Für die hiesige Zunft der M&A-Banker gehört bei Verkaufsmandaten die Ansprache von asiatischen Käufern bereits seit geraumer Zeit zum Alltag. An den etwa 30 Unternehmensauktionen, die Lincoln International in der DACH-Region jährlich auf der sogenannten Sell Side begleitet, nehmen regelmäßig mehrere Unternehmen aus Schwellenländern wie China, Taiwan oder Indien teil. In der Mehrheit der Fälle gelingt es ihnen allerdings noch nicht, sich bei den strukturierten Prozessen erfolgreich gegenüber entscheidungsfreudigeren und schnelleren westlichen Käufern oder Finanzinvestoren durchzusetzen. Allerdings gehen wir davon aus, dass in Zukunft Chinesen und Inder im deutschen M&A-Markt immer öfter den Durchmarsch bis zum Closing schaffen werden.
Die Asiaten verfügen über schnell wachsende Kriegskassen und Währungsreserven, die sie bei der aktuellen Euro-Schwäche entschlossen hierzulande anzulegen gedenken. Im Visier stehen neuerdings vermehrt profitable und damit teure Unternehmen, welche über führende Technologien sowie einen attraktiven Marktzugang zu europäischen Kunden verfügen. Hiervon betroffen sind Mid Caps in den Bereichen Automotive, Maschinenbau, IT, Gesundheitswesen und Energie. Für derartige Unternehmen sind asiatische Käufer bereit, infolge erwarteter längerfristiger Ertragssynergien signifikante strategische Prämien beim Kaufpreis zu bieten.
Darüber hinaus haben asiatische Unternehmen in den letzten Jahren ihre M&A-Expertise stark verbessert. Bei kompetitiven Bieterverfahren sind sie agiler und professioneller geworden. Doch nach wie vor verbleiben größere Herausforderungen für deutsche Verkäufer gerade im Umgang mit chinesischen Investoren. Im Unterschied zu indischen und taiwanesischen Firmen sind hier die Sprachbarrieren und kulturellen Unterschiede nicht zu unterschätzen. Derweil sind bereits mehrwöchige Verhandlungen erforderlich, um Vertraulichkeitserklärungen zu verhandeln. Bei Firmen im Staatsbesitz ist es wichtig, ein gutes Verständnis der Entscheidungsstrukturen sowohl auf Unternehmens- als auch auf Behördenebene zu entwickeln. Schließlich bedarf es hier zwischen Signing und Closing der formellen Genehmigung der jeweils zuständigen Provinz- oder Landesbehörden.
Bei den sechs mittelgroßen deutschen Unternehmen, die in den vergangenen 18 Monaten von Käufern aus China, Indien, Taiwan, Japan und Singapur übernommen wurden, hat es sich in der Regel für die Verkäufer gelohnt, bei den Kriterien Prozessgeschwindigkeit und Transaktionssicherheit gewisse Konzessionen und Risiken einzugehen. Dafür wurden sie aber mit attraktiven Veräußerungserlösen mehr als belohnt.
Zum Autor
Dr. Michael R. Drill ist Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit etwa 200 Mitarbeitern. In Deutschland hat Lincoln International im vergangenen Jahr 26 M&A-Deals erfolgreich abgeschlossen.