Krise beflügelt Start-ups in Spanien

Venture als Antwort auf die Krise

„Wir haben einfach auf das falsche Pferd gesetzt”, so erklärt Miguel Cordoba, der an der Wirtschaftsfakultät der Universität San Pablo CEU in Madrid Finanzwirtschaft unterrichtet, den Ursprung der Krise in seinem Land. Spanien erlebt seit 2004 die dramatischen Folgen des Platzens einer seit 1996 wachsenden Immobilienblase. „Jeder wollte seine Wohnung haben, am besten auch noch eine am Strand, alles fremdfinanziert. Das konnte nicht gut gehen”, sagt Cordoba. Rund 90% der fast 50 Millionen Spanier haben heute ihr Eigenheim, viele Millionen sind aber dadurch auch hoch verschuldet. Seit 2007 versuchen die heimischen Banken, das Risiko bei der Darlehensvergabe zu reduzieren und damit dem steigenden Kreditausfall entgegenzuwirken. „Darunter haben vor allem kleinere Firmen und Gründer gelitten, denen plötzlich der Geldhahn zugedreht wurde”, sagt Cordoba. Das war ein guter Moment für Wagniskapitalunternehmen, die unabhängig von den makroökonomischen Bedingungen Spaniens jungen und weltweit innovativen Firmen wie dem Antivirensoftware-Hersteller Panda oder der Frachtbörse Wtransnet das Geld für die Expansion bereitstellten. Auch Banken und Sparkassen gründeten Wagniskapitalgesellschaften. Waren es 2006 noch 764 Unternehmen, die mit Venture Capital wuchsen, sind es heute schon fast 1000.

Fehlender Unternehmergeist

Allerdings hat der zurückgehende Konsum dazu geführt, dass eine regelrechte Pleitewelle eingetreten ist. „Kredite für den Mittelstand gibt es nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen, und allein mit Risikokapital können viele Transaktionen nicht gestemmt werden”, sagt Maite Ballester, Chefin der Investmentgesellschaft 3i in Spanien und Präsidentin von ASCRI, des spanischen Interessenverbandes für Wagniskapitalfonds. Damit erklärt sich auch, dass sich das Venture Capital-Volumen immer noch auf nur leicht über 3 Mrd. EUR beläuft und damit im Vergleich zu Anfang 2000 kaum gewachsen ist: „Das sind noch nicht einmal 0,2% des spanischen Bruttoinlandproduktes, in Großbritannien sind es 0,5%”, stellt Ballester fest. Viele Branchenexperten wie sie glauben dennoch, dass die Krise für Spanien langfristig eine Chance ist, dessen Wirtschaft bisher wenig auf Business Angels und Private Equity ausgerichtet war: „Bei einer Arbeitslosigkeit von 24% werden mehr Jugendliche in Zukunft den Weg in die Selbstständigkeit suchen. Bislang wollten die meisten Beamte werden“, hofft die 3i-Managerin und ergänzt: „Das wäre ein wichtiger Schritt, denn viele wirtschaftlichen Probleme, die wir seit Jahrzehnten haben, sind mentalitätsbedingt.” Demnach bekamen Jugendliche bislang alles von ihren Eltern auf dem Tablett serviert. Es gebe keine Risikobereitschaft, was auch die enormen Geldmengen erkläre, die in Spanien in Immobilien geflossen seien. Die Spanierin, die elf Jahre in den USA gelebt hat, kritisiert, dass es ihren Landsleuten an Unternehmergeist fehle: „Die Jugendlichen sind in einer sehr bequemen Welt groß geworden. Unser Erziehungssystem fördert nicht das aktive Engagement, sondern das Auswendiglernen. In Spanien machen die Eltern zudem alles, damit die Kinder so lange wie möglich zu Hause bleiben. Das hat alles seine Vorteile, aber wirtschaftlich gesehen eigentlich nur Nachteile.”

