Käufer aus China verfolgen langfristige Ziele

Die sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China), insbesondere aber China, sind der Impulsgeber für die Weltwirtschaft und für unsere Konjunktur. Aber nicht nur die deutsche Exportwirtschaft, sondern auch der deutsche M&A-Markt hängt mehr und mehr am chinesischen Tropf. Während die Private Equity-Investitionen im ersten Quartal 2012 ein Rekordtief erreichten, haben sich die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland vervielfacht. China ist mit 16 abgeschlossenen Transaktionen in den letzten zwölf Monaten in Deutschland laut Datendienst mergermarket zum zweitaktivsten Auslandsakquisiteur nach den USA geworden.

Haben sich chinesische Unternehmen in der Vergangenheit häufig auf mittelständische Firmen und Unternehmen in der Krise konzentriert, werden mittlerweile immer größere Transaktionen angegangen. Nach der Putzmeister-Übernahme durch Sany stieg nur Tage später die Xuzhou Construction Machinery Group (XCMG) als Mehrheitseigner beim Familienunternehmen Schwing ein, dem zweitgrößten Wettbewerber im Betonpumpenmarkt. Im Automobilzuliefersektor wurden in den letzten zwölf Monaten Unternehmen wie KSM Casting, SaarGummi oder Kiekert von chinesischen Firmen übernommen. Dieser Boom erscheint vor der wirtschaftlichen Entwicklung und finanziellen Kraft Chinas nicht verwunderlich, erstaunt einen als M&A-Berater aber trotzdem. Die Verhandlungen mit chinesischen Investoren gestalteten sich in der Vergangenheit oftmals sehr schwierig, die Abbruchrate bei Verhandlungen war hoch und bei kompetitiven Verkaufsprozessen waren chinesische Unternehmen selten die Sieger.

Dabei lag es oft nicht nur an Kulturunterschieden oder geringer Akquisitionserfahrung. Auch die chinesischen Behörden machen es Unternehmen, die im Ausland akquirieren wollen, nicht einfach. Besonders Staatsunternehmen stehen unter besonderer Kontrolle. Bei der Währungsbehörde SAFE ist der Umtausch von Yuan in Euro zu beantragen, zudem wird die finanzielle Situation des Unternehmens geprüft. Daneben muss das Unternehmen einen Akquisitionsantrag bei der Nationalen Entwicklungskommission NDRC stellen. Die Berichte von SAFE und NDRC werden danach noch vom Wirtschaftsministerium MOFCOM geprüft. Nur wenn dieses zustimmt, kann der Unternehmenskauf auch vollzogen werden.

Die chinesischen Unternehmen haben in den letzten Jahren bei kleineren Akquisitionen dazugelernt. Zwar mussten sie zum Teil auch Lehrgeld bezahlen, sie haben aber viel an Erfahrung gewonnen. Heute sind sie so geschult im Umgang mit internationalen Verkaufsprozessen wie mit ihren nationalen Behörden, beauftragen erfahrene Berater und agieren verblüffend schnell und versiert in Transaktionen. Aber am wichtigsten ist, dass die Unternehmen wie die chinesische Regierung mit ihrem Fünfjahresplan langfristige Strategien verfolgen. Der Einkauf in Technologie und Marken ist von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung chinesischer Unternehmen Richtung Weltmarkt. Daher werden die Akquisitionen in Deutschland auch bei einer Abkühlung der chinesischen Binnenkonjunktur eher zu- als abnehmen und sich chinesische Investoren als wichtiger Bestandteil des deutschen M&A-Marktes etablieren.

Zum Autor

Dr. Gernot Wunderle ist Managing Partner bei goetzpartners (www.goetzpartners.com) und leitet die deutschen Corporate Finance-Aktivitäten. Zudem ist er verantwortlich für die Bereiche Medien, Telekommunikation und Business Services. Goetzpartners ist eine unabhängige M&A- und Unternehmensberatung mit 200 Mitarbeitern in zehn Büros in acht Ländern, darunter auch ein Büro in Shanghai.