Banken agieren zurückhaltend
Studien führender Wirtschaftsforschungsinstitute zeigen, dass sich die Konjunkturaussichten – zumindest für 2012 – zunehmend eintrüben. Nichtsdestotrotz stehen zahlreiche Unternehmen vor einem Nachfolgethema bzw. wollen manche Unternehmen gerade deswegen Chancen auf eine attraktive Akquisition aufgrund niedrigerer Bewertungsniveaus nutzen. Der Trend, solche Transaktionen mit einem – im Vergleich zu früheren Jahren – niedrigeren Leverage-Niveau zu finanzieren, ist schon länger erkennbar. Dies mag zum einen auf eine verstärkte Risikofokussierung von (Groß-)Banken als Auswirkung der Wirtschaftskrise zurückzuführen sein, andererseits aber auch auf das verstärkte Risikobewusstsein der Unternehmen in Hinblick auf eine solide Finanzierungsstruktur. Aktuell wird die Situation für finanzierungssuchende Unternehmen dadurch verschärft, dass manche (Groß-)Banken selbst in eine schwierigere Situation gekommen sind und bei der Finanzierung (mittelständischer) Unternehmen besonders vorsichtig bzw. zurückhaltend agieren.
Fieberkurve zeigt Kapitalbedarf
Gesellschafterwechsel in Zeiten unsicherer Konjunkturaussichten und schwerer abzuschätzender Auswirkungen auf das Unternehmen erfordern eine auch im Krisenfall flexible Finanzierungsstruktur. Konjunkturbedingt kann sich für Unternehmen durchaus eine Situation ergeben, die sich sinnbildlich mit einer Fieberkurve vergleichen lässt, wobei die Körpertemperatur eines Menschen dem Liquiditätsbedarf eines Unternehmens entspricht (siehe Abb. 1). Während der durchschnittliche Kapitalbedarf (grüne Linie) von jedem Unternehmen meist problemlos dargestellt und aufgebracht werden kann, sind hingegen bei – aus welchen Gründen auch immer – stark schwankenden aktuellen Liquiditätsbedürfnissen (rotes Feld unter blauer Linie) viele Unternehmen überfordert.
Risikokapital hilft gegen Fieber
Grundsätzlich sollte ein Unternehmen über Finanzierungsrahmen verfügen, die ausreichend sind, um auch Phasen einer „erhöhten Temperatur“ bis hin zu einem „echten Fieber“ zu vertragen. Bereits hier ist es wichtig, auch über flexible und nachrangige Kapitalarten wie etwa Mezzanine-Kapital oder Eigenkapital (= Private Equity) zu verfügen. Essenziell bzw. lebensrettend wird Risikokapital aber spätestens dann, wenn die kritische Temperatur (42° C) überschritten wurde und die Fieberkurve noch weiter nach oben ausschlägt, wie es viele Unternehmen bereits während der letzten Wirtschaftskrise erleben mussten. Diese Situation kann gleichermaßen für Menschen wie für Unternehmen lebens- bzw. existenzbedrohend werden, wenn z.B. in der Vergangenheit langfristige Investitionen kurzfristig finanziert wurden und dann in Zeiten eines akuten Liquiditätsbedarfs auch keine weiteren Finanzierungslinien mehr zur Verfügung gestellt werden (können). Die Erhöhung des Grenzwertes (gestrichelte schwarze Linie) ist das Ziel einer flexiblen Finanzierungsstruktur, ohne diesen erhöhten Grenzwert droht die Insolvenz (rotes Feld).
„Sicherheitspolster“ essenziell
Eine auch in Ausnahmesituationen widerstandsfähige Finanzierungsstruktur verfügt idealerweise über einen Sockel mit Risikokapital (Eigen- und/oder Mezzanine-Kapital). Neben der sicheren Basis, die eine solide Eigenkapitalquote verschafft, bietet die Flexibilität von Mezzanine-Kapital große zusätzliche Sicherheit, da Tilgungen im Falle fehlender Cashflows zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden können und solche Situationen zu keiner Fälligstellung führen. Darüber hinaus werden die Bilanzstruktur und die Haftkapitalquote gestärkt, wodurch ein verbessertes Ratingergebnis erzielt wird und Sicherheiten für zukünftige Projekte nicht gebunden werden. Durch jeden „neuen“ Euro an Eigenkapital und Mezzanine-Kapital lässt sich im Schnitt eine Multiplikation auf ein bis zwei weitere Euro Fremdkapital erreichen. In Zeiten, in denen die eigenen Kunden – oft sehr kurzfristig – eine Verlängerung der Zahlungsziele benötigen, die Lieferanten ihr Geld aber früher haben wollen, kann eine solide Haftkapitalquote ein Argument sein, zusätzliche Linien für die Überbrückung dieser Situation zu bekommen. Für Unternehmen, die dieses „Sicherheitspolster“ nicht haben, kann – wieder das Bild der Fieberkurve verwendend – das plötzliche Fieber (= kurzfristig auftretender, zusätzlicher Liquiditätsbedarf) tödlich sein.
Checkliste für den Gesellschafterwechsel
Bei der Strukturierung der optimalen Finanzierungsstruktur für einen Gesellschafterwechsel sollten jedenfalls folgende Themen berücksichtigt werden:
- Anpassung der Laufzeiten und Tilgungstermine an die Kapitalflüsse des Unternehmens – Flexibilisierung in Abhängigkeit der Unternehmensentwicklung
- Erfolgsabhängige Finanzierungskosten
- Nach Möglichkeit Einbeziehung des Verkäufers in die vertragliche Gestaltung der Kaufpreiszahlung durch Vereinbarung von Vendor Loans (Verkäuferdarlehen zur Kaufpreisstundung) oder Earn-outs (variable Zahlung, bei der ein Teil des Kaufpreises vom zukünftigen Unternehmenserfolg abhängt)
- Wahl des Kapitalnehmers: Muttergesellschaft, Zwischengesellschaft (NewCo) oder zu kaufende Zielgesellschaft (Target)
- Strukturierung verschiedener Fremdkapitalschichten: Akquisitionslinien für den Anteilserwerb, Investitions-(Capex-)Linien, Betriebsmittellinien für Working Capital-Finanzierungen
- Sicherstellung einer soliden Haftkapitalquote durch einen kreativen Finanzierungsmix und unter Beachtung aller Fördermöglichkeiten, um ein entsprechend gutes Rating aufweisen zu können
- Sinnvolle (Finanz-)Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung
Zum Autor
Dr. Roland Leitinger ist Geschäftsführer des 2006 gegründeten Oberbank Opportunity Fonds mit Sitz in Linz (Oberösterreich). Er verfügt über viele Jahre Erfahrung in der Private Equity- und Mezzanine-Kapital-Szene als Kapitalgeber und Unternehmensberater und hat zahlreiche Publikationen zu diesem Thema verfasst. www.oberbank.at, www.oberbank-equity.at