Mit Erfahrung in die Zukunft
Mehr als 4.360 Beteiligungen ist die MBG Baden-Württemberg in über vier Jahrzehnten eingegangen und bewegt sich damit auf Rekordkurs. Keine andere Beteiligungsgesellschaft in Deutschland hat so häufig Eigenkapital für Unternehmen bereitgestellt. Von dem dabei vergebenen Gesamtvolumen in Höhe von rund 990 Mio. EUR profitierten Handwerker ebenso wie Dienstleister und Produktionsbetriebe, wobei die Gesellschaft einen besonderen Schwerpunkt auf die Finanzierung von Innovationen legt. „Wir haben ein Spezial-Team, das sich mit neuesten Entwicklungen in Technik, Software und Life Sciences auskennt“, betont Geschäftsführer Guy Selbherr. Jüngstes Beispiel für diesen Ansatz ist das Engagement beim Allgäuer Unternehmen MSR-Solutions in Wangen. Die MBG stellte Mittel für die Fertigstellung und Markteinführung eines intelligenten Gebäude-Energiemanagementsystems bereit, für das die Newcomer bei der Cebit nun mit dem Innovationspreis IT 2012 der Initiative Mittelstand ausgezeichnet wurden.
Pionier für Beteiligungskapital
Junge Start-ups bekommen bereits in der Vorgründungsphase Unterstützung, während im etablierten Mittelstand Wachstumsprojekte ebenso finanziert werden wie die Nachfolgeregelung. Nur der Investitionsstandort muss stets – entsprechend der Schwerpunktsetzung Mittelständischer Beteiligungsgesellschaften (MBGs) auf ihr jeweiliges Bundesland – in Baden-Württemberg liegen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die MBGs in Deutschland die Beteiligungsfinanzierung für den kleineren Mittelstand ‚hoffähig‘ gemacht haben“, betont Selbherr. Die Wurzeln reichen zurück bis in die 1960er-Jahre, als die Bilanzen noch steueroptimiert und Begriffe wie Rating und Mezzanine ein Fremdwort waren. Die starke Fremdfinanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen war bereits damals ein Problem. Da sich diese Betriebe auch nicht über den Kapitalmarkt finanzieren können, wollte die damalige Bundesregierung mit staatlicher Hilfe Eigenkapital über private Beteiligungsgesellschaften anbieten. Bei der MBG Baden-Württemberg spiegelt sich das bis heute in den Kapitalquellen wider. Gesellschafter sind die Bürgschaftsbank, die L-Bank und Spitzeninstitute der Kreditwirtschaft, aber auch Handwerkskammern, IHKs und Berufsverbände. Die MBG refinanziert sich darüber hinaus anteilig über die KfW und nutzt zur Abfederung des Risikos auch Garantien der Bürgschaftsbank. „Da wir zudem keine Ausschüttungen tätigen und Rückflüsse wieder neu investieren, sind unsere Investitionsmittel letztlich mit einem Evergreen-Fonds vergleichbar“, erläutert Selbherr.
„Ruhiges“ Kapital für den Mittelstand
Bei einer durchschnittlichen Beteiligungssumme von 330.000 EUR im Jahr 2011 engagiert sich die MBG in der Regel als stiller Gesellschafter mit maximal 1 Mio. EUR für acht bis zehn Jahre. Sie mischt sich nicht ins Tagesgeschäft ein, unterstützt die Unternehmen aber bei der strategischen Weiterentwicklung und sieht sich als Sparringspartner. Üblich ist zudem die Verankerung von Zustimmungspflichten zu besonderen Geschäften. „Entscheidend ist, dass das Management offen und zeitnah über die Entwicklung kommuniziert und an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit interessiert ist“, sagt Selbherr. Eine wichtige Rolle für den Kontakt zu den Finanzierungen suchenden Firmen spielt die vor sieben Jahren festgezurrte Kooperation mit den Sparkassen und Volksbanken. Gemeinsam mit diesen Instituten bzw. deren Beteiligungsgesellschaften kann sich die MBG mit einem Volumen von bis zu 2,5 Mio. EUR beteiligen.
