehandhabt. Man muss hier relativ wenige Konzessionen machen.
VC Magazin: Wie hart ist der Wettbewerb unter den Investoren, und mit welchen Renditen rechnen Sie derzeit in Asien?
Laib: Auch in China sind die Preise gestiegen und auch die EBITDA-Multiples. Aber da kaum über Fremdkapital gehebelt wird, ist das anders als im Westen nur ein moderater Anstieg. In Indien ist die Partizipation über den öffentlichen Kapitalmarkt aufgrund der Gesetzgebung relativ leicht. Dort sind über 4.000 Unternehmen gelistet. Mit dem Boom des indischen Aktienmarktes sind die Preise deutlich gestiegen, haben sich in der jüngeren Vergangenheit aber wieder beruhigt. Was die Renditen angeht: Investoren erwarten im Durchschnitt 10-13%, was 300-500 Basispunkte über Public liegt. Das ist der Aufpreis für eine Liquiditätsprämie, und an dieser Differenz hat sich trotz der Krise und der gesunkenen Börsenkurse nichts geändert. Unter der Annahme, dass die regulatorischen Risiken in Asien nicht höher als im Westen sind und die Private Equity-Industrie sich breit entwickelt und etabliert hat, sind auch dort Renditen im zweistelligen Bereich eine realistische Annahme.
VC Magazin: Herr Pflüger, Herr Dr. Laib, herzlichen Dank für das Interview!
Das Interview führte Torsten Paßmann.
Zu den Gesprächspartnern
Wolfgang Pflüger ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Das Hamburger Kreditinstitut unterhält neben Niederlassungen in Europa auch eine Repräsentanz in Shanghai. Dr. Peter Laib ist Managing Director von Adveq. Der Schweizer Dachfonds ist in Asien mit einem Büro in Peking vertreten.