Fehler 1: „Um diese Frage kümmern wir uns später“
Gerade bei Erfindern aus dem wissenschaftlichen Umfeld steht häufig die frühe Veröffentlichung der Idee im Zentrum des Interesses. Aber auch bei innovativen Mittelstandsunternehmen passiert es leider noch zu häufig, dass neue Entwicklungen schon „guten Kunden“ vorgestellt werden, bevor überhaupt über das Thema Schutzrechte nachgedacht wurde. Die Frage der Patentierbarkeit wird weltweit sehr ähnlich wie im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ, www.epo.org) gesehen: „Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“ (EPÜ Art. 52.1) Die Neuheit wird dabei absolut gesehen, d. h. auch Veröffentlichungen durch den Erfinder selbst stehen einer späteren Patentierung entgegen. Selbst wenn nur Grundideen öffentlich gemacht werden, kann dies dazu führen, dass der Patentprüfer dadurch den Patentgegenstand als naheliegend erachtet und damit eine erfinderische Tätigkeit verneint.
Fehler 2: „Wir haben das Recht auf die wirtschaftliche Nutzung der patentierten Erfindung“
Ein Patent ist lediglich ein (zeitlich befristetes) Verbotsrecht. So sind zwar Erfindungen, die bei ihrer „gewerbliche(n) Anwendung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würden“ (EPÜ Art. 53), von der Patentierung ausgeschlossen, es wird aber nicht geprüft, ob z. B. rechtliche Gründe dem in Verkehr bringen eines aus dem Patent abgeleiteten Produkts entgegenstehen. Insbesondere ist ein Patent keine Bescheinigung darüber, dass mit einem entsprechenden Produkt keine Schutzrechte Dritter verletzt werden. Ist dies bei einem Produkt der Fall, das bereits jahrelang erfolgreich im Markt ist, können die sich daraus ergebenden Konsequenzen (Schadensersatz, Unterlassung) für ein Unternehmen existenzbedrohend sein.
Fehler 3: „Die Anmeldung von Schutzrechten ist immer die beste und sicherste Strategie“
Trotz der eineinhalbjährigen Zeitspanne zwischen Anmeldung und Veröffentlichung der Anmeldeschrift liefern die Patentdatenbanken in vielen Technologiebereichen die frühesten, umfangreichsten und gut recherchierbaren Informationen über Innovationen von Unternehmen. Eine weltweit nahezu einheitliche Anforderung an Patentschriften ist der ausreichende Offenbarungsgehalt: „Die Erfindung ist in der europäischen Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (EPÜ Art. 83). Das bedeutet: Mit der Veröffentlichung der Patentanmeldung gibt der Anmelder einen wesentlichen Teil seines Know-how-Vorsprungs auf. Dies ist mit Sicherheit in solchen Fällen nicht das intelligenteste Vorgehen, bei denen die Erfindung am Endprodukt nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand (Reverse Engineering) erkennbar ist oder wenn Schutzrechte nicht durchgesetzt werden können.
Fehler 4: „Ein Patent je Erfindung reicht“
Die Erlangung und Aufrechterhaltung eines Schutzrechtes ist mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden, sodass teilweise die Strategie verfolgt wird, auch komplexe Erfindungen „in ein Patent zu packen“. Die Praxis zeigt, dass dies aus mehreren Gründen nicht sinnvoll ist. Unternehmerisches Ziel sollte es sein, einen möglichst umfassenden Innovationsvorsprung zu erlangen und diesen möglichst lange zu halten.
Gerade zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens ist es daher häufig sinnvoll, möglichst breit Schutzrechte „auf Vorrat“ anzumelden, um sich z. B. nicht zu früh auf eine von mehreren technischen Alternativlösungen festlegen zu müssen. Stellt sich im weiteren Verlauf der Entwicklung eine Lösung als weit überlegen heraus, so können die anderen Anmeldungen fallen gelassen werden, ohne dass bis dahin hohe Kosten entstanden sind.
Fehler 5: „Einmal gründlich recherchieren reicht“
Eine Recherche zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens zur Ermittlung des „Stands der Technik“ ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Beispielsweise wird der beste Aufsatzpunkt gefunden und so vermieden, das Rad neu zu erfinden. Außerdem erhält man einen guten Überblick, wer sich noch mit dem Thema befasst und welche Ideen hat. Darüber hinaus werden valide Schutzrechte ermittelt, die die eigene Gestaltungsfreiheit mehr oder weniger einengen. Die Recherche kann auch zu dem Ergebnis führen, das Projekt zu stoppen, weil z. B. ein breiter freier Stand der Technik keine Ansatzpunkte für eigene Schutzrechte ermöglicht oder das Feld durch Patente anderer Unternehmen bereits besetzt ist.
Es ist allerdings nicht ausreichend, nur einmal, vor der eigenen Patentanmeldung zu recherchieren, denn
- Patentanmeldungen, die die eigene Handlungsfreiheit einschränken können, müssen überwacht werden, um möglichst früh zu erfahren, wann und vor allem mit welchem Schutzumfang die Patente erteilt werden.
- Aufgrund der in der Regel eineinhalbjährigen Dauer bis zur Veröffentlichung können häufig nicht alle relevanten Anmeldungen recherchiert werden.
- Das eigene Entwicklungsprojekt verläuft so, dass der zu recherchierende Bereich erweitert oder verändert werden muss.
Deshalb müssen wiederholte Recherchen mindestens bis zur Produkteinführung durchgeführt werden, um das unternehmerische Risiko zu minimieren.
Fehler 6: „Wenn die Patentkosten zu hoch werden, lassen wir ein paar weniger wichtige Schutzrechte fallen“ Die Gesamtkosten für das Anmelden und Aufrechterhalten einer Patentfamilie lassen sich vorab recht gut abschätzen. Zusammen mit Annahmen u. a. über den erwarteten Nutzen, die Länder, in denen ein Schutz notwendig ist und den Produktlebenszyklus ist so eine belastbare Kosten-Nutzen-Abwägung im Vorfeld möglich. Wenn weiterhin bereits beim Start von Entwicklungen und der Gestaltung der zugehörigen Patentanmeldungen eine mögliche spätere Lizenzvergabe oder ein Verkauf berücksichtigt wird, kann aus dem Kostenfaktor Patente eine Cash Cow werden.
Fazit:
Jedes innovative Unternehmen benötigt eine effiziente Patentstrategie, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Die passende Patentstrategie stellt nicht nur sicher, dass Fehler wie die dargestellten vermieden werden, sondern sie ist ein effektives Werkzeug zur gezielten Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und damit letztlich zur Steigerung des Unternehmenswerts.
Zu den Autoren
Prof. Dr. Udo Wupperfeld ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrum Technologiebewertung und Innovationsberatung TIB (www.steinbeis-tib.de), Dr. Bernd Singer ist Leiter IP Consulting. Das Steinbeis-Transferzentrum TIB führt Technologiebewertungen, Patentbewertungen, Analysen und Forschungsprojekte durch.