Gründung mit einer internen Lösung
Die Initialzündung für die heutige LBBW Venture Capital GmbH fällt in die Zeit, als die Börsenblase gegen Ende des letzten Jahrtausends immer noch an Volumen gewann. „Im Jahr 1999 wollte ein Geschäftskunde der BW Bank eine Pre-IPO-Finanzierung haben. Das war der Anstoß zu einem eigenen Venture Capital-Arm, der 2000 dann offiziell gegründet wurde“, erklärt Geschäftsführer Harald Fuchs. Die Zusammenstellung eines Teams glich eigentlich einer „Mission Impossible“, blickt er zurück: „Wir haben Headhunter beauftragt, die uns Angebote mit doppelt so hohem Fixgehalt wie unser Vorstand brachten.“ Aus der Not wurde dann eine Tugend gemacht und nach einer internen Lösung gesucht. Fuchs als erster Geschäftsführer brachte bereits zwölf Jahre Erfahrung als Banker mit und der heutige Prokurist Mattias Götz den frischen Wind. Er stieg noch während seines dualen Studiums als erster Mitarbeiter ein. Gleich zu Beginn erhielt das Team einen zweistelligen Millionenbetrag, der als Evergreen-Fonds seitdem kontinuierlich gewachsen ist. „Gemäß unserer Sprachregelung bewegen wir uns heute im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, erklärt Götz und deutet mit einem verschmitzten Lächeln schwäbisches Understatement an.
Zehn Fondsbeteiligungen und ein Spezialfall
Aufgrund ihrer Historie verwaltet LBBW Venture Capital zudem noch rund zehn Investments in Fonds aus Großbritannien und Deutschland. „Mit dem Zusammenschluss unserer Mutter BW Bank mit der Landesbank Baden-Württemberg, zu der die Süd Venture Capital gehört hat, haben wir im Jahr 2004 auch deren Portfolio übernommen“, sagt Fuchs. Venture Capital-Manager auf Kapitalsuche für einen neuen Fonds können die Königstraße 10 in Stuttgart allerdings gleich wieder von ihrer Besuchsliste streichen. „Diese Engagements laufen aus, wir konzentrieren uns auf Direktbeteiligungen“, erklärt Götz. Daneben betreut die LBBW Venture Capital GmbH mit dem sogenannten Seedfonds BW noch ein Vehikel, das sich speziell an Gründer in Baden und Württemberg richtet. „Dabei handelt es sich um einen Treuhandfonds, der nur virtuell besteht“, klärt Fuchs auf. Vier Partner sind zu gleichen Teilen beteiligt, die Verwaltung liegt in den Händen von Fuchs und seinem Team. Ins Leben gerufen wurde dieser Topf aus Gründen der Hebelwirkung: „Uns schien 2009 der Anteil von Engagements des High-Tech Gründerfonds bei uns vor Ort mit gut 5% an seinen gesamten Deals zu niedrig. Durch den Seedfonds BW haben wir diesen Anteil auf knapp 10% erhöht“, freut sich Fuchs. Über welche konkrete Summe das virtuelle Vehikel verfügt, möchte er dennoch für sich behalten – lieber nennt er eine Zielgröße von zehn möglichen Deals.
Klassischer Anschlussfinanzierer
Während bei Investments des Seedfonds BW klar eine Unterstützung der regionalen Gründerszene im Vordergrund steht, sind die Kriterien für den Evergreen-Fonds deutlich breiter ausgelegt. So können Fuchs & Co. im gesamten deutschsprachigen Raum investieren, setzen bei intensiver Betreuung aber eine regionale Erreichbarkeit voraus. Auch das Alter des Unternehmens spielt keine Rolle – „es muss sich nur um eine Venture Capital-Finanzierung handeln“, erklärt Fuchs. Echte Grenzen setzen dagegen die finanziellen Möglichkeiten: Ihrem Selbstverständnis nach verstehen sich die Stuttgarter als klassischer Anschlussfinanzierer an den High-Tech Gründerfonds. Möglich sind insgesamt 6 Mio. EUR pro Unternehmen, wobei in der ersten Runde maximal 2 Mio. EUR fließen. Auch bei den Branchen gibt es mehr oder minder präzise Vorgaben, die sich in der Aufteilung in die drei Teams Life Sciences, IT und, etwas vage benannt, Technology widerspiegeln. „Hier finanzieren wir Querschnittstechnologien bzw. all das, was Baden-Württemberg groß gemacht hat“, erklärt Götz. Schwieriger seien tendenziell Engagements im Bereich Wirkstoffentwicklung, grenzt Fuchs ein Segment aus: „Dort sind die Tickets oft zu groß und wir haben dann zu wenig Einfluss.“
