Entscheidung vor Erfahrung

Begeisterung für Innovationen

Investoren können aus einem ganzen Strauß an Gründen auswählen, warum sie in ein Start-up oder junges Unternehmen investieren. Hauptsächliche Beweggründe sind mit 48% das Interesse und die Begeisterung an der Vermarktung von Technologien sowie Innovationen mit Zukunftspotenzial. Auch die Möglichkeit, Unternehmen von der Geburtsstunde an bzw. die nächste Generation von führenden Unternehmern zu begleiten, motiviert 31% der Studienteilnehmer ebenso wie der Spaß an neuen Ideen und die Gelegenheit, profitable Unternehmen aufzubauen. Das ist ein Ergebnis der Studie „Start-ups: Entscheidung vor Erfahrung“. Weitere Gründe (21%) sind der unstillbare Appetit und die intellektuelle Neugierde auf alles, was mit neuen Technologien, Lösungen oder Geschäftsmodellen zu tun hat. Darüber hinaus treibt die Investoren das Interesse an, bei technischen Entwicklungen an der Spitze mitzuwirken.

Spaß am Unternehmertum

Es sind die Freude der Investoren an einem angeregten Umgang mit den in der Regel jüngeren Gründern sowie ihr Wunsch, zusammen mit den Gründern ein gemeinsames Ziel zu erreichen, die sie dazu veranlassen, Geld in Start-ups zu stecken. Es reizt zudem die Aussicht auf eine unternehmerische Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit Managern und Unternehmen. Zu Investitionen treibt sie dieser Hang zum Unternehmertum an – in Verbindung mit der Möglichkeit, ihr gesammeltes Know-how und ihre Erfahrungen an junge Unternehmer weitergeben zu können und damit einhergehend die Chance, etwas zu bewegen.


Es geht um Erfolg

Investoren sehen sich vor allem als Mitgestalter von Start-ups mit einem vielschichtigen Verantwortungsbereich. Allerdings bleibt dabei ihre eigene Erfolgsorientierung nicht außen vor: Es geht ihnen auch um finanzielle Incentives, eine Gewinnsteigerung durch Carry-Beteiligung und um die Umsetzung von Spin-off-Transaktionen und Ähnlichem. Unabhängig von ihrer Motivation sind sie bei der Erfolgskontrolle daher weniger von Gefühlen geleitet als von ausgeprägtem Unternehmersinn. Gewinn- und Erfolgsorientierung sind für sie systemimmanent – und haben dies auch für die Gründer zu sein.

Den eigenen Traum verwirklichen

Gründer teilen zwar mit den Investoren die Einschätzung, dass materieller Erfolg nachrangig ist. Gerade einmal 12% von ihnen nennen „finanzielle Anreize“ als ausschlaggebend für die Gründung. Sie platzieren diesen Aspekt am Ende der Skala – aber nicht wie die Investoren, weil sie ihn als „Conditio sine qua non“ verstehen, sondern weil sie vorrangig danach streben, ihre Idee zu verwirklichen (29%) und ihnen die Unabhängigkeit so viel bedeutet (25%). Kurzum: Sie wollen ihren Traum leben. Nicht selten empfinden Gründer deshalb die Vorgaben und Erwartungen von Investoren als zu hart und zu schnell zu erfüllen. Erfahrungsgemäß sind Gründer eher daran interessiert, die Technologie bis „in die Fingerspitzen“ zu definieren und erst dann in den Markt zu gehen. Investoren denken allerdings marktorientiert.

Zahlreiche Schwächen von Gründern

Fast alle Investoren sind sich einig: Für 96% der Befragten gibt es bei den Gründern eine deutliche Fehleinschätzung bezüglich Machbarkeit und Markteintritt. Unsere Start-up-Studie zeigt: Investoren wissen um die Stolpersteine, die zum Scheitern führen können. Sie bemängeln in hohem Maße (37%), dass bei der Gründung eines Unternehmens das Augenmerk zu sehr auf die Organisation statt auf das Produkt gerichtet wird. Neben dieser fehlenden Fokussierung verweisen die Investoren auf eine ungenügende Erfahrung im Vertrieb (26%), eine schwache Markt- und Vertriebsorientierung (21%) und zu wenig Kenntnisse über den Wettbewerb und die Bedürfnisse von Kunden (16%). Dies kann zu einer falschen Einschätzung des Marktes und zu hohen Wachstumserwartungen führen. Mit der Folge, dass z.B. Produkte keine Zahlungsbereitschaft bei den Kunden finden. Generell mangelt es aus Investorensicht in jungen Unternehmen an der Fähigkeit, das Team zu verändern bzw. anzupassen, wenn sich die Aufgaben ändern. Es fehlten oft der Mut und die Einsicht, Personalarbeit gemäß der Unternehmensevolution zu gestalten. Auch dies ist als eindeutiger Beleg für ein weites Auseinanderklaffen der Perspektiven von Investoren und Gründern zu bewerten.

Abschottung nach außen

Interessanterweise waren sich alle drei der befragten Gruppen in einem Punkt einig: In Start-ups gibt es zu viel „Kumpanei“. Die Gründer würden in diesem Zusammenhang in der Rückschau einiges anders machen und Investoren sehen hier sogar einen Grund für das Scheitern junger Unternehmen. Neue Mitarbeiter tun sich oft schwer, in den „inneren Zirkel“ vorzudringen und bezweifeln eine sinnvolle Kompetenzverteilung. Das Problem ist erkannt – aber wo liegen die Gründe? Vor allem Schwierigkeiten mit Rollendefinition und Kompetenzmanagement werden in der Studie benannt. Aber auch die Tatsache, dass zwei von drei Gründern zu wenig Zeit für die Organisationsentwicklung haben, sorgt für eine wie auch immer geartete Kumpanei. Außerdem kann sie auch als eine Art Schutzwall gegen Übergriffe Dritter auf das eigene Lebenswerk gesehen werden.

