Suche nach einem Zielunternehmen
Ein Blick in den Fünfjahresplan Chinas zeigt, dass – neben der Stärkung der Binnenwirtschaft – die Förderungsschwerpunkte in den Bereichen Energie und Umwelt, Globalisierung einerseits und Urbanisierung in China andererseits sowie bei Innovationen in der Industrie und im Dienstleistungsbereich liegen sollen. Dies sind auch die zukünftigen Schwerpunkte chinesischer Investoren, die inzwischen z.T. selbst über gute Technologie und Know-how verfügen und entsprechend ihre Zielunternehmen aussuchen. Bei dieser Suche zeichnet chinesische Käufer eine – aus europäischer Sicht – durchaus unkonventionelle Verfahrensweise aus; nicht selten werden private Kontakte eher genutzt als Investmentberater eingesetzt, um den Markt zu analysieren. Ein Grund hierfür ist ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein in der Vorbereitungsphase von Unternehmenskäufen. Zu einem erheblichen Teil beruht diese Form der Marktbeobachtung und Ansprache von potenziellen Zielunternehmen jedoch auch auf der Annahme, durch Nutzung vorhandener Kontakte und Beziehungen gegenüber Wettbewerbern bzw. anderen Bietern in eine vorteilhaftere Position zu gelangen. Für deutsche Unternehmen, die an einem chinesischen Investor interessiert sind, ist es daher empfehlenswert, Informationen über den Verkaufsprozess möglichst breit zu streuen.
Privatunternehmen sind auf dem Vormarsch
Vielfach werden chinesische Auslandsakquisitionen durch chinesische Sovereign Wealth Funds bzw. Konzerngesellschaften chinesischer Staatsunternehmen getätigt. Bei genauerem Hinsehen trifft dies für Investitionen in Deutschland jedoch nicht immer zu: Viele der Unternehmenskäufe wurden von chinesischen Privatunternehmen getätigt, zwar z.T. mit kleineren Volumina, jedoch in kürzerer Zeit, als es die komplexen Entscheidungsstrukturen chinesischer Staatsbetriebe erlauben. Für das Jahr 2012 wird allgemein erwartet, dass es die privaten Unternehmen sein werden, die die Welle chinesischer Auslandsinvestitionen anführen. Zudem ist die China Development Bank (CDB, www.cdb.com), wesentliche Kreditgeberin für Auslandsinvestitionen, inzwischen gehalten, vor allem die chinesische Privatindustrie bei deren Auslandsinvestitionen zu unterstützen. Die Erfahrung zeigt ferner, dass die regulatorischen Vorgaben, die chinesische Käufer bei Auslandsinvestitionen einhalten müssen, chinesische (private) Unternehmenseigentümer an der Umsetzung ihrer Kaufentscheidung nicht hindern.
„Deal Security“ vs. Genehmigungsmarathon Trotz der Entscheidungsfreude chinesischer Privatinvestoren kann nicht wegdiskutiert werden: Chinesische Käufer müssen größere regulatorische Hürden nehmen als andere (ausländische) Investoren. Steht für einen deutschen Verkäufer im Vordergrund, eine Unternehmenstransaktion schnell und sicher durchzuführen, ist es hilfreich, einschätzen zu können, über welche politischen Verbindungen der chinesische Käufer verfügt, die gegebenenfalls zu einer Beschleunigung der innerchinesischen Verfahren führen. Positiv ist, dass chinesische Unternehmen eine geplante Transaktion inzwischen bereits vorab informell bei der zuständigen National Development and Reform Commission (NDRC, en.ndrc.gov.cn) vorlegen können, um zu klären, ob das Vorhaben genehmigungsfähig ist. Neben dieser Genehmigung sind weitere Genehmigungen des Ministry of Commerce (MOFCOM, www.mofcom.gov.cn) sowie der State Administration of Foreign Exchange (SAFE, www.safe.gov.cn) einzuholen, gegebenenfalls natürlich auch eine kartellrechtliche Freigabe (ebenfalls MOFCOM für China). Handelt es sich bei dem chinesischen Käufer um ein börsennotiertes Unternehmen, ist außerdem die Genehmigung der China Securities Regulatory Commission (CSRC, www.crsc.gov.cn) erforderlich.
