Wider dem „weißen Fleck“
In den 1990er-Jahren ermunterte das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns die Technologiezentren des Landes, sich im Rahmen des Projektes „Gründungshilfe für technologieorientierte Unternehmen“ aktiv an der Finanzierung junger Technologieunternehmen mit Pre-Seed-Kapital zu beteiligen. „Schlussendlich war dann allein das Technologie- und Gewerbezentrum Schwerin/Wismar e.V. bereit, auch ein Stück weit ins finanzielle Risiko zu gehen“, erinnert sich Uwe Bräuer, Geschäftsführer von Genius Venture Capital. Im Jahr 1997 begann er damit, sich in das Thema einzuarbeiten. „Ich analysierte die Situation, nutzte das vielseitige Angebot des Branchenverbandes BVK und führte viele Gespräche mit erfahrenen Venture Capital-Investoren, wie beispielsweise Dr. Christian Nagel von Earlybird Venture Capital“, so Bräuer. Schließlich stand das Konzept und im Mai 1998 ging die Genius Venture Capital GmbH an den Start. Nachdem das Land die ersten Fördermittel bereitgestellt hatte, konnte das Genius-Team bis Ende des Jahres die ersten drei Beteiligungen realisieren. Besonders hilfreich waren auch die intensiven Kontakte zur Förderbank KfW, insbesondere zum damaligen Abteilungsdirektor Beteiligungskapital Ulrich Ankele. „Auch ihn störte der weiße Fleck auf der Landkarte im Nordosten“, erinnert sich Bräuer noch heute.
Klein aber fein
Derzeit beschäftigt Genius Venture Capital insgesamt vier Mitarbeiter – das Team setzt sich aus zwei Ingenieuren, einem Kaufmann sowie einer Rechtsanwältin zusammen. Gemeinsam verfügen sie über 34 Jahre Berufserfahrung im Beteiligungsgeschäft. „Das Team ist die größte Konstante in unserem Geschäft und damit ein ganz wesentliches Element, wenn wir von Verlässlichkeit sprechen“, hebt Bräuer hervor. Als Frühphaseninvestor ist das Augenmerk von Genius eindeutig auf die Finanzierung von Innovationen im Technologieumfeld ausgerichtet. Da Genius jedoch ausschließlich Mittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern verwendet, ist das Agieren folgerichtig allein auf das nordöstlichste Bundesland begrenzt. „Für zahlreiche Transaktionen zeichnen wir als Lead- oder Co-Investor verantwortlich, etliche haben wir begleitet“, betont Bräuer. Zu Beginn einer Investition steht der persönliche Kontakt. „In der Regel werden wir angesprochen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man im Land bekannt ist“, betont Bräuer. Daher arbeitet Genius eng mit den Hochschulen und Universitäten vor Ort zusammen und pflegt den Kontakt zu Technologiezentren und all jenen, die in der lokalen Gründerszene aktiv sind. Weiterhin engagiert sich das Genius-Team häufig als Gutachter in Gründerwettbewerben oder ist Mitglied in den betreffenden Jurys. Eine große Bedeutung misst Uwe Bräuer an dieser Stelle erneut dem BVK zu, denn häufig entstehen über diese Quelle erste Kontakte zu potenziellen Portfoliounternehmen.
Investor als Partner
Der Weg der Zusammenarbeit mit jungen Gründerteams oder Unternehmen erfolgt über die üblichen Wegmarken wie einer Executive Summary und einer eingehenden Due Diligence-Prüfung. In einem Punkt ticke die Gesellschaft allerdings etwas anders, betont Bräuer: „Wir können ganz gut damit umgehen, wenn die Dinge nicht von Anfang an ein perfektes Bild abgeben, und sind sogar daran interessiert, möglichst frühzeitig die Teams mit ihren Projekten kennenzulernen, selbst wenn sie sich noch nicht gegründet haben.“ Für Genius bietet sich dadurch die Chance, die weitere Entwicklung des Vorhabens genauer zu verfolgen und, wenn nötig, noch in der Pre Seed-Phase frühzeitig Hilfestellung zu geben. „Im Zuge der Zusammenarbeit kommt es vor, dass die Geschäftsidee überarbeitet oder das Geschäftsmodell komplett umgestellt wird“, meint Bräuer. Aufbauend auf dem strategischen Grundgedanken von Genius bedeutet eine erfolgreiche Finanzierung mehr als nur die Bereitstellung von notwendigem Eigenkapital. Das finanzielle Engagement steht dabei in Verbindung mit qualifizierter Managementunterstützung. Hier verweist er auf die bekannten Schwachstellen vieler Neugründungen und die Notwendigkeit des Aufbaus von kaufmännischen Strukturen, der Erschließung von Vertriebskanälen oder der Bearbeitung von patentrechtlichen Problemstellungen. Operative Fragen werden dabei durchaus erörtert, in den Entscheidungsprozess greift Genius jedoch nicht ein.
