Zwei Strategien als Rettungsanker
Im Preiswettbewerb werden Unternehmen in Hochlohnländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz immer den Kürzeren ziehen. Die Margen in diesen wettbewerbsintensiven Branchen werden zumindest mittelfristig immer unattraktiv bleiben. Um den Kopf aus der Schlinge des Preiswettbewerbs ziehen zu können, helfen nur zwei Strategien: Die Marken- und/oder die Technologiestrategie. Voraussetzung, um eine Marke aufzubauen, ist ein üppiges Marketingbudget. Bei mittelständischen Unternehmen ist dieses Budget meist nicht ausreichend, um eine Marke aufzubauen, die hilft, den Wettbewerbsdruck zu mindern.
Nischen für den Mittelstand
Der Erfolg versprechende Weg von Mittelständlern zu attraktiven Margen ist der Aufbau technologischer Kompetenz, entweder im Produkt- oder im Produktionsbereich. Bewegt sich das Unternehmen zudem noch in einer Nische, in die der Einstieg größerer Konzerne aufgrund des Marktvolumens und der begrenzten Wachstumsmöglichkeiten nicht lohnt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch langfristig attraktive Margen erwirtschaftet werden können. Ein innovatives Unternehmen in Massenmärkten wie der Solar-, Pharma- oder Telekommunikationsbranche muss hingegen fürchten, dass ein technologischer Vorsprung viel schneller verspielt wird und die Marge unter Druck gerät, da diese Marktsegmente aufgrund der hohen Volumina und der Wachstumserwartung bei vielen finanzstarken Großunternehmen im Fokus stehen. Hingegen ist der Eintritt in Märkte, die weltweit nur einen Jahresumsatz von wenigen Hundert Millionen Euro erwarten lassen, für Großunternehmen nicht im Fokus.
Zentrale Fragen bei der Prüfung
Im Rahmen der Due Diligence einer Beteiligungsprüfung muss somit die technologische Kompetenz eines Unternehmens und dessen Marktposition intensiv analysiert werden. Typische Fragen bei dieser Prüfung sind „Wie groß ist das Marktsegment weltweit und wie hoch sind die Wachstumserwartungen?“, „Welchen Marktanteil hat das Unternehmen?“, „Welche technologischen Gefahren drohen in den nächsten Jahren?“, „Ist das Produkt für den Kunden eine kritische Komponente, sodass die Preiselastizität niedrig ist?“ oder „Welche Reputation hat das Unternehmen und dessen Wettbewerber bei den Kunden?“. Zur Prüfung müssen ausgewiesene Marktexperten hinzugezogen werden und auch Kunden und Wettbewerber müssen im Rahmen der Market Due Diligence ausführlich interviewt werden.
Weitere Investitionen sind Pflicht
Ist das Unternehmen anschließend im Portfolio des Private Equity-Investors, muss diese technologische Kompetenz gehegt und gepflegt werden und darf auf keinen Fall durch Kostenreduktionsprogramme gefährdet werden. Im Gegenteil: Durch Investitionen und durch Zukauf kleinerer Technologieunternehmen muss die technologische Position gehalten und ausgebaut werden. Die Themen Innovationen und technologische Weiterentwicklung müssen auf der Tagesordnung eines jeden Strategie-Meetings stehen. Einsparungen im Technologiebereich können zwar kurzfristig zu einer Verbesserung der Marge führen, mittelfristig können jedoch die Marge und somit auch der Unternehmenswert massiv gefährdet werden.
Qualität vor Preis
Zwei Beispiele für erfolgreiche mittelständische Unternehmen mit Technologiefokus sind Borsig und SHW Casting Technologies. Die Firma Borsig (www.borsig.de)ist ein international führender Hersteller von Apparaten für die chemische und petrochemische Industrie. Mit einem Umsatz von ca. 300 Mio. EUR hat das Unternehmen in einzelnen Produktbereichen einen Weltmarktanteil von bis zu 60%. Für die Kunden fertigt die Gesellschaft „kritische Komponenten“, von denen die Qualität des erzeugten Produktes maßgeblich abhängt. Aufgrund der hohen Bedeutung der technologischen Kompetenz von Borsig für die Kunden ist der Preis der Produkte nur einer von mehreren Entscheidungskriterien. Die technologische Kompetenz der Firma SHW CT (www.shw-ct.eu) liegt in der Produktionstechnik. Das Unternehmen gießt und bearbeitet für die Hersteller von Großmotoren Motorblöcke, die u.a. zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Die Gusstechnologie ist bei der neuesten Motortechnologie derart komplex, dass die Entwicklung neuer Motorgenerationen nur noch in enger Kooperation zwischen dem Motorentwickler und dem späteren Produzenten des Motorblocks erfolgen kann. Während die konventionellen Zweitaktgroßmotoren heute nahezu weltweit auf niedrigem Preisniveau produziert werden können, kommen für die Produktion der komplexen Viertaktgasmotoren weltweit nur eine Handvoll Gießereien infrage.
Fazit:
Bei der Auswahl von Beteiligungen spielt bei Finanzinvestoren die technologische Kompetenz und die Innovationsfähigkeit der Unternehmen somit eine wesentliche Rolle. Zum einen, da die technologische Wettbewerbsfähigkeit in Hochlohnländern die einzige Chance ist, attraktive Margen zu erwirtschaften. Zum anderen ist die zu erwartende Bewertung bei einem möglichen Verkauf eines Technologieunternehmens deutlich attraktiver als bei Unternehmen ohne nennenswerten USP.
Zum Autor
Dr. Andreas Kogler ist Vorstand der Berliner capiton AG (www.capiton.de). Seit dem Spin-off von der Gothaer Versicherungsgruppe im Jahr 1999 sowie dem MBO im Mai 2004 ist capiton als unabhängige, inhabergeführte Beteiligungsgesellschaft tätig. Die Investitionsschwerpunkte der Private Equity-Gesellschaft liegen in der verarbeitenden Industrie, dem Gesundheits- und Dienstleistungssektor sowie dem Bereich Konsum/Retail.