Dies ist der zweite Teil des Erfahrungsberichts von Kjell Fischer und Jascha Samadi. Lesen Sie im ersten Teil, wie sie die Schwächen ihres ersten Geschäftsmodells erkannten und wie sie darauf reagierten.
„Bei einem Pivot ist die Kommunikation dessen essentiell, was gerade in dem Unternehmen geschieht, welche Schritte die Organisation durchläuft und in welche Richtung die Reise geht.
Hat man als Unternehmer den Punkt erreicht, sich selbst gegenüber den Defiziten des eigenen Geschäftsmodells geöffnet zu haben und nun reagieren zu wollen, ist die Kommunikation dieser Tatsache eine ebenso große Herausforderung. Für das Fortbestehen ist es jedoch unerlässlich, alle Beteiligten, Investoren, Geschäftspartner und vor allem Mitarbeiter rechtzeitig „ins Boot“ zu holen und Transparenz zu schaffen.
Kommunikation ist wichtig
Zu Beginn des Prozesses hat uns jedoch die innere, gedankliche Barriere, sein gegenüber nicht enttäuschen oder verunsichern zu wollen, daran gehindert, das weitere Vorgehen offen und transparent zu kommunizieren. Man muss sich an dieser Stelle allerdings auch nichts vor mache. Mitarbeiter spüren oftmals von selbst und als erste, dass etwas nicht stimmt bzw. Ansätze nicht in der erhofften Weise Anklang am Markt finden. Durch einen Blick in Reportings und KPIs merken es in gleicher Weise auch Geschäftspartner, wenn es Schwachstellen am Geschäftsmodell gibt, Produkte von Nutzern nicht angenommen werden oder gemeinsame Umsätze schlichtweg ausbleiben. In selber Konsequenz erfahren es eher früher denn später auch Gesellschafter und Investoren des Unternehmens. An dieser Stelle zu versuchen, Missstände tot zu schweigen oder gar zu verbergen, hat daher keinen Zweck und schürt im Zweifel noch deutlich mehr Unsicherheit im Team, beim Partner, wie auch bei den Investoren, als die eigentliche Tatsache der anstehenden und notwendigen Veränderungen am Geschäftsmodell.
Ist die Notwendigkeit dieser Veränderungen jedoch erst einmal ausgesprochen, die Schwachstellen klar adressiert und im Idealfall ein klare Alternative vorgestellt, verkehrt sich die vermeintliche Verunsicherung und Enttäuschung in den meisten Fällen in Dankbarkeit, wie wir gemerkt haben. Die Mitarbeiter sind dankbar, weil sie verstehen, dass Schwachstellen vom Management rechtzeitig erkannt werden und sie weiterhin eine Perspektive im Unternehmen sehen. Geschäftspartner erkennen, dass die Gründer mit ihrem Team alles daran setzen, letztlich doch eine fruchtbare Kooperation auf die Beine zu stellen. Investoren haben die Gewissheit, dass das Team in der Lage ist, unerwartete Marktresonanz zu erkennen, zu verarbeiten und das Investment wieder auf neue Spur zu bringen, ohne dass es abgeschrieben werden muss.
Der offene Umgang mit diesem Thema hilft darüber hinaus vielen Beteiligten auch dabei, sich besser mit dem Problem und den Schwachstellen zu identifizieren, zu verstehen, wieso gewisse Entscheidungen getroffen werden und möglicherweise sogar aktiv an den Veränderungen mitzuwirken. Dies ist für einen Unternehmer ohne Zweifel ein sehr schmerzhafter Prozess – war man selbst doch derjenige, der sowohl Mitarbeiter, Investoren wie auch Geschäftspartner für das Modell begeistern konnte und nun mit verändertem Kernprodukt davon Abstand nehmen muss. Am Ende hat sich zumindest in unserem Fall eben diese Offenheit im Ergebnis ausgezahlt und für eine schnelle Transformation als essenziell erwiesen.
Fazit
Unser heutiges Geschäftsmodell setzt in seinem Ursprung auf dem auf, was wir in der damaligen Zeit mit jupidi am Markt Produkt-seitig erfahren konnten. Der Markt und die Resonanz von Kunden haben uns dazu bewogen, Produkt und Modell deutlich stärker in den Bereich Advertising zu bewegen, das eigene Mobile Content-Geschäft aufzugeben und letztlich aus einer B2C-Marke in ein B2B-Geschäftsmodell zu wachsen. Auch dies geschah über die letzten drei Jahre natürlich wieder in mehreren iterativen Produktzyklen und -prozessen, nach dem die Grundrichtung eingeschlagen war. Diese neue Grundrichtung zu finden und einzuschlagen, war rückblickend in unserem Fall jedoch die geringere Herausforderung, verglichen mit dem davor liegenden Prozess in innerer Akzeptanz und äußerer Kommunikation der Schwachstellen des ursprünglichen Models durch uns als Gründer. Dies wird in anderen Fällen sicher auch anders gewesen sein, denn ebenso wie jede Gründung anders ist, ist sicher auch jeder Pivot für sich betrachtet anders gestaltet und ein wirkliches Generalrezept gibt es für ein solches Unterfangen nicht.
Für uns hat sich rückblickend daraus vor allem gezeigt, dass die ursprüngliche Idee und das Geschäftsmodell für ein Gründerteam vor allem in der frühen Phase durchaus als etwas flexibles, sehr formbares und iteratives betrachtet werden sollte – etwas das sich nah am und gemeinsam mit dem Markt entwickelt. Und somit scheint an der beinahe Klischee-haften Aussage vieler Investoren, „we invest in teams, not in ideas“, doch mehr dahinter zu stehen, als nur eine reine Floskel – vor allem für Gründer in ihrem Verständnis und in der Ausgestaltung ihrer Produktstrategie.“
Zu den Autoren
Jascha Samadi und Kjell Fischer sind Gründer und Geschäftsführer der apprupt GmbH in Hamburg (www.apprupt.com), einem mobilen Premium-Werbenetzwerk und Innovationstreiber im deutschen Mobile Advertising-Markt. Samadi, der seinen Abschluss in Rechtswissenschaften an den Universitäten Trier, Münster und Hamburg machte, ist für Vertrieb und Marketing zuständig. Fischer, der seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann an der HAW Hamburg machte, ist für Produktstrategie und den Bereich Operations verantwortlich. Ihre erste gemeinsame Geschäftsidee war Jupidi (www.jupidi.de), ein SMS-Flirtdienst für junge Menschen.