Verspätete Entwicklung

Bis dato war der spanische Venture Capital-Markt auch deswegen sehr klein und die meisten Gründungsideen wurden von der Familie oder staatlichen Einrichtungen getragen. Mit staatlichen Wagniskapitalgesellschaften wuchs der Markt Ende der 1980er-Jahre, dann kam wegen der wirtschaftlichen Krise ein erster Einbruch und erst Ende der 1990er-Jahre erlebt die Branche wieder einen leichten Aufschwung, der seinen vorläufigen Höhepunkt 2006 erreichte. Die öffentliche Hand bleibt wichtig für den Sektor. Trotz der Krise haben die staatlichen Institutionen im vergangenen Jahr über 600 Risikokapitalprojekte unterstützt, mit einem Volumen von mehr als 90 Mio. EUR. Der spanische „Neue Markt” kam hingegen viel zu spät, als der Internetboom schon vorbei war und in Spanien kaum noch Unternehmen an die Börse gingen. 2009 gegründet, ist der MAB, wie der Markt auf Spanisch heißt, zwar gewachsen und stellt für kleinere Firmen gerade jetzt eine Alternative dar. „Aber das Volumen ist noch viel zu klein. Solche Märkte funktionieren nur in wenigen europäischen Ländern wie England und Deutschland”, sagt Ballester.

Ausländisches Kapital dominiert

Zwischen Sevilla und Pamplona hingegen sterben viele Hoffnungsträger gerade weg, auf der Seite der Risikokapitalgeber, aber auch unter den jungen Unternehmen, erklärt Carlos Conti von der Inveready Technology Investment Group, einer der aktivsten spanischen Firmen in diesem Bereich: „Ab 2007 war es für viele Unternehmen schwierig, in die zweite Phase der Finanzierung zu gelangen, weil die Geldflüsse nicht mehr funktionierten. Inzwischen halten selbst internationale Risikokapitalunternehmen den spanischen Markt für nicht mehr kreditwürdig.” Die konstante Abwertung der Bonität von Anleihen, Banken und Unternehmen in den vergangenen Monaten, die Bankenskandale und ein möglicher Bailout des gesamten Landes sowie eine schlechte Auslandspresse über das Krisenmanagement der spanischen Regierung hat diesen Prozess beschleunigt. Es gebe dennoch genug Geld in Spanien, glaubt Ballester: „In den vergangenen Jahren sind viele spanische Venture-Fonds entstanden, aber es fehlt immer noch definitiv an überzeugenden Projekten.“ Sie beklagt auch, dass große Unternehmer wie Textilunternehmer Amancio Ortega, der das Inditex-Imperium aufgebaut hat, immer noch lieber in Immobilien als in Start-ups investierten. Deswegen sei Spanien auch beim Risikokapital immer abhängiger von internationalen Investoren, die inzwischen 60% des Risikokapitalvolumens bei Transaktionen finanzierten. Auch die eigenen Banken agierten derzeit wegen dem internationalen Druck sehr zurückhaltend.

Ausblick

Um den Markt zu festigen, sieht Conti die Notwendigkeit zu paneuropäischen Allianzen. Nicht nur der spanischen Wirtschaft insgesamt fehlt es an Internationalität, das gilt auch für den Venture Capital-Markt: „Spanische Risikokapitalgeber sind teilweise zu klein, um Projekte zu stemmen, eine enger Zusammenschluss auf internationaler Ebene ist notwendig.” Die spanischen Private Equity-Gesellschaften haben erkannt, dass sie in der Krise zusammen stärker sind: Die erste Fusion zwischen N+1 Private Equity und Mercapital wurde gerade abgeschlossen. Beide sind bereits seit 27 Jahren im Geschäft und haben 107 Firmen auf die Beine geholfen. Das neue Unternehmen heißt N+1 Mercapital und wird sich vor allem auf den Mittelstand konzentrieren, der besonders unter der aktuellen Finanzkrise des Landes leidet. Der neue Dienstleister wird 13.000 Personen beschäftigen und 1,7 Mrd. EUR verwalten. Zusammen ist die Expansion nach Lateinamerika geplant.