Beispiel: Gründer A und B halten jeweils 12.500 Geschäftsanteile, welche sie bei Gründung zum Nennwert von je 1,00 EUR übernommen haben. Investor C wird gegen Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage in Höhe von 990.000 EUR zur Übernahme von 10.000 Geschäftsanteilen mit einem Nennwert von jeweils 1,00 EUR zugelassen. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt nach Kapitalerhöhung 35.000 EUR. Hieran sind die Gründer zu je ca. 35,71% und der Investor C zu ca. 28,57% beteiligt.
Im Fall des Exits würde der Investor ohne spezielle Vereinbarung nur pro rata seiner Minderheitsbeteiligung am Stammkapital der Gesellschaft an dem Exit-Erlös partizipieren. Für den Investor birgt diese Verteilung die Gefahr, dass der auf ihn entfallende Betrag hinter seinen Renditeerwartungen oder sogar hinter seinem Investment zurückbleibt.
Beispiel: Im obigen Fall erzielen die Gesellschafter ein Jahr nach Beteiligung von Investor C im Rahmen eines Exits einen Veräußerungserlös von insgesamt 2.500.000 EUR. Auf Investor C entfielen hiervon ca. 28,57% oder 714.285,71 EUR, was einem Verlust gegenüber seinem Investment in Höhe von beinahe einem Drittel entspricht. Gründer A und B hingegen erhielten für ihre nicht monetären Gesellschafterbeiträge jeweils 892.857,14 EUR, obwohl sie nur mit je 12.500 EUR finanziell investiert waren.
Die nicht monetären Gesellschafterbeiträge der Gründer werden damit gegenüber dem finanziellen Beitrag des Investors mehr oder weniger stark bevorzugt gewichtet. Diese Disproportionalität suchen Investoren über sogenannte Erlösverteilungs- oder Liquidationspräferenzen zu beheben, um ihr Investment inklusive einer bestimmten Rendite abzusichern.
Liquidationspräferenzen regeln Exit
Entgegen ihrem Wortlaut regeln Liquidationspräferenzen nicht nur die Verteilung von Überschüssen aus der Liquidation einer Gesellschaft, sondern insbesondere auch die Erlösverteilung im Fall eines Exits oder sonstiger, wirtschaftlich vergleichbarer Maßnahmen, einschließlich der Verteilung von Sacherlösen (Gesellschaftsanteilen) nach Einbringungs- oder Umwandlungsvorgängen, sowie teils auch die Ausschüttung von Dividenden an die Gesellschafter. Abweichend von der Verteilung pro rata der Beteiligungsverhältnisse weisen Liquidationspräferenzen den Exit-Erlös vorrangig dem Investor in einer bestimmten Höhe zu. Regelmäßig soll der Investor vorab sein Investment gegebenenfalls zuzüglich einer bestimmten Rendite zurückerhalten, bevor die anderen Gesellschafter an den Ausschüttungen beteiligt werden. Wie weit die Liquidationspräferenz den Betrag des ursprünglichen Investments noch übersteigt, ist Verhandlungssache.
Beispiel: Im Beispielsfall enthält der Beteiligungsvertrag eine Liquidationspräferenz in Höhe des Investments zuzüglich einer jährlichen Rendite in Höhe von 30%. In diesem Fall erhielte Investor C aus den 2.500.000 EUR zunächst einen Betrag von 1.300.000 EUR. Die restlichen 1.200.000 EUR würden im Anschluss pro rata der Beteiligung am Stammkapital verteilt. Inwieweit Investor C bei dieser Verteilung nochmals berücksichtigt wird, hängt davon ab, ob die Parteien eine sogenannte Participating oder Non-Participating Preference vereinbart haben (vgl. unten). Läge der Veräußerungserlös hingegen nur bei 1.000.000 EUR, gingen die Gründer im Exit-Fall trotz ihrer Beteiligung leer aus.
Im Ergebnis bewirken Erlösverteilungspräferenzen, dass sich die bevorzugte Gewichtung von nicht monetären Gesellschafterbeiträgen zugunsten der Finanzierungsbeiträge des Investors verschiebt. Nur soweit die Erlöse die präferierten Ansprüche des Investors übersteigen, partizipieren auch die anderen Gesellschafter am Exit-Erlös.
Eine Frage der Gestaltung
Der Gestaltungsspielraum für Liquidationspräferenzen ist denkbar weit. Im Folgenden sollen nur einige Punkte näher berücksichtigt werden, die bei der Verhandlung von Liquidationspräferenzen regelmäßig zu bedenken sind.
„Participating“ oder „Non-Participating“
Je nachdem, ob der Investor nach Erhalt der Liquidationspräferenz (Stufe 1) auch im Rahmen der Pro-rata-Verteilung der übersteigenden Beträge (Stufe 2) berücksichtigt wird, spricht man von einer sogenannten Participating oder einer Non-Participating Preference.
Beispiel: Hat Investor C sein Investment mit einer Non-Participating Preference gesichert, so bliebe es bei obigen 1.300.000 EUR und der gesicherten Rendite in Höhe von 30%. Konnte Investor C hingegen eine Participating Preference durchsetzen, so wird er bei der Ausschüttung der verbleibenden 1.200.000 EUR nochmals pro rata seiner Beteiligung be-rücksichtigt. Im Ergebnis erhielte er dann weitere 342.857,14 EUR, womit sich seine Rendite von 30% auf rund 65% mehr als verdoppeln würde.
„Double Dipping“
Eine strenge Non-Participating Preference findet sich in der Praxis derzeit selten. Wenn hiervon die Rede ist, wird meist die Teilnahme des Investors an der Pro-rata-Erlösverteilung gemeint sein, bei der jedoch eine hieraus resultierende, aus Gründersicht ungerechtfertigte Bevorteilung („Double Dipping“) vermieden werden soll. Denn ab einem gewissen Exit-Erlös würde allein die Pro-rata-Beteiligung des Investors am Erlös schon das per Liquidationspräferenz zu sichernde Investment inklusive Rendite abdecken. Für solche Fälle können Regelungen in den Beteiligungsvertrag aufgenommen werden, wonach die Liquidationspräferenz ab einem bestimmten Schwellenwert entfällt oder sich der Investor auf Stufe 2 die Beträge anrechnen lassen muss, die schon auf Stufe 1 an ihn geflossenen sind.
„Last in, first out“
Finden mehrere Finanzierungsrunden mit unterschiedlichen Investoren statt, so gilt in der Regel der Grundsatz „last in, first out“. Der zeitlich zuletzt hinzutretende Investor wird mit der entsprechenden Liquidationspräferenz vorrangig vor den sonstigen, präferierten Investoren berücksichtigt und erhält als erster sein Investment zurück. Die Altinvestoren rutschen damit pro Finanzierungsrunde mit „ihrer“ Liquidationspräferenz eine Stufe nach unten.
Fazit:
Liquidationspräferenzen in Venture Capital-Beteiligungsvereinbarungen sind ein sinnvolles Gestaltungsinstrument für Investoren, ihr Investment zuzüglich einer bestimmten Rendite gegen Verluste im Zusammenhang mit einer Hochrisikoinvestition abzusichern. Im Rahmen mehrerer aufeinanderfolgender Finanzierungsrunden zu unterschiedlichen Bewertungen sind grundsätzlich verschiedene Präferenz-Mechanismen miteinander kombinierbar. In der Praxis ist jedoch darauf zu achten, dass die Verzahnung stimmt und entsprechend komplexe Strukturen mit einem (unverbindlichen) Rechenbeispiel unterlegt werden.