Die Zukunft der Energieversorgung ist (wieder) dezentral

Grenzen der Zentralisierung

Diese vielleicht fundamentalste Veränderung in der Organisation der Energieversorgung erscheint auf den ersten Blick wie die Rückbesinnung auf „alte Werte“, beruht aber tatsächlich darauf, dass die Wirtschaftlichkeit eines zentralistischen Energieerzeugungs- und Verteilungssystems Grenzen erreicht. An vorderster Stelle sind hier die Kosten für den Ausbau der Stromnetze zu nennen, insbesondere der Höchstspannungsübertragungsnetze zum Transport des Windstroms von Nord-/Ost- nach Süddeutschland. Die dabei anfallenden Kosten sind heute nicht abschließend kalkuliert. Deren Finanzierung ist heftig umstritten und ein Spielball im Interessengeflecht von Übertragungsnetzbetreibern, Energieversorgern, Windfarmbetreibern und Politik.

Instabile Netze, unzuverlässige Versorgung

Ein weiterer Punkt für dezentrale Energieversorgung erschließt sich beim Blick über die Grenzen, wobei man nicht auf weit entfernte Länder schauen muss. Instabile Stromnetze sind ein Problem in vielen Ländern, und zwar auch in denjenigen, die nur geringe Mengen stochastischer, erneuerbarer Energie in die Stromnetze einspeisen. Damit verbunden ist wiederrum das Problem der mangelnden Verlässlichkeit der Energieversorgung insbesondere für Industrie und Konsumenten. In gut organisierten Märkten, z.B. in Japan, werden Stromabschaltungen vorher für bestimmte Regionen und Zeiten definiert und bekannt gegeben. In anderen Ländern sind hingegen besonders kostenintensive, weil ungeplante Stromabschaltungen an der Tagesordnung. Die Liste der Volkswirtschaften, deren Wettbewerbsfähigkeit hierunter leidet, ist lang.

Alternative Technologien

Der Wert einer unabhängigen und verlässlichen Stromversorgung wird also schnell klar. Die damit verbundenen Diskussionen werden heutzutage unter dem Stichwort der energetischen Autarkie geführt. Der Verbrauch eigenproduzierter Energie rückt in das Blickfeld der Konsumenten. Darüber hinaus sichert autarke Energieversorgung die Produktion von Unternehmen und stellt für sie somit einen Wettbewerbsvorteil dar. Technologien für autarke Energieversorgung sind zu einem großen Teil bereits verfügbar und werden auch schon eingesetzt. Die weltweit am weitesten verbreitete Anwendung sind sogenannte Gensets, meist mit Dieselkraftstoff betriebene Generatoren. Das Beispiel zeigt auch, dass autarker Stromversorgung noch erhebliche Effizienzpotenziale innewohnen.

In Punkto Effizienz ist an erster Stelle die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu nennen, die mit einem Gesamtwirkungsgrad von meist über 90% im Vergleich die beste Energieausbeute liefert. Des Weiteren werden dezentrale Energiespeicher eine wichtige Rolle spielen. Durch sie wird überschüssig produzierte Energie bedarfsgerecht abrufbar, und sie ermöglichen eine Preis-Arbitrage, wenn z.B. Strom bei Verbrauchsspitzen zu Höchstpreisen ins Stromnetz verkauft wird. Andere Technologien führen unterschiedliche Energiequellen zu hybriden Energiesystemen zusammen. Kombinationen von z.B. Photovoltaik, Sonnenkollektoren oder Blockheizkraftwerken werden intelligent gesteuert – mit dem Ziel einer effizienten und bedarfsgerechten Energieversorgung.

Viele Beispiele für Wirtschaftlichkeit

Hinweisen sollte man auch auf die Rolle der erneuerbaren Energien im Kontext der dezentralen Energieversorgung. Die allermeisten Anwendungsgebiete von erneuerbarer Energie sind per se dezentral. Einzig die Offshorewindparks erreichen die Leistungsklasse typischer Kraftwerke. Insofern gibt es bereits heute viele globale Anwendungsfälle, in denen Strom aus Photovoltaik oder Wärme bzw. Strom aus Biogas wirtschaftlich vorteilhaft ist, ohne dass es hierzu Subventionen oder eines Einspeisetarifs wie des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (www.eeg-aktuell.de) bedarf.

Ausblick

Ob sich die dezentrale Energieversorgung durchsetzen wird, hängt von deren Wirtschaftlichkeit ab. Als Bestandteil jeder Wirtschaftlichkeitsberechnung müssen dabei die Opportunitätskosten einer zentralen Energieversorgung und der Wert einer zuverlässigen Energieversorgung einkalkuliert werden. Die Frage der Wirtschaftlichkeit wird aber von bestimmten technologischen Herausforderungen beeinflusst: der Verfügbarkeit kostengünstiger Energieerzeugungsanlagen mit einer Leistung kleiner als 1 Megawatt bzw. bei Anwendungen im Wohnhausbereich auch unter 3 Kilowatt, dem Bau effizienter Systeme zur Energiewandlung, der Entwicklung von Speichern mit hohen Leistungsdichten bei gleichzeitig vertretbaren Kosten.

Zum Autor
Dr. Stephan Beyer ist Investment Director bei der börsennotierten Venture Capital-Gesellschaft Ventegis Capital AG (www.ventegis-capital.de) und in dieser Position seit über zehn Jahren für das Beteiligungsmanagement zuständig. Er ist derzeit Mitglied in den Aufsichtsräten der Soltecture GmbH (www.soltecture.de), Schnell Motoren AG (www.schnellmotor.de) und Aupeo! GmbH (www.aupeo.de).