Wirkungsvolle Förderprogramme
Bis heute existiert in Mecklenburg-Vorpommern keine ausgeprägte Gründerszene. Neugründungen sind daher mehr denn je auf staatliche Förderprogramme oder Investoren wie Genius angewiesen, die als Investoren ausschließlich Mittel der öffentlichen Hand zur Verfügung stellen. Mit dem Technologiefonds Mecklenburg-Vorpommern verwaltet Genius seit Jahren erfolgreich ein Förderprogramm im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommerns. Trotzdem macht sich das Fehlen von Beteiligungshäusern und ausreichend Business Angels spürbar bemerkbar. „In der Konsequenz würde ohne das Zutun der öffentlichen Hand im Frühphasenbereich nur sehr wenig laufen“, unterstreicht Bräuer. Insbesondere der High-Tech Gründerfonds, mit dem Genius gern zusammenarbeite, setze hier überregional ganz wichtige Akzente und halte das Thema in der Öffentlichkeit hoch, meint er. Als einen weiteren wichtigen Player verweist Bräuer auf den ERP-Startfonds der KfW. Hier lassen sich insbesondere die Engagements privater Investoren widerspiegeln. „Das ist ganz wichtig, wenn es bei unseren Portfoliounternehmen beispielsweise um Folgefinanzierungen geht“, betont Bräuer. Zufrieden ist er mit der gezielten Begleitung und Unterstützung für Unternehmen durch die Landesregierung: „Als Ziel-1-Fördergebiet der EU ist dies mit vergleichsweise hoher Förderintensität möglich.“ Im Mittelpunkt der Fördermaßnahmen stehen Anstrengungen zur Verbesserung der Innovationstätigkeit, insbesondere im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Hochschule. „Eine bessere Vernetzung von Großunternehmen, Mittelständlern und Forschungseinrichtungen im Land ist Basis für den nötigen Innovationsschub, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können“, unterstreicht Bräuer. Zu den Förderschwerpunkten zählen Beihilfen für Forschung und Entwicklung, Schutzrechtsaktivitäten und hoch qualifiziertes Personal.
Weiche Faktoren zählen
Nach rund 13 Jahren mit Genius Venture Capital im Geschäft weiß Bräuer heute um den Erfolg seines Unternehmens, aber auch um die Fortschritte, die die wirkungsvolle Unterstützung junger Technologieunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren erzielt hat. „Vieles hat sich zu einem attraktiven Ganzen gefügt, auch wenn einige Kanten und Lücken geblieben sind“, so Bräuer. Trotzdem sehnt er sich manchmal nach dem Spielraum der 1990er-Jahre zurück. „Überregulierung in der Förderung oder die zu große Sorge vor Fehlentscheidungen wirken im Ergebnis genau in die falsche Richtung“, meint er. Und er verweist auf die weichen Faktoren, die in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen werden, nämlich die Anwerbung qualifizierter Mitarbeiter an den Standort Mecklenburg-Vorpommern. Dazu gehören vor allem moderne Beschäftigungsmodelle, auf die sich am Ende auch die Förderpolitik des Landes einstellen muss. „Denn was hilft mir die Ansiedlung eines Unternehmens mit Wachstumspotenzial“, fragt Bräuer abschließend, „wenn sich keine kreativen Leute finden lassen?“
Holger Garbs
redaktion( at )vc-magazin.de
Portfolio-Unternehmen (Auswahl) |
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Name |
Geschäftsfeld |
Sitz |
Beteiligt seit |
Airsense Analytics GmbH |
Messtechnik |
Schwerin |
2005 |
Cytocentrics AG |
Life Science |
Rostock |
2006 |
Solarlite GmbH |
Cleantech |
Duckwitz |
2010 |
new enerday GmbH |
Cleantech |
Neubrandenburg |
2011 |
Kurzprofil: Genius Venture Capital GmbH |
|
Typ: |
Venture Capital Gesellschaft |
Standort: |
Schwerin |
Gründung: |
1998 |
Investment Professionals: |
4 |
Verwaltete Fonds: |
1 |
Verwaltetes Kapital: |
13 Mio. EUR |
Internet: |
www.genius-vc.de, www.technologiefonds-mv.de |