Knackpunkt Finanzierung

Zudem gestaltet sich die Finanzierung der Erfahrung von Investoren nach noch diffiziler, als dies von Gründern erwartet wird. Wichtig sei es, das Geld zusammenzuhalten, also so zu handeln, als ob keines vorhanden wäre und man sofort Umsatz machen müsse. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine transparente Kommunikation mit den Investoren. Gründer dagegen beurteilen es als schwierig, gleichermaßen Geld zusammenzuhalten und zukunftsträchtig zu investieren. Auf die Frage „Was hätte besser laufen können?“ antworteten die im Rahmen der Studie Befragten unisono nur eines: „Die Finanzierung“. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Antwort allerdings als Folge der genannten Divergenzen. Insbesondere beim Nachfragen, was man denn hätte anders oder besser machen können, zeigen sich Ansatzpunkte, die eng mit den unterschiedlichen Ansichten zum richtigen und erfolgsorientierten Start verknüpft sind. So wäre es aus Sicht der befragten Mitarbeiter hilfreich, wenn Investoren wie Gründer von Anfang an offen und ehrlich über die Finanzierung und die Exit-Strategie kommunizieren und ihre Erwartungen darlegen würden. Auch in Sachen Businessplan und Strategie/Produkte sollten Gründer demnach ihre Ziele klar darlegen.

Mitarbeiter sollten stärker hinterfragen

Dies sollte nicht zuletzt massive Wirkung beim dritten Teilhaber am Gründungserfolg zeigen: dem Mitarbeiter. Rückblickend betrachtet, so das Ergebnis der Studie, würde fast die Hälfte der befragten Start-up-Mitarbeiter bei einem nochmaligen Eintritt in ein junges Unternehmen das Produkt und die Marktchancen stärker durchleuchten und hinterfragen. Unerfahrene Mitarbeiter verkennen demnach, wie wichtig es ist, sich vor Vertragsabschluss intensiv mit dem jeweiligen Unternehmen zu befassen.

Mehr Verantwortung erwünscht

Eine deutliche Diskrepanz gab es auch zwischen den Erwartungen an ihr neues Arbeits- und Aufgabenfeld und der erlebten Realität in den ersten Wochen und Monaten: In 82% der Fälle stimmten diese nicht überein. Zwei Dritteln fehlte die gewohnte Organisationsstruktur und einem Drittel der Austausch auf Augenhöhe. Außerdem wurde mehrheitlich angegeben, dass die Vorstellungen der Gründer und der Investoren hinsichtlich der Kompetenzverteilung weit auseinanderlagen. Offensichtlich fällt es Gründern schwer, loszulassen und Kompetenzen an Mitarbeiter in Schlüsselfunktionen abzugeben, und das, obwohl sie laut eigenen Aussagen großen Wert darauf legen, nur die besten in ihr Team zu holen.

Mehr Zeit nehmen

Der Knackpunkt allen erfolgreichen Gründertums jedoch ist der Planungshorizont. Während bei Mitarbeitern und Gründern überwiegend die Meinung dominiert, eine kurzfristige Finanzplanung sei unumgänglich, so haben Investoren eine ganz andere Ansicht. Sie planen durchschnittlich in einem deutlich längeren Zeitfenster (75% von ihnen fassen hier fünf bis sieben Jahre ins Auge). Die Nachhaltigkeit steht über allem. Somit ist es für junge Unternehmen von enormer Bedeutung, die Finanzierung basierend auf einem Zeithorizont von fünf bis sieben Jahren sicherzustellen. Darüber hinaus hätten sich die Gründer von ihren Investoren und Beratern mehr (administrative) Unterstützung und einen intensiveren Austausch gewünscht. Rückblickend würden zwei Drittel heute von Beginn an die Kompetenzen exakt regeln und den Fokus darauf legen, schnell ein professionelles Team mit fachlich versierten, unternehmerisch denkenden Köpfen aufzubauen.

Fazit:

Berücksichtigen sollten potenzielle Gründer und junge Unternehmen, dass sie letztlich die Hürden, die ihnen und ihrem Unternehmen im Weg stehen, selber nehmen müssen. Denn Investoren und Berater können stets nur unterstützend eingreifen. Eine operative Tätigkeit ist schon aus zeitlichen Gründen schwierig zu realisieren. Darüber sollten sich Gründer im Klaren sein. Allerdings könnten Investoren, Berater, Coachs etc. durch aktiveres Networking den Unternehmenserfolg noch stärker stützen.


Zu den Autoren:

Guido Happe ist Vorstandsvorsitzender der Steinbach Consulting AG, Manuela Megel Projektmanagerin. Gemeinsam haben sie die Studie „ Start-ups: Entscheidung vor Erfahrung“ in Zusammenarbeit mit dem High-Tech Gründerfonds erstellt.

Details zur Studie

Die aktuelle Befragung „Start-ups: Entscheidung vor Erfahrung“ von Steinbach & Partner Executive Consultants bei 450 Start-ups, Investoren und geschäftsführenden Mitarbeitern zeigt die Probleme und Potenziale von jungen Unternehmen (bis zu drei Jahren Existenz) auf. Es beteiligten sich 32 geschäftsführende Mitarbeiter, 50 Investoren und 68 Gründer – jede Gruppe hat dabei einen auf sie zugeschnittenen Fragebogen erhalten. Im Ergebnis eröffnen sich strategische Ansätze und Handlungsempfehlungen, um Fehler zu vermeiden und auf Hindernisse vorbereitet zu sein. Die Studie kann zum Preis von 149 EUR angefordert werden: [email protected].