Zweimal 50.000 EUR Startkapital
Am Anfang stand das eigene Unternehmertum. Die beiden ehemaligen Unternehmensberater Daniel Wild und Tim Schwenke gründeten 1999 die getmobile AG, die heute als Deutschlands führender Händler von Mobiltelefonen im Internet und über TV-Shopping gilt. „Die Idee hatten wir aus den USA übernommen, allerdings hat unser Vorbild Kreditkarten statt Handys verkauft“, blickt Wild zurück. Aber schon zwei Jahre nach der Gründung folgte 2001 der Eintritt in das Investorenleben. Auf den ersten Blick war das ein gewagter Schritt: Zu der Zeit standen Wild und Schwenke noch voll in der Verpflichtung ihrer Gründung, ihre Anteile waren noch nicht versilbert, und einen nennenswerten Kapitalstock gab es nicht. Tatsächlich war es der Wunsch nach Absicherung durch Diversifikation, der die beiden ins Wagniskapitalgeschäft trieb: „Die schlechte Geschäftsentwicklung von Internetfirmen war absehbar. Und wären wir gescheitert, hätten wir weder Kapital noch Jobs gehabt“, begründet Wild den Schritt. Die Arbeit mit Gründern erschien ihm die ideale Kombination von Spaß und Potenzial. Also gründeten Wild und Schwenke die Tiburon Unternehmensaufbau GmbH und steckten jeweils 50.000 EUR in die Gesellschaft. Jedes finanzierte Start-up erhielt zwischen 5.000 und 10.000 EUR, Gewinne wurden thesauriert. Das wesentliche Selektionskriterium war zu dem Zeitpunkt die früheste Phase, die Bandbreite der Branchen erstreckte sich von Internet bis Kunst.
Professionalisierung als Evergreen-Fonds
Anfang 2007 endete dann die Zeit, in der Tiburon nur nebenbei betrieben wurde. „Als CEO von getmobile führte ich ein Unternehmen, das bereits 100 Mio. EUR Umsatz erzielte. Mir stand jedoch mehr der Sinn danach, etwas aufzubauen“, meint Wild. Also gründete er die Tiburon Partners AG als professionelles Investmentvehikel, holte sich mit Dr. Andreas Brinkrolf (ehemals Siemens Technology Accelerator) einen erfahrenen Investor als zweiten Mann ins Boot und führt sie seitdem als Vollzeitjob. Tim Schwenke übernahm den Aufsichtsrat. „Er ist unser Sparringspartner, Andreas bringt die solide Investmenterfahrung mit ein und ich bin quasi unser Außenminister“, beschreibt Wild die Aufgabenverteilung. Die neue Gesellschaft ist als Evergreen-Fonds aufgelegt, der aus dem Eigenkapital investiert. Die ersten 3 Mio. EUR flossen von Freunden und Familie sowie „alten Weggefährten statt der Narren“, erklärt Wild mit einem verschmitzten Lächeln. Rund 70% der Anteile hält das Management mit seinen Familien, der Rest verteilt sich auf ca. 20 Investoren.
Zwei bis drei Wochen reichen
Über die ersten sechs Jahre „Probezeit“ als Investor habe sich dann herauskristallisiert, das Medien, Internet und E-Commerce die Themen seien, die Wild und Schwenke beherrschen. „Wir haben geübt, und vieles war von Zufall getrieben“, schaut Wild zurück. Eine Sache sei bis heute gleich geblieben: Tiburon investiert ausschließlich in der Seedphase. „Ich will das erste Geld geben. Am liebsten bei Bewertungen bis 500.000 EUR“, macht Wild unmissverständlich klar. Die typische Investmentgröße liege dann bei 100.000 EUR, wobei später noch einmal bis zu 100.000 EUR nachgelegt werden könnten. Das erste Kapital fließt schnell und pragmatisch meist nach zwei bis drei Wochen, die Höchstgrenze liegt bei zwei Monaten. Das klingt für die Branche zwar rekordverdächtig schnell, sei aber auch logisch, meint Wild lapidar: „Entweder ist die Idee schlecht oder das Start-up hat einen anderen Investor.“ Da gerade in der Seedphase mehr als Geld fließen muss, versteht er Tiburon als institutionalisierten Business Angel. Im Bereich der Partner- und Kundengewinnung werden aussichtsreiche Geschäftskontakte angebahnt, bei der Entwicklung von Team- und Unternehmensstrukturen leisten die Münchner praktische Hilfe, und bei anstehenden Finanzierungsrunden bieten sie ihre Unterstützung an.
