Ziel: Der Europäische Risikokapitalfonds
Am 7. Dezember 2011 hat die Europäische Kommission (www.ec.europa.eu)einen Vorschlag für eine Verordnung (VO) veröffentlicht, der es den Verwaltern von Venture Capital-Fonds, die in bloß einem Mitgliedstaat registriert sind, ermöglichen soll, ohne weitere Beschränkungen grenzüberschreitend Geld einzuwerben. Die Fonds erhalten so erleichterten Zugang zu einem breiten Investorenpool. Kernpunkt des Vorschlags ist die Schaffung sog. Europäischer Risikokapitalfonds. Alle Fonds, die diese Bezeichnung verwenden, müssen einheitliche Vorschriften und Qualitätsstandards einhalten. Das Regelwerk soll dafür sorgen, dass Anleger genau wissen, was sie bekommen, wenn sie ihr Geld in einem derartigen Fonds anlegen.
Zusammensetzung Investmentportfolio
Als Voraussetzung für die Verwendung der Bezeichnung „Europäischer Risikokapitalfonds“ müssen die Verwalter sicherstellen, dass zumindest 70% des aggregierten eingebrachten Kapitals in Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Instrumente sogenannter qualifizierter Portfoliounternehmen investiert werden. Dabei handelt es sich um kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), deren Anteile nicht an einem geregelten Markt notiert sind, die weniger als 250 Personen beschäftigen und entweder über einen Jahresumsatz von höchsten 50 Mio. EUR oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR verfügen. Die verbleibenden 30% des eingebrachten Kapitals dürfen in beliebige andere Vermögenswerte investiert werden. Darüber hinaus müssen die Verwalter auf Ebene der Europäischen Risikokapitalfonds auf jegliche Hebelwirkung verzichten, weshalb sie keine Darlehen aufnehmen, Schuldtitel ausgeben, Garantien stellen oder sonstige Transaktionen vornehmen dürfen, durch die sich das Risiko des Fonds erhöht.
Zielgruppe: professionelle Kunden
Anteile an Europäischen Risikokapitalfonds dürfen grundsätzlich nur an professionelle Kunden wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und große Unternehmen vertrieben werden. Ein Vertrieb an andere Anleger – etwa vermögende Einzelpersonen – ist nur zulässig, wenn (i) sich diese verpflichten, mindestens 100.000 EUR zu investieren und (ii) der Fondsverwalter ein bestimmtes Verfahren einhält, das klären soll, ob der Anleger in der Lage ist, seine Anlageentscheidungen selbst zu treffen und die damit einhergehenden Risiken zu verstehen.
Umfassende Berichtspflichten
Ferner sieht der VO-Vorschlag einheitliche Berichtspflichten für Europäische Risikokapitalfonds vor. Demnach müssen die Fondsverwalter der zuständigen Behörde jenes Mitgliedstaates, in dem der Verwalter niedergelassen ist oder seinen satzungsmäßigen Sitz hat, für jeden verwalteten Venture Capital-Fonds spätestens sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres einen Jahresbericht vorlegen. Dieser hat die Zusammensetzung des Portfolios und die Tätigkeiten des vergangenen Jahres zu beschreiben. Darüber hinaus muss der Bericht einen geprüften Jahresabschluss des Fonds enthalten. Auf Anfrage haben die Verwalter den Jahresbericht auch den Anlegern zur Verfügung zu stellen.
Registrierung im Herkunftsland
Fondsverwalter, welche die Bezeichnung „Europäischer Risikokapitalfonds“ verwenden wollen, haben die zuständige Behörde ihres Herkunftsmitgliedstaates darüber in Kenntnis zu setzen und dieser folgende Informationen vorzulegen:
- Identität der Personen, welche die Geschäfte zur Verwaltung des Fonds führen;
- Identität der Risikokapitalfonds, deren Anteile vertrieben werden sollen;
- Angaben zu den Vorkehrungen, welche die Einhaltung der Vorschriften der VO gewährleisten sollen;
- eine Liste der Mitgliedstaaten, in denen der Fondsverwalter den Europäischen Risikokapitalfonds zu vertreiben beabsichtigt.
Die Behörde prüft anschließend die vom Verwalter gemachten Angaben auf Vollständigkeit und untersucht, inwieweit die angegebenen Vorkehrungen geeignet sind, die Einhaltung der VO zu gewährleisten. Mit Registrierung erhält der Verwalter das Recht, Risikofonds in der gesamten Europäischen Union unter der Bezeichnung „Europäischer Risikokapitalfonds“ zu vertreiben. Unmittelbar nach Registrierung hat die Behörde des Herkunftsmitgliedstaates jene Behörden zu informieren, in deren Aufsichtsgebiet der Risikofonds ebenfalls vertrieben werden soll. Zusätzlich ist die European Securities and Markets Authority (ESMA, www.esma.europa.eu) von der Registrierung des Europäischen Risikokapitalfonds in Kenntnis zu setzen. Die laufende Aufsicht des Fonds erfolgt dann durch die zuständige Behörde im Herkunftsmitgliedstaat.
Fazit
Eine europaweite Regulierung von Venture Capital-Fonds ist – insbesondere aufgrund der anhaltenden Finanzkrise und dem daraus resultierenden erschwerten Zugang zu Fremdkapital für KMU – dringend geboten. Die Initiative der EU-Kommission ist dementsprechend zu begrüßen. Man darf gespannt sein auf die konkrete Ausgestaltung.
Zum Autor
MMag. Roman Rericha ist Rechtsanwalt bei Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH (www.btp.at) in Wien und Autor diverser Fachpublikationen. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen Private Equity und Venture Capital-Transaktionen, M&A, Finanzierungstransaktionen und Gesellschafts- sowie Kapitalmarktrecht.