Debt to Equity Swap nach der Insolvenzordnung

Bisherige Situation

Die folgende Konstellation ist im Venture Capital-Bereich nicht ungewöhnlich: Trotz mehrerer Finanzierungsrunden, bei denen sich neben den Gründern auch Investoren aus dem Private Equity-Bereich beteiligt haben, gerät das Unternehmen in der Rechtsform der GmbH oder AG in wirtschaftliche Schieflage. Die Banken als Fremdkapitalgeber drängen auf eine Sanierung, unter den Investoren wird jedoch keine Einigkeit über die Zuführung weiteren Eigenkapitals erzielt. Die Geschäftsführer sehen sich gezwungen, Insolvenzantrag zu stellen. Sofern das Unternehmen gute Marktchancen hat und über ein attraktives Geschäftsmodell verfügt, könnte es bei einer Reduzierung der Verbindlichkeiten und der Zinslast in Zukunft wieder erfolgreich sein. Die Investoren haben in dieser Konstellation ein Interesse daran, Gesellschafter zu bleiben und in Zukunft am Erfolg des Unternehmens zu partizipieren. Genau an dieser Stelle greift eine Neuregelung in der Insolvenzordnung ein, welche die Position der Gesellschafter des Unternehmens nachhaltig verschlechtert.

Insolvenzplanverfahren schonte Anteile

Die Insolvenzordnung (InsO) sieht neben dem Regelverfahren, das auf eine Zerschlagung des Unternehmens hinausläuft, die Möglichkeit eines sogenannten Insolvenzplanverfahrens vor (vgl. § 217 ff. InsO). Grundgedanke ist, dass auf Initiative des Insolvenzverwalters oder des Schuldners, also des Unternehmens, das sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, ein Plan erstellt wird, der unter Berücksichtigung von Gläubigergruppen eine Sanierung des Unternehmens und dessen Fortführung ermöglicht. Bislang wurden in dieses Verfahren die Gesellschafter des sich in Insolvenz befindenden Unternehmens nicht einbezogen, mit anderen Worten wurde nicht in ihre Gesellschafterrechte eingegriffen. Damit blieben ihre Anteile an dem Unternehmen bestehen. Kam es in der Folgezeit zu einer Erholung des Unternehmens, standen die Gewinne den Gesellschaftern zu.

Debt to Equity Swap für die Gläubiger

Der Gesetzgeber führte in diesem Zusammenhang mit Wirkung ab 1. März 2012 eine bedeutsame Änderung ein: Künftig kann auch gegen den Willen der bisherigen Gesellschafter ein sogenannter Debt to Equity Swap erfolgen, bei dem die Gläubiger des Unternehmens, also im Wesentlichen die Banken, auf ihre Forderungen gegen Erhalt von Gesellschaftsanteilen an dem Unternehmen verzichten und gleichzeitig die Anteile der Altgesellschafter im Wege eines sogenannten Kapitalschnitts untergehen. Grundgedanke eines Debt to Equity Swap ist, dass die Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten und dafür eine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft erhalten. Die Gesellschaft wird dadurch von den Verbindlichkeiten befreit. Damit wird das Unternehmen gleichsam auf Kosten der Anteilsinhaber als auch der Investoren, auf die Gläubiger übertragen. Dies bedeutet einen positiven bilanziellen Effekt, der zur Beseitigung der Überschuldung beiträgt. Ferner mindert sich die Zinslast der Gesellschaft, was sich wiederum positiv auf ihre Zahlungsfähigkeit auswirkt. Für die Gläubiger ist dieses Modell umso attraktiver, je größer ihre prozentuale Beteiligung und damit ihr Anteil an den künftigen Gewinnen des sanierten Unternehmens wird.

Wie hoch ist der Anteil?