Kurzprofil: LBBW Venture Capital GmbH |
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Typ: |
Venture Capital-Gesellschaft |
Standort: |
Stuttgart |
Gründung: |
2000 |
Zahl der Investment Professionals: |
6 |
Verwaltetes Volumen: |
mittlerer zweistelliger Mio.-EUR-Betrag |
Anzahl Portfolio-Unternehmen: |
19 |
Internet: |
Fünf Deals von potenziell 500
Beim Dealflow werde die „gesamte Klaviatur“ gespielt, meint Götz. Gerade in der Anfangszeit zu Beginn des Jahrtausends spielte der breite Marktzugang über die Landesbank Baden-Württemberg als Muttergesellschaft die größte Rolle, in den vergangenen elf Jahren hat sich LBBW Venture Capital aber auch zahlreiche eigene Kanäle eröffnet. „Wir haben uns mit diversen Technologie-Netzwerken verdrahtet und beteiligen uns auch bei Initiativen wie CyberOne oder Venture Lounge, um schon früh innovative Unternehmen kennenzulernen“, berichtet Götz. „Außerdem haben wir uns kontinuierlich einen Namen als verlässlicher Partner aufgebaut, weshalb wir auch von anderen Investoren zu ausgewählten Deals eingeladen werden“, ergänzt Fuchs. Insgesamt gehen so 400 bis 500 Businesspläne pro Jahr ein, von denen ca. 100 genauer angesehen werden. Im nächsten Schritt können sich dann 50 bis 60 Teams pro Jahr in Stuttgart vorstellen. „Neben Produkt und Markt achten wir auch immer auf die Überzeugungskraft der Gründer. Das fachliche Können ist ebenso wichtig wie die Chemie innerhalb des Teams“, erklärt Götz. Diese Hürde überschreiten meist 15 bis 20 Jungunternehmen und steigen in intensive Gespräche ein.
„Gute Ideen warten nicht auf Investoren, deshalb bemühen wir uns insgesamt um Schnelligkeit“, sagt Fuchs. Kapitalsuchende Unternehmen können jedenfalls ihren Teil zur Beschleunigung beitragen, ist Götz überzeugt: „Wenn ein Team professionell vorbereitet ist, können zwischen erster Anfrage und Unterschrift gerade einmal zwei Monate liegen.“ Formal gibt es aufseiten der LBBW Venture Capital GmbH drei Entscheidungsebenen bei einem Deal. In der ersten Runde muss das jeweilige Branchenteam überzeugt sein, dann folgt eine Präsentation vor der kompletten Runde der sechs Investmentmanager, die im Konsens entscheiden müssen. „Die endgültige Entscheidung trifft schließlich ein Gremium der LBBW“, so Fuchs.
Trade Sales bevorzugt
Im Prozess der Entscheidungsfindung profitiert das Team mittlerweile von der zwölfjährigen Erfahrung und ist deutlich schneller als in der Anfangszeit. Im Rückblick freuen sich Fuchs und Götz aber unisono über den frühen Mangel an Geschwindigkeit: „Wir haben zwar manchen Deal verpasst, hatten aber deswegen auch geringere Verluste nach dem Niedergang des Neuen Markts. In unserem Portfolio waren einfach weniger Unternehmen mit zu hohen Bewertungen.“ Da LBBW Venture Capital als Evergreen-Fonds agiert, herrscht auch kein Verkaufsdruck. Die branchenübliche Haltedauer von fünf bis sieben Jahren gilt aber als Leitfaden. Auch hinsichtlich der bevorzugten Exit-Kanäle wird üblicherweise ein Trade Sale angestrebt. „Ein IPO ist zwar spannend, muss aber zum Unternehmen passen. Und junge Unternehmen liegen meist deutlich unter der Mindestgröße von 100 Mio. EUR Marktkapitalisierung“, meint Fuchs. Die bisherige Strategie – mit dem dreistelligen Millionenerlös für Ganymed 2008 als bisheriges Highlight – ging jedenfalls auf. Götz: „Durch den Rückfluss von Gewinnen ist unser Fonds kontinuierlich gewachsen, dazu schütten wir seit ein paar Jahren auch Gewinne an unseren Gesellschafter aus.“ Sofern die Weltwirtschaft von großen Erschütterungen verschont bleibt, werden im nächsten Jahr größere Summen ausgezahlt: Für eine Beteiligung besteht eine Option im mittleren dreistelligen Millionenbereich.
Torsten Paßmann