Voraussetzung: Unbedenklichkeitsbescheinigung Da chinesische Investoren im Regelfall alle oder zumindest die Mehrheit der Anteile in einem deutschen Zielunternehmen erwerben wollen, ist es ferner notwendig, nach deutschem Außenwirtschaftsrecht eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Erwerb zu erhalten, die immer dann erforderlich ist, wenn an einem deutschen Unternehmen 25% oder mehr durch einen Nicht-EU-Ausländer erworben werden. Eine Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung kann dann erfolgen, wenn der Erwerb „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“. Diese Regeln gelten auch dann, wenn der Erwerb des chinesischen Investors über eine Zweigniederlassung in Deutschland oder anderen Ländern der EU erfolgt. Soweit bekannt ist, hat die Bundesregierung bislang in keinem Fall die Ausstellung einer solchen Bescheinigung für einen chinesischen Investor verweigert.
Faktor Arbeitnehmer
Chinesische Investoren haben häufig nicht die personellen Ressourcen, wichtige Funktionen in deutschen Zielunternehmen mit eigenem Personal zu besetzen oder insgesamt die Integration des erworbenen Unternehmens schnell voranzutreiben. Sie sind darauf angewiesen, dass Managementpositionen und andere wichtige Schlüsselfunktionen weiterhin von deutschen Mitarbeitern übernommen werden. Nachteilig ist, dass neue Impulse, die das deutsche Unternehmen benötigt, um z.B. eine wirtschaftliche Schieflage zu überwinden, von dem Investor möglicherweise nicht schnell genug gegeben werden können. Gleichzeitig bestehen regelmäßig Befürchtungen der Arbeitnehmer, dass Arbeitsplätze in großem Umfang nach China „verlagert“ werden, weswegen chinesische Investoren in Deutschland häufig von den Arbeitnehmern abgelehnt werden. Wenn der chinesische Käufer, wie nicht unüblich, die Durchführung des Unternehmenskaufes davon abhängig macht, dass das Management und bestimmte Arbeitnehmer (z.B. im Bereich Forschung und Entwicklung) ihre weitere Tätigkeit für das deutsche Unternehmen zusagen, können solche Bedenken die Transaktionssicherheit für einen deutschen Verkäufer erheblich beeinträchtigen. Ein gut strukturiertes Verfahren, um die Arbeitnehmer über die Pläne des chinesischen Investors zu informieren, ist daher aus Sicht des deutschen Verkäufers wichtig und sollte von ihm unterstützt werden.
Kaufpreis und Finanzierung
Für chinesische Investoren stellt im Allgemeinen die Finanzierung des Kaufpreises kein Problem dar; unter dem Aspekt Transaktionssicherheit ist dies ein klarer Pluspunkt. Die fehlende Konvertibilität der chinesischen Währung ist in diesem Zusammenhang regelmäßig ebenfalls unproblematisch, und nicht selten verfügen chinesische Investoren sowieso über die notwendigen Devisenquellen. Muss der Kaufpreis über einen Kredit finanziert werden (insbesondere also durch die CDB), ist allerdings durchaus damit zu rechnen, dass an die Finanzierungszusage Bedingungen geknüpft werden, die eine Reinvestition in China zur Folge haben. Deutsche Unternehmen sollten also darauf vorbereitet sein, dass der chinesische Investor schon bald noch Closing-Investitionen aus Deutschland heraus in China plant, z.B. zur Schaffung neuer Absatzmärkte in Asien.
Ausblick
Deutsche Venture Capital-Unternehmen, die eine Technologie in den Bereichen anbieten, die vom chinesischen Staat gefördert werden, können mit erheblichem Interesse chinesischer Investoren rechnen; für sie liegt die Herausforderung darin, auf formellen wie auch auf informellen Wegen potenzielle chinesische Käufer anzusprechen. Private Equity-Fonds werden in Zukunft gut beraten sein, wenn sie chinesischen Investoren durch eine flexible Handhabung von Auktionsverfahren die Möglichkeit geben, im Bieterwettbewerb ihre Stärke als liquide Käufer auszuspielen.
Zur Autorin
Dr. Stefanie Tetz ist Partnerin der internationalen Rechtsanwaltssozietät Clifford Chance (www.cliffordchance.com). Sie hat das Pekinger Büro der Sozietät von 1996 bis 2000 geleitet und ist jetzt Head des China Desk in Deutschland. Sie ist auf internationale M&A-Transaktionen spezialisiert und berät u.a. verschiedene chinesische Unternehmen bei ihren Investitionen in Deutschland.