Akquisitionen in der Warteschleife
Die Rahmenbedingungen für Übernahmefinanzierungen sind kompliziert wie nie zuvor: Die sich zuspitzende EU-Staatsschuldenkrise sowie die kontinuierlich verschärften Regularien für Kreditinstitute (Stichwort: Basel I-III) und Finanzinvestoren erschweren es den Akteuren zunehmend, an dringend benötigtes Kapital zu günstigen Konditionen zu kommen. So haben die Finanzierungskosten für Leveraged Buyouts (LBO) ein historisches Hoch erreicht.
Obwohl die Zentralbanken den Finanzsektor weiter mit günstigen Mitteln versorgen, ist baldige Besserung nicht in Sicht. Im Gegenteil: Über die Hälfte der Finanzinvestoren rechnet laut aktuellem „Private Equity Trend Report 2012“ mit einer weiteren Verschärfung bei der Kreditvergabe, nur 6% erwarten eine Entspannung der Lage. Angesichts dieses Szenarios planen derzeit laut aktueller Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche (www.deloitte.com/de) nur vier von zehn Private Equity-Managern Neuinvestitionen. Sie konzentrieren sich stattdessen darauf, die Portfoliounternehmen durch Kostensenkungen und neue Wachstumsstrategien rentabler zu machen. Doch auch für das Portfolio kann die Finanzierung zur Herausforderung werden.
Anschlussfinanzierungen dringend gesucht
Bei den Portfoliounternehmen herrscht ebenfalls teilweise riesiger Kapitalbedarf: Die durchschnittliche Finanzierungslaufzeit von Firmenübernahmen beträgt fünf bis sieben Jahre. Da die Boomzeit der Branche in den Zeitraum zwischen 2005 und 2007 fiel, werden jetzt zahlreiche Folgefinanzierungen fällig, die jedoch aufgrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Gemengelage nicht problemlos zu strukturieren sind. So prognostiziert beispielweise PricewaterhouseCoopers (www.pwc.de) für dieses Jahr eine deutliche Zunahme von Convenant-Brüchen bei Private Equity-Portfoliounternehmen. Der Grund: Die getrübten Konjunkturaussichten schlagen nicht nur beim Cash Flow oder anderen zentralen Unternehmenskennziffern wie etwa dem EBITDA negativ zu Buche, sondern als direkte Folge davon auch bei den für die Kreditvergabe immer zentraleren Firmenratings.
Die seit Anfang des Jahres schrittweise in Kraft tretenden Regulierungen des Reformpaketes Basel III, das von den Kreditinstituten eine dickere Eigenkapitaldecke verlangt als bisher, werden diesen Konnex weiter zuspitzen. Das heißt: Die Geldinstitute drehen Firmen mit schlechter Bonität den Geldhahn zu. Dann sind mit klassischen Bankkrediten allein Anschlussfinanzierungen nicht zu generieren. Der Anteil alternativer Finanzierungslösungen wird im Bereich von Private Equity deshalb weiter zunehmen.
Factoring auf der Überholspur
Neben Mezzanine-Kapital kommt Factoring dabei zunehmend eine Schlüsselrolle zu. Denn anders als bei klassischen LBO-Finanzierungen oder der Kapitalbeschaffung über Firmenanleihen, wo die wirtschaftlichen Prognosen und Kennzahlen eines Unternehmens im Mittelpunkt stehen, zählt beim Factoring primär die Werthaltigkeit der bestehenden Forderungen. Diese werden zeitnah in Liquidität umgemünzt, die sich dann sowohl für Übernahmefinanzierungen, als auch für die fristgerechte Ablösung von Bankkrediten der Portfoliounternehmen oder als Liquiditätspuffer für Cash Flow verwenden lässt. Letzteres schlägt auch positiv bei einem Rating zu Buche.
Schnell, sicher und flexibel einsetzbar: Damit haben Factoringunternehmen in den jüngsten Finanzkrisenzeiten gepunktet und zweistellige Wachstumsraten von über 37% (2010) und 19% (2011) erzielt. Im vergangenen Jahr lag der Gesamtumsatz bei rund 157 Mrd. EUR, die Quote zwischen Forderungsvolumen und Bruttoinlandsprodukt betrug beachtliche 6%. Lag früher das Augenmerk auf Möbel- und Textilhersteller, operieren Factoringunternehmen mittlerweile branchenübergreifend und für Unternehmen jeder Größenordnung. Factoring ist insbesondere für den Mittelstand ein wichtiges Instrument für die Unternehmensfinanzierung geworden.
Notwendige Rahmenbedingungen
Große Nachhaltigkeit, breite Aufstellung, hohe Verlässlichkeit: Factoring ist auch in der Private Equity-Branche auf der Überholspur und als Finanzierungsfaktor nicht mehr wegzudenken. Um auf der sicheren Seite zu sein, gilt es trotzdem auf wichtige Rahmenbedingungen zu achten: So müssen die Forderungen frei von Ansprüchen Dritter, also an keine Bank verpfändet, sein. In so einem Fall muss mit der Bank über eine Forderungsfreigabe oder alternative Lösungen verhandelt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sogenannte Faktorabilität der Forderungen: Die Leistung muss vor der Rechnungsstellung tatsächlich erbracht worden sein, so dass Abschlagszahlungen, wie sie zum Beispiel beim Bau oder Maschinenbau durchaus üblich sind, ausscheiden. Vorsicht geboten ist auch bei Forderungen, die unter verschiedenen Rechtssystemen entstanden sind: Cross-Border-Factoring ist sehr komplex. Es wirft häufig rechtliche Fragestellungen auf.
Obacht bei der Wahl des Partners
Besonderes Augenmerk sollte bei Forderungsfinanzierungen auch auf die Refinanzierung der Factoringgesellschaft selbst gelegt werden, denn diese fungiert schließlich als direkter Geldgeber. Hier sind die Gesellschaften eindeutig im Vorteil, die zu einem kapitalstarken Finanzdienstleister gehören und alle Refinanzierungsfragen intern regeln können. So ist hohe Solidität gewährleistet. Risiken bestehen bei Factoringgesellschaften, welche von der Kreditpolitik ihrer Hausbanken abhängig sind. Denn wird dort der Liquiditätshahn zugedreht, heißt es: Trotz Factoring gefangen in der Finanzierungsfalle!
Zum Autor
Der Autor Bernd Renz, Dipl. Wirtschaftsjurist, ist seit Oktober 2011 Head of Structured Finance bei GE Capital (www.gecapital.de) in Deutschland.