Wichtig: klarer Ansatz zum Geldverdienen
Ein großer Teil des Dealflows komme über Xing, wichtigster Filter seien aber Empfehlungen aus dem eigenen Netzwerk. Aus dieser Quelle führt etwa jeder zehnte Tipp zu einem Investment. Wichtig sei außerdem, dass immer ein klarer Ansatz zum Geldverdienen bestünde. „Bei E-Commerce ergibt sich die Monetarisierung aus dem Geschäftsmodell. Wir glauben aber auch noch an Communitys“, nennt Wild zwei Schwerpunktthemen. Während horizontale Netzwerke für die breite Masse bis heute keinen Ansatz gefunden hätten, würden sich bei vertikalen Gemeinschaften viel versprechende Ansätze zeigen. So hat Tiburon in Netzwerke für Mütter und Angestellte im Auslandseinsatz finanziert, die über spezielle Angebote Umsatz generieren. Seit 2007 wurden knapp 30 Start-ups finanziert, davon wurden bislang drei veräußert und drei geschlossen.
Optionen zum Ausstieg
Der allererste Exit im Track Record von Wild war im Jahr 2005 der Börsengang der von Wild und Schwenke gegründeten getmobile AG. Ein Jahr später trennte sich die Vorläufergesellschaft der Tiburon Partners AG von der Business-Community Xing (ebenfalls via IPO) sowie dem Gutschein- und Prämienspezialisten Cadooz (Secondary Deal mit Palamon Capital als Käufer). Eine grundsätzliche Verkaufsoption sei der Börsengang aber nicht, meint Wild: „Das ist kein Ende, sondern der Beginn von etwas Neuem.“ Wichtiger sei der Trade Sale an einen strategischen Investor. So hatte Tiburon mit der Investition in das Studentennetzwerk StudiVZ den richtigen Riecher: Beim Einstieg 2007 wurde das Unternehmen noch mit einem einstelligen Mio.-EUR-Betrag bewertet, beim Verkauf im gleichen Jahr an Holtzbrinck lag der kolportierte Übernahmepreis bei 85 Mio. EUR. Wenn es sich anbietet, lassen sich Wild und Brinkrolf ihre Beteiligung auch von einem Venture Capital-Investor abkaufen. Durch das Konstrukt als Evergreen-Fonds gebe es aber keinen Verkaufsdruck, und bei einer unbefristeten Haltedauer lässt sich auch „von einer guten Dividende leben“, so Wild.
Fazit:
Gut sechs Jahre hat sich Internetgründer Daniel Wild Zeit gelassen, das Leben als Business Angel auszuprobieren. Als er seine Tätigkeit 2007 mit Tiburon institutionalisierte, holte er sich mit Dr. Andreas Brinkrolf einen erfahrenen Investor als zweiten Manager ins Haus. Vor diesem Hintergrund – Kompetenz in Sachen Finanzierung und operativer Tätigkeit – stoßen Medien-, Internet- und E-Commerce-Gründer auf einen fokussierten Seedinvestor. Die kleinen Summen der ersten Runde reichen in diesen Segmenten für erste Erfolge, dazu bringt Tiburon Know-how und Kontakte ein. Der Track Record und das aktuelle Portfolio zeigen ein feines Gespür für Erfolge.
Torsten Paßmann
Hintergrund: Der Ort, der Hai und die Heuschrecke
„Als uns die Idee zu unserer eigenen Investmentgesellschaft kam, saßen wir gerade in Sam’s Café in Tiburon im Silicon Valley“, berichtet Daniel Wild, Gründer und Vorstand der Tiburon Partners AG. Anlass war ein Besuch bei Bill Fisher, Gründer von getsmart, Vorbild und Sparringspartner für getmobile. Daneben trägt das Wort noch eine Bedeutung im Spanischen: Die Übersetzung lautet Hai. „In Spanien ist der Hai das Äquivalent zur Heuschrecke bei uns“, ergänzt Wild mit einem Lachen. Ein Problem sei das aber nicht, da Südeuropa nicht im Investmentfokus stehe.
Aktuelles Portfolio (Auswahl)
Firma Geschäftsfeld
Bailamo 3-D Flirt-Welt
Game TV Spiele- und Videoplattform
Internations.org globales Netzwerk für Expatriates
Netmoms Social Network für Mütter
Posterjack Online-Druckerei für Poster und Leinwände
Stream5 Online-Video-Technologie
Kurzprofil Tiburon Partners AG
Typ: Venture Capital-Gesellschaft
Firmensitz: München
Gründung: 2007
Zahl der Investment-Professionals: 2
Bisher investiertes Kapital: 3,5 Mio. EUR
www.tiburon.de
Investitionsschwerpunkte
Phase: Seed
Branchenschwerpunkte: Internet
Region: Deutschland, Frankreich