VC Magazin: Wie nehmen Sie die Hamburger Start-up-Szene derzeit wahr? In welchen Branchen tut sich besonders viel? Wo herrscht Flaute?
Nicklisch: Die traditionelle Medienmetropole hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Hamburg ist zwar noch immer Print-Hauptstadt, aber die meisten Innovationen kommen aus den Bereichen Mobile und Internet Solutions. Hier spielt auch die Gründer-Musik. Kaum eine Woche vergeht, in der in Hamburg nicht eine neue Web-Lösung entwickelt wird. Auch Unternehmen, die nach dem Platzen der New Economy-Blase am Boden waren, wie Intershop oder SinnerSchrader, haben wieder Fuß gefasst. Absolut spitze ist Hamburg als Standort für App-Entwickler – und die Hansestadt ist Deutschlands Gaming-Metropole. In Hamburg sitzen nicht nur die Marktführer wie Bigpoint und Intenium, sondern dutzende Spielefirmen, die extrem innovativ sind.
VC Magazin: Gibt es eine typisch norddeutsche Gründermentalität?
Nicklisch: Hamburg war immer eine Handelsstadt. Das spürt man auch bei Gründungen heute. Der Blick vieler junger Hanseaten geht auf den Handel, heute eben auf den Onlinehandel. Sehr schätze ich an norddeutschen Entrepreneuren, dass sie in der Regel mehr Durchhaltevermögen als andere haben. Und die hanseatischen Kaufmannstugenden findet man auch noch in der heutigen Generation.
VC Magazin: Was macht Hamburg anders als beispielsweise Berlin?
Nicklisch: Der Branchenmix beider Städte ist ähnlich. In Hamburg gibt es allerdings erfolgreichere Netzwerke wie etwa die IT-Initiative Hamburg@work. Auch die Förderung von Existenzgründern und jungen Betrieben ist sehr gut. Hier nenne ich die H.E.I. Hamburger Existenzgründungsinitiative und die Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg, die kleinen und mittleren Firmen mit Ausfallgarantien hilft.
VC Magazin: Wer investiert zurzeit in norddeutsche Start-ups?
Nicklisch: Viele Beteiligungsunternehmen und auch einige Venture Capital-Gesellschaften finanzieren Unternehmen, die schon relativ sicher laufen, weil das Risiko geringer ist. Sogar Kapital aus China sucht mittlerweile in Deutschland Anlagemöglichkeiten. Beteiligungsfirmen wie wir steigen eher bei kleinen Firmen ein, die auf ihren ersten Metern, der sogenannten Seed-Phase, nicht nur Geld, sondern auch Unterstützung und erfahrene Partner brauchen. Wir versuchen, den Turbo zu starten. Dabei kommt es nicht auf die Größe der kapitalgebenden Gesellschaft, sondern auf die eigene Erfahrung und eine gute Vernetzung an mit Kontakten, die Türen öffnen können.
VC Magazin: Was erwarten Sie von einem Start-up, das Ihre Hilfe in Anspruch nehmen möchte?
Nicklisch: Es reicht nicht, eine Powerpoint-Präsentation mit hochgerechneten Zahlen vorzulegen. Das Geschäftsmodell muss tragfähig und nach drei, vier Jahren profitabel sein. Entscheidend ist aber auch, ob das Managementteam brennt, ob es Ratschläge annimmt und bereit ist, auch über veränderte Herangehensweisen nachzudenken. Wer glaubt, er könne alles allein, wird über kurz oder lang scheitern.
VC Magazin: Was sind die häufigsten Fehler, die Start-up-Unternehmer machen?
Nicklisch: Die Liste ist lang: Es beginnt damit, dass oft ein klarer Fokus fehlt. Viele Gründer sind verliebt in ihre Idee und nicht bereit, diese kritisch zu hinterfragen. Außerdem werden Markt und Wettbewerb oft nicht oder nicht exakt genug analysiert. Ähnlich ist es mit dem Vertrieb, dem häufig nicht die Priorität eingeräumt wird, die notwendig ist. Auch kaufmännischen Fragen wird zu wenig Bedeutung eingeräumt. Der richtige Mix im Gründerteam ist wichtig. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die soziale Kompetenz der Gründer. Dies gewinnt in Wachstumsphasen enorm an Bedeutung.
VC Magazin: Welche Fallstricke lauern bei der Unternehmensfinanzierung?
Nicklisch: Häufig agieren die Gründer mit einer zu kurzen Finanzdecke. Sie unterschätzen die Zeit, die finanziell überbrückt werden muss, bis Gelder reinkommen. Auch werden zu viele Ausgaben für Nebensächlichkeiten getätigt, die nicht erfolgskritisch sind. Im Zuge des Wachstums werden oft auch zu viele Investoren an Bord geholt. Die vielen Köche aber verderben nicht selten den Brei – insbesondere, wenn sie kontroverse Ziele verfolgen.
VC Magazin: Danke für das Interview!
Jürgen Hoffmann
Redaktion(at)vc-magazin.de
Zum Gesprächspartner: Gerd Nicklisch ist geschäftsführender Gesellschafter und Gründer der Impala Consulting GmbH. Das Unternehmen begleitet Start-ups auf ihrem Weg zum Erfolg und beteiligt sich auch finanziell an Jungunternehmen mit dem Schwerpunkt Technologie, wie z.B. bei intelligentmobiles, newscope, indoo oder CompriseTec.