Co-Ventures und offene Beteiligungen
Mit Geld aus dem im Jahr 1995 gebildeten Risikokapitalfonds für junge Hightech-Unternehmen, dessen Management die Gesellschaft im Auftrag des Landes übernommen hat, erwirbt die MBG bei Bedarf auch offene Beteiligungen. Sie nimmt dabei ausschließlich Minderheitspositionen ein und sucht im Rahmen von Co-Ventures die Zusammenarbeit mit weiteren Venture Capital-Gesellschaften. Doch auch bei Wachstumsschritten oder Nachfolgeregelungen etablierter Unternehmen kommt es häufig gemeinsam mit Private Equity zu syndizierten Finanzierungen. „Seit diesem Jahr können wir zudem auch außerhalb des Risikokapitalfonds offene Beteiligungen eingehen, und wir planen, diesen Bereich in den nächsten Jahren deutlich auszubauen“, kündigt Selbherr an.
Schwerpunkt Innovationen
Den Löwenanteil der im vergangenen Jahr genehmigten 156 neuen Beteiligungen mit einem Gesamtvolumen von 51,8 Mio. EUR machten einmal mehr die Bestands- und Wachstumsfinanzierungen für etablierte Unternehmen aus, wobei neue Technologien hier ebenfalls einen Schwerpunkt bilden. Doch auch klassische Branchen sind in dem aktuell aus 1.109 Beteiligungen bestehenden Portfolio vertreten: vom Schuhhersteller Bär über die Großbäckerei Mahl bis hin zum Essig- und Senfproduzenten Hengstenberg. Darüber hinaus trägt das erklärte Ziel Früchte, die Engagements bei jungen und innovativen Firmen weiter voranzutreiben. Der MBG-Geschäftsführer ist überzeugt davon, dass sich eine Finanzierung mit Venture Capital bei innovativen Gründervorhaben förmlich aufdrängt. Dennoch herrscht in Deutschland daran erheblicher Mangel. „Selbst das Alleinstellungsmerkmal eines Hightech-Start-ups und eine lukrative Nische überzeugen nicht zwingend Investoren, die größere Märkte im Visier haben und unter verschiedenen Projekten auswählen können“, weiß Selbherr. Umso wichtiger seien ergänzende Förderungen z.B. durch den High-Tech Gründerfonds oder den KfW-ERP-Startfonds – weil sie wichtige Impulse geben und weiteres privates Kapital mobilisieren.
Seedfonds fördert Start-ups
Auch die MBG hat sich seit dem Jahr 2009 gemeinsam mit der L-Bank, LBBW Venture und dem Land im Rahmen des Seedfonds BW verstärkt im Bereich der Frühphase engagiert. An Investitionsgelegenheiten mangelt es nicht. Als Beispiel nennt Selbherr die Seedfonds-Beteiligung an Compositence in Leonberg, deren Technologien die Serienfertigung von Faserverbundstoffen z.B. in der Automobilindustrie revolutionieren. Ebenfalls zu den jüngeren Investments der MBG gehört die Beteiligung an der Stuttgarter Heliocos, deren Zahnimplantatsysteme operative Eingriffe erheblich erleichtern und für eine echte Innovation in diesem eng besetzten Markt sorgen.
Ausblick
Die MBG Baden-Württemberg ist im laufenden Jahr bei gestiegenem Volumen bereits mehr Beteiligungen eingegangen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Das Management geht angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten sowie des veränderten regulatorischen Umfelds und der befürchteten Verschärfungen durch Basel III fest davon aus, dass die Bedeutung von Eigenkapitalfinanzierungen steigen wird. Dazu trage auch die Tatsache bei, dass Mittelständler derzeit mit Blick auf den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit intensiver Innovationen angehen. „Wir selbst wollen unsere Engagements auch über offene Beteiligungen intensivieren und zudem den Bereich kleinteiliger Mezzanine-Finanzierungen noch stärker ausbauen“, sagt Selbherr.