Ein abschreckendes Beispiel ist sicher der Fall Ferrostaal, bei dem der Käufer, der arabische Staatsfonds IPIC, vor der Transaktion nicht offengelegte Bestechungsvorwürfe „geerbt“ hat – mit erheblichen monetären Folgen in Höhe von mehreren 100 Mio. EUR. Wie kann man sich vor solchen bösen Überraschungen schützen? Als Verkäufer sollte man schon bei den leisesten Bedenken der jeweiligen Transaktionsvorbereitung eine Vendor Due Diligence voranstellen. Diese wird dann sämtliche Compliancerelevanten Tatbestände aufnehmen. Die Ergebnisse können dann entweder bereinigt oder aber im Verkaufsprozess angesprochen werden. In jedem Fall werden sie „eingepreist“ und führen somit auf keiner Seite zu unliebsamen Überraschungen.
Der Käufer seinerseits wird die für die Compliance sensiblen Bereiche in seiner eigenen Due Diligence abdecken und in seine Verhandlungsstrategie einbauen. Es sind sogar solche Fälle bekannt, in denen erst nach Closing im Rahmen einer Compliance Due Diligence gezielt nach einschlägigen Verletzungen gesucht wird, um dann gegen einen vorher großzügig verhandelten Kaufpreiseinbehalt aufrechnen zu können. Inwieweit ein solches Verhalten seinerseits dann gegen Compliance-Kodizes (zum Beispiel Treu und Glauben) verstößt, bleibt zu prüfen.
Besonders im Mittelstand ist der Nachhol- und Aufklärungsbedarf hinsichtlich Compliance erheblich. Eigentümergeführte Unternehmen werden auch heute noch nach Gutsherrenart regiert, häufig ohne dabei die Spätfolgen bei einem Unternehmensverkauf zu bedenken. Hierzu zählen unter anderem die unterschiedlichen Manöver zur Steuervermeidung, die in einem Veräußerungsprozess zu Beanstandungen führen können. Spätestens im Rahmen der Aufbereitung der Informationen für den Datenraum sollte ein völlig transparentes Bild geliefert werden können.
Zwischen Signing und Closing ist das Thema Compliance ebenfalls präsent. So ist die Beachtung der Vertraulichkeit durch die Unternehmen in dieser Phase von besonderer Bedeutung, da Informationen aus dem zu übernehmenden Unternehmen immer noch nicht an den Käufer offengelegt werden dürfen. Auch nach der Übernahme besteht die Gefahr, gegen Compliance-Richtlinien zu verstoßen, wenn einem Konzern zum Beispiel bei Veräußerung einer Einheit Wettbewerbsverbote auferlegt werden, die in der Regel gruppenweit gelten, also auch von sämtlichen verbundenen Unternehmen einzuhalten sind.
Selbst nach dem Closing lauern Risiken, wie sie jüngst ein Mitarbeiter im M&A-Bereich eines Dax-Unternehmens erfahren musste, als er wegen eines nicht angemeldeten Closing Dinners in London seinen Hut nehmen musste.
Zum Autor
Dr. Hans Bethge ist geschäftsführender Partner der Angermann M&A International GmbH. Das Unternehmen mit Standorten in Hamburg und Stuttgart berät Mandanten im gehobenen Mittelstand und ist deutscher Partner der weltweit größten Organisation unabhängiger Beratungsunternehmen M&A International Inc.