Bei einem solchen Debt to Equity Swap stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Kapitalerhöhung zugunsten der Fremdkapitalgeber und dem Eigenkapital der Altgesellschafter. Denn je größer die Beteiligung der früheren Gläubiger wird, desto mehr wird die Beteiligung der Altgesellschafter verwässert und damit entwertet. Da der Debt to Equity Swap eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen darstellt, kann das Kapital nur in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung erfolgen. Bei einem insolventen Unternehmen ist der Verkehrswert der Forderungen der Fremdkapitalgeber gering. Werthaltig ist vereinfacht gesagt der Teil der Forderung, der durch die Insolvenzquote gedeckt wäre. Da die Insolvenzquote regelmäßig gering ist, ist auch der Nominalbetrag der neuen Einlage zugunsten der Gläubiger eher gering. Sofern die Gesellschaftsanteile der Altgesellschafter unberührt blieben, würden die Gläubiger in aller Regel nur einen geringen prozentualen Anteil des Kapitals der sanierten Gesellschaft erhalten. Sollte sich das Unternehmen nach der Sanierung wirtschaftlich erholen, würde ein Großteil der künftigen Gewinne auf die Altgesellschafter entfallen. Außerdem hätten die Altgesellschafter die Möglichkeit, einen Verkauf des sanierten Unternehmens durch die Banken zu blockieren. Je weniger Anteilseigner existieren, desto leichter ist es, einen Erwerber zu finden. Ohne einen Kapitalschnitt zulasten dieser Altgesellschafter wäre das Modell für die Banken regelmäßig wenig attraktiv.

Kapitalschnitt zulasten der Altgesellschafter

Der Gesetzgeber hat nunmehr vorgesehen, dass im Rahmen des Debt to Equity Swaps eine Kapitalherabsetzung (sogenannter Kapitalschnitt) zulasten der Altgesellschafter auch gegen deren Widerspruch möglich ist. Da der Liquidationswert der Anteile der Altgesellschafter in der Insolvenz regelmäßig gegen null tendiert, sind ihre Anteile wertlos. Für den Debt to Equity Swap bedeutet dies, dass in vielen Fällen eine Kapitalherabsetzung auf null erfolgen kann. Im Ergebnis verlieren die Altgesellschafter damit vollständig ihre Beteiligung an dem sanierten Unternehmen zugunsten der Gläubiger.

Kritikpunkte

Dieser Totalverlust der Beteiligung stößt unter Juristen auf Kritik. Unter anderem wird eingewandt, dass es sich um eine Verletzung der durch das Grundgesetz gewährten Eigentumsgarantie der Altgesellschafter handele. Diese Frage wird in Zukunft voraussichtlich von den Gerichten beantwortet werden. Noch nicht abschließend geklärt ist auch, ob ein Bezugsrecht der Altgesellschafter auf Erwerb neuer Anteile besteht. Bejaht man dies, hätten die Altgesellschafter das Recht, sich durch Bareinlage an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Geht man von einem Bezugsrecht aus, so stellt sich die weitere Frage, in welchem Verhältnis dieses Bezugsrecht anzusetzen ist. Im Verhältnis der Anteilsinhaber untereinander wird man die ursprünglichen Beteiligungsverhältnisse ansetzen können. Weitgehend ungeklärt ist das Verhältnis zwischen dem Bezugsrecht der Altgesellschafter einerseits und dem Erwerb der neuen Anteile durch die früheren Gläubiger andererseits. Auch insoweit werden die Gerichte für eine Klärung sorgen müssen.

Ausblick

In Zukunft werden sich Investoren und Unternehmen auf die veränderte Rechtslage einstellen und – soweit möglich – Vorsorge treffen müssen. Geraten Unternehmen mit einem attraktiven und zukunftsfähigen Geschäftsmodell in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sollten die daran beteiligten Investoren noch intensiver an einer Sanierung im Vorfeld der Insolvenz arbeiten, um den Verlust ihrer Beteiligung durch einen Debt to Equity Swap zugunsten der Gläubigerbanken im Rahmen eines Insolvenzplanes zu vermeiden.

Zum Autor

Dr. Thomas Winkemann ist Partner der Sozietät Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten ( www.goerg.de). Er ist unter anderem auf die Bereiche M&A und Private Equity